Untersuchungen – Kapitel 11

zurück

(Vers. 28.) «Et mortuus est Aran ante patrem suum in terra, qua natus est in regione Chaldaeorum.» Pro eo, quod legimus, in regione Chaldaeorum, in Hebraeo habetur, in UR CHESDIM (באור כשּזום), id est in igne Chaldaeorum. Tradunt autem Hebraei ex hac occasione, istiusmodi fabulam: Quod Abraham in ignem missus sit, quia ignem adorare noluerit, quem Chaldaei colunt, et Dei auxilio liberatus, de idololatriae igne profugerit: quod in sequentibus scribitur, egressum esse Tharam cum sobole sua de regione Chaldaeorum: pro quo in Hebraeo habetur, de incendio Chaldaeorum. Et hoc esse quod nunc dicitur: «Mortuus est Aran ante conspectum Thare patris sui in terra nativitatis suae, in igne Chaldaeorum;» quod videlicet ignem nolens adorare, igne consumptus sit. Loquitur autem postea Dominus ad Abraham: Ego sum qui eduxi te de igne Chaldaeorum. (Gen XV,7)

(Gen 11,28): »Und Aran starb vor seinem Vater in dem Land, in dem er geboren worden war, im Gebiet der Chaldäer.« Für das, was wir als im Gebiet der Chaldäer lesen, steht im Hebräischen in Ur Kasɘddim, 1 das heißt im Feuer der Chaldäer. 2 Von diesem Vorfall aber überliefern die Hebräer folgende Fabel: Abraham sei in das Feuer geworfen worden, weil er das Feuer nicht anbeten wollte, das die Chaldäer verehren, und sei – mit Gottes Hilfe befreit – vor dem Feuer des Götzendienstes geflohen. Im Folgenden steht geschrieben, dass Thara mit seiner Nachkommenschaft das Gebiet der Chaldäer verlassen habe, wofür im Hebräischen vom Feuerbrand der Chaldäer steht. Und das bedeute das, was nun gesagt wird: »Aran starb vor dem Angesicht seines Vaters Thara 3 im Land seiner Geburt, im Feuer der Chaldäer«, weil er offensichtlich – als er das Feuer nicht anbeten wollte – vom Feuer verzehrt worden sei. Auch spricht der Herr später zu Abraham: Ich bin es, der dich aus dem Feuer der Chaldäer herausgezogen hat (Gen 15,7). 4

(Vers. 29.) «Et sumpserunt Abram et Nachor sibi uxores. Nomen uxoris Abram, Sarai: et nomen uxoris Nachor, Melcha filia Aran. Pater autem Melchae, ipse est pater Iescae.» Aran filius Thare, frater Abraham et Nachor, duas filias genuit, Melcham, et Sarai cognomento Iescan, δυώνυμον. E quibus Melcham accepit uxorem Nachor, et Sarai Abraham: necdum quippe inter patruos, et fratrum filias nuptiae fuerant lege prohibitae, quae in primis hominibus, etiam inter fratres et sorores initae sunt.

(Gen 11,29): »Und Abram und Nachor nahmen sich Frauen. Der Name der Frau Abrams war Sarai; und der Name der Frau Nachors war Melcha, eine Tochter Arans. Aber der Vater Melchas ist auch der Vater Iescas«. 5 Aran, der Sohn Tharas, der Bruder Abrahams und Nachors, zeugte zwei Töchter: Melcha und Sarai mit dem Beinamen Iescan, ein Duonym. 6 Von den beiden nahm Nachor die Melcha zur Frau und Abram die Sara. Allerdings waren durch das Gesetz Ehen zwischen Onkeln und den Töchtern der Brüder noch nicht verboten, die bei den ersten Menschen auch zwischen Brüdern und Schwestern geschlossen wurden. 7

Fortsetzung

Show 7 footnotes

  1. Die Hieronymus vorliegende Hexapla vokalisiert den Namen anders, als der MT, der כַּשְׂדִּֽים bietet.
  2. אוּר wird in der hebräischen Bibel auch im Sinn von Feuer verwendet; vgl. Jes 31,9; 44,16; 47,14; Ez 5,2
  3. In der EÜ lauten die Namen Haran und Terach.
  4. Diese fabula ist in der jüdischen Tradition breit bezeugt, hier die Fassung des MBR: Im Zuge einer langen Erzählung, in der Abraham zuerst die Götzenbilder seines Vaters zerschlägt, wird er vor Nimrod gebracht. »Wenn du mich nur mit Worten abfertigst, sprach endlich Nimrod, (so wisse) ich bete nur das Feuer an. Ich werde dich ins Feuer werfen und es mag dich der Gott, den du anbetest, aus ihm erretten. Haran stand dabei und war noch voller Zweifel. Er sprach bei sich: Siegt Abraham, so spreche ich, ich bin von Abraham (d.i. ich bin seiner Meinung), siegt Nimrod, so spreche ich: Ich bin von Nimrod. Als hierauf Abraham in den Glutofen hinabstieg, um von den Flammen verzehrt zu werden, aber gerettet wurde, fragte man den Therach: Wem schliesst du dich nun an? Er antwortete: dem Abraham. Da nahm man ihn und warf ihn ins Feuer und er starb vor dem Angesicht seines Vaters. Das ist nun der Sinn der Worte: Und Haran ging heraus und starb vor dem Angesicht seines Vaters Therach.« (MBR XXXVIII, Ü: August Wünsche). Dass Abrahams Vorfahren Götzenanbeter waren, entnahm man Jos 24,2: »Josua sagte zum ganzen Volk: So spricht der Herr, der Gott Israels: Jenseits des Stroms wohnten eure Väter von Urzeiten an (Terach, der Vater Abrahams und der Vater Nahors) und dienten anderen Göttern.« (EÜ) Noch älter als MBR ist die aramäische Erzählung im Danielbuch, die das Motiv der Feuerprobe eindeutig aufnimmt (Dan 3 – die drei Jünglinge im Feuerofen). Pirke de Rabbi Eliezer kennt diese Tradition als die Zweite von den zehn Prüfungen Abrahams (PRE XXVI), der Koran kennt die gesamte Tradition, das Feuer wird in 37,95-96 zitiert. Augustinus ist diese Erzählung vom Feuer ebenfalls bekannt (De Civ XVI,15)
  5. So werden die Namen in der EÜ wiedergegeben: Nahor, Milka und Jiska.
  6. In diesem Sinn verwendet Hieronymus das für mich nicht herleitbare Wort δυώνυμον auch in seinem Jesaja Kommentar: »Jerusalem et Sion esse δυώνυμον saepe docui« – »dass Jerusalem und Sion ein Duonym sind, habe ich häufig gelehrt«. (Commentariorum in Isaiam Prophetam libri duodeviginti; Liber decimus quartus, Auslegung zu Jes 50,17)
  7. Diese Geschwisterehen mussten die antiken Ausleger als zwingend voraussetzen, um die Abstammung des Menschengeschlechtes aus einem Menschenpaar, nämlich Adam und Eva, erklären zu können. Bei den Rabbinen klingt das so: »Und sie fuhr fort zu gebären seinen Bruder Hebel (Gen 4,2): Das ist ein Beweis für die Ansicht des Rabbi Josua ben Karcha, nach welcher zwei ins Bett stiegen und sieben herauskamen. Sie fuhr fort zu gebären d.h. nämlich: das Gebären ging fort, aber nicht das Schwangerwerden« (MBR XXII,3 zu Gen 4,2; Ü: August Wünsche); also Adam und Eva zeugten neben Kain und Abel noch weitere Kinder – eben ihre namentlich nicht genannten Schwestern, mit denen sie ihrerseits – im Sinne des Hieronymus – Kinder zeugten.