Die Sehnsucht neuzeitlicher Bibelübersetzer nach Züchtigung

In der Neuzeit beginnen Bibel-Übersetzer Züchtigungen zu erfinden, die in der Bibel gar nicht vorkommen. Hier dazu ein Beispiel aus der Lukas-Passion, das ich bemerkenswert finde.

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War Mose geschieden?

Ex 18,2

Wie kommt es überhaupt zu dieser Frage? Die Antwort findet sich in Ex 18, wo der Besuch von Jitro, dem Schwiegervater des Mose, im Lager des ausgezogenen Volkes Israel erzählt wird:

וַיִּקַּח יִתְרוֹ חֹתֵן מֹשֶׁה אֶת־צִפֹּרָה אֵשֶׁת מֹשֶׁה אַחַר שִׁלּוּחֶֽיהָ׃

Und es nahm Jitro, der Schwiegervater des Mose, Ziporah, die Frau des Mose, nachdem er sie weggeschickt hatte.

Diese Formulierung nachdem er sie weggeschickt hatte erregte früh die Aufmerksamkeit der Ausleger. „War Mose geschieden?“ weiterlesen

Ein Text vom Toten Meer zum Thema Scheidung (frühes 2. Jh.)

Das Dokument wurde in Murabba’at am Toten Meer gefunden und ist ein Papyrus, auf den in Kursivschrift ein aramäische Text geschrieben wurde. Seine Erstveröffentlichung datiert aus dem Jahr 1961. 1 Aufgrund der großen Unterschiede in der Buchstabengröße gehen die Herausgeber von einer wenig geübten Hand aus („La main est peu habile“). Dieser Eindruck wird durch die Fehler und Verschreibungen im Text verstärkt. Die Aussagen der Zeilen 1-11 auf der Vorderseite werden in den Zeile 12-25 wiederholt. Diese Wiederholung habe ich nicht noch einmal übersetzt. „Ein Text vom Toten Meer zum Thema Scheidung (frühes 2. Jh.)“ weiterlesen

Wie alt ist Papyrus 52?

Seit seiner ersten Publikation machte 𝔓 52 Furore: er galt als der älteste erhaltene Text des NT und wurde in der zweiten Auflage des Lehrbuches »Der Text des Neuen Testamentes« von Kurt und Barbara Aland auf dem Einband dargestellt, quasi als Symbol für die wissenschaftliche Sicherung des ursprünglichen Bibeltextes.

Die Alands schrieben in ihrem Lehrbuch, der Papyrus gehöre

zu den wahrlich sensationellen Funden der letzten Generation. 𝔓 52 bot zwar nur ein Fragment aus Kap. 18 des Johannesevangeliums, aber die Datierung »um 125 n. Chr.« durch die führenden Papyrologen war an ihm das Entscheidende. Nun schließt »um 125« zwar einen Spielraum von ca. 25 Jahren nach beiden Seiten ein, neuerdings scheint sich aber die Überzeugung durchzusetzen, daß das Jahr 125 die Endgrenze darstellt, so daß 𝔓 52 ganz dicht an die wahrscheinliche Entstehung des Johannesevangeliums um 90-95 n. Chr. heranrückt. 1

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Ich gab ihnen Satzungen, die nicht gut waren?

Zur Übersetzung und Auslegung von Ez 20,25-26

Die Aussage in gängiger Übersetzung

Im masoretischen Text lauten die beiden Verse:

וְגַם־אֲנִי נָתַתִּי לָהֶם חֻקִּים לֹא טוֹבִים וּמִשְׁפָּטִים לֹא יִֽחְיוּ בָּהֶֽם׃ וָאֲטַמֵּא אוֹתָם בְּמַתְּנוֹתָם בְּהַעֲבִיר כָּל־פֶּטֶר רָחַם לְמַעַן אֲשִׁמֵּם לְמַעַן אֲשֶׁר יֵֽדְעוּ אֲשֶׁר אֲנִי יְהוָֽה׃

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Kann man einen Buchstaben in einer Übersetzung einfach entfallen lassen?

Die drei ersten Bücher der Tora nach der Genesis beginnen im Hebräischen alle mit dem Buchstaben Wav, wobei dieser Präfix die Bedeutung von ‚und‘ hat. Warum ist das wichtig – und warum sollte man diesen Buchstaben bei einer Übersetzung berücksichtigen? „Kann man einen Buchstaben in einer Übersetzung einfach entfallen lassen?“ weiterlesen

Wer ist die Frau aus Offenbarung 12?

Offb 12 schildert eine Frau, bekleidet mit der Sonne. den Mond zu ihren Füßen und auf ihrem Kopf eine Krone von 12 Sternen. So wie Albrecht Dürer (1471-1528) auf dem Frontispiz seiner Illustration zur Apokalypse von 1511 werden viele Lesende sofort an Maria, die Mutter Jesu denken. Diese Deutung ist – vor allem auch durch die Kunst – weit verbreitet. Aber: sie ist nicht ursprünglich. „Wer ist die Frau aus Offenbarung 12?“ weiterlesen

Die sechste Vater-Unser-Bitte in der lateinischen Tradition

Ich werfe hier nach der vorherigen Untersuchung einen Blick auf die lateinische Tradition ab dem 4. Jahrhundert, der einen erstaunlichen Befund bietet. Bei allen Autoren habe ich den Zeitpunkt angegeben, zu dem das jeweils zitierte Werk verfasst wurde.
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Sechshundertsechsundsechzig?

Die wohl bekannteste Zahl der Bibel lautet 666 und über ihre Bedeutung sind unzählige Beiträge verfasst worden. Um die Sache zu verkomplizieren, möchte ich hier darauf hinweisen, dass es keinesweges gesichert ist, dass die Zahl in Offb 13,18 ursprünglich 666 lautete. Denn wirklich gut bezeugt ist auch die Lesart 616.

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Woher kommt die so genannte Kanonformel?

Generell wird die Formel »nichts hinzufügen – nichts mehr wegnehmen« gerne als »Kanonformel« bezeichnet. Sie findet sich innerbiblisch zunächst zweimal im Buch Deuteronomium, jeweils in den Versen Dtn 4,2 und 13,1. 1 „Woher kommt die so genannte Kanonformel?“ weiterlesen