Untersuchungen – Kapitel 2

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(Caput II – Vers. 2) »Et consummavit Deus in die sexto opera sua quae fecit.« Pro die sexto, in Hebraeo habet diem septimum. Arctabimus igitur Iudaeos, qui de otio sabbati gloriantur, quod iam tunc in principio sabbatum dissolutum sit, dum Deus operatur in sabbato, complens opera sua in eo, et benedicens ipsi diei: quia in illo universa compleverit.

(Gen 2,2) »Und es vollendete Gott am sechsten Tag seine Werke, die er gemacht hat«. Für »am sechsten Tag« steht im Hebräischen der siebte Tag1. Wir werden daher die Juden beschämen, die mit der Ruhe des Sabbats prahlen, weil schon damals – im Anfang – der Sabbat ausgelassen wurde2, insofern Gott am Sabbat wirkt, seine Werke an ihm vollendet und den Tag selbst segnet: denn an jenem [Tag] wollte er das Universum vollendet haben.

(Vers. 8) »Et plantavit Dominus Deus paradisum in Eden, contra orientem.« Pro paradiso, in Hebraeo hortum habet: id est, GAN (גן), Porro EDEN (עדן) deliciae interpretantur. Pro quo Symmachus transtulit, paradisum florentem. Necnon quod sequitur, contra orientem, in Hebraeo MECEDEM (מקדם) scribitur, quod Aquila posuit ἀπὸ ἀρχῆς: et nos, ab exordio, possumus dicere. Symmachus vero, ἐκ πρώτης, et Theodotion ἐκ πρώτοις, quod et ipsum non orientem, sed principium significat. Ex quo manifestissime comprobatur, quod priusquam coelum et terram Deus faceret, paradisum ante condiderat, sicut et legitur in Hebraeo: Plantaverat autem Dominus Deus paradisum in Eden, a principio.

(Gen 2,8) »Und Gott der Herr hat ein Paradies in Eden gepflanzt, gegen Osten.« Für Paradies steht im Hebräischen Garten, das bedeutet Gan. Weiters wird Eden als Lust ausgelegt. Symmachus hat dafür blühendes Paradies übersetzt. Und dazu wird das, was folgt, gegen Osten, im Hebräischen mikkædæm geschrieben, was Aquila als von alten Zeiten3 festgelegt hat. Und wir, wir können von Anfang an sagen. Tatsächlich [übersetzt] Symmachus von Anfang an und Theodotion zuerst, was an sich auch nicht Osten, sondern Anfang bedeutet. Daraus wird deutlich bewiesen4, dass ehe Gott Himmel und Erde machte, er vorher das Paradies erschaffen hatte, wie auch auf Hebräisch gelesen wird: es hatte aber Gott der Herr ein Paradies gepflanzt in Eden, von Anfang an.5

(Vers. 11) »Nomen uni Phison«. Hunc esse Indiae fluvium Gangen putant.

(Gen 2,11): »Der Namen des einen [Paradiesflusses ist] Phison«. Sie glauben, dass das der indische Fluss Ganges ist.

(Vers. 12) »Ubi [Al. ibi] est carbunculus et lapis prasinus«. Pro carbunculo et lapide prasinoβδέλλιον et ὄνυχα alii transtulerunt.

(Gen 2,12): »Wo [andere Handschriften: dort ist] Karfunkel und Grünstein [ist]«. Für Karfunkel und Grünstein haben andere6 Bdellium und Onyx übersetzt.

(Vers. 15) »Et sumpsit Dominus Deus hominem, et posuit eum in paradiso voluptatis«. Pro voluptate, in Hebraeo habet EDEN. Ipsi igitur nunc Septuaginta EDEN interpretati sunt voluptatem. Symmachus vero qui florentem paulo ante paradisum transtulerat, hic posuit ἐν τῷ παραδείσῳ τῆς ἀκτῆς, quod et ipsum amoenitatem et delicias sonat.

(Gen 2,15): »Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in das Lust-Paradies«. Für »Lust« steht im Hebräischen »Eden«. Selbst die Siebzig haben daher »Eden« als »Lust« ausgelegt. Symmachus allerdings, der ein wenig früher »blühendes Paradies« übersetzt hatte, setzte hier »in das Paradies der Küste«, was schon nach »anmutiger Lage« und »Lust« klingt.

(Vers. 17) »In quacumque autem die comederis ex eo, morte morieris«. Melius interpretatus est Symmachus dicens, mortalis eris.

(Gen 2,17): »Aber an welchem Tag auch immer du von ihm isst, wirst du des Todes sterben7«. Symmachus hat das besser ausgelegt, indem er sagt: »Wirst du sterblich werden8«.

(Vers. 21) »Et misit Dominus Deus ecstasim super Adam«. Pro ecstasi, id est, mentis excessu, in Hebraeo habetur THARDEMA (תרדמה), quod Aquila καταφορὰ, Symmachus κάρον, id est, gravem et profundum soporem interpretati sunt. Denique sequitur: Et dormivit. Idipsum verbum et in Ionae (I, 5) stertentis somno positum est.

(Gen 2,21): »Und Gott, der Herr sandte eine Ekstase über Adam«. Für Ekstase, das bedeutet das Hinausgehen aus dem Bewusstsein, steht im Hebräischen tarddema9, was Aquila als Niederfallen, Symmachus als Bewusstlosigkeit, das heisst einen schweren und tiefen Schlaf ausgelegt haben. Daraus folgt kurzum [diese Übersetzung]: Und er schlief. Gerade dieses Wort wird auch in Jona 1,5 für einen tiefen Schlaf (wörtlich: für den Schlaf eines Schnarchenden) verwendet10.

(Vers. 23): »Hoc nunc os ex ossibus meis, et caro de carne mea: haec vocabitur mulier, quoniam ex viro sumpta est«. Non videtur in Graeco et in Latino sonare, cur mulier appelletur, quia ex viro sumpta sit: sed etymologia in Hebraeo sermone servatur. Vir quippe vocatur IS (איש), et mulier ISSA (אישה). Recte igitur ab IS, appellata est mulier ISSA. Unde et Symmachus pulchre etymologiam etiam in Graeco voluit custodire, dicens: Haec vocabitur ὰνδρίς, ὅτι ἀπο ὰνδρός ἐλήφτη, quod nos Latine possumus dicere: »Haec vocabitur virago, quia ex viro sumpta est«. Porro Theodotio aliam etymologiam suspicatus est, dicens: »Haec vocabitur assumptio: quia ex viro sumpta est«. Potest quippe ISSA (אישה) secundum varietatem accentus et assumptio intelligi.

(Gen 2,23): »Das ist nun Gebein aus meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch: sie wird Frau genannt, weil sie ja aus dem Mann genommen worden ist.« Im griechischen und lateinischen Sprachklang ist nicht ersichtlich, warum sie Frau genannt werden sollte, nur weil sie aus dem Mann genommen ist: aber die Wortherleitung ist in der hebräischen Sprache enthalten. Denn der Mann wird Isch genannt, und die Frau Ischa. Daher wird die Frau zurecht von Isch her als Ischa bezeichnet. Und daher wollte Symmachus die Wortherleitung in schöner Weise auch im Griechischen erhalten, indem er sagt: diese wird andris genannt, weil sie vom andros genommen wird, was wir lateinisch so sagen können: »Diese wird virago [Männin] genannt, weil sie aus dem vir [Mann] genommen ist. Weiters hat Theodotion eine andere Wortherleitung vermutet, indem er sagt: »Diese wird Annahme genannt, weil sie aus dem Mann genommen ist«. Denn es kann Ischa gemäss einer anderen Vokalisierung auch als Annahme verstanden werden11.

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  1. »Das ist wieder eine von den Stellen, welche die LXX für den König Ptolemäus geändert haben. Sie übersetzten nämlich: „Gott vollendete am sechsten Tage und ruhte am siebten Tage“.« (Midrasch Bereschit Rabba Par. X,2,1)
  2. Dieses von Hieronymus angeführte Argument war wohl der eigentliche Grund für die Änderung des Wortlautes durch die LXX; nach bMegilla 9a ist war es Gott selbst, der diese Änderung in der griechischen Übersetzung herbeigeführt hat, um den Eindruck zu vermeiden, er habe am Sabbat gearbeitet. Raschi schreibt zu diesem Vers: »Rabbi Schimeon bemerkt: Ein Mensch von Fleisch und Blut kennt nicht genau seine Zeiten, seine Abschnitte und Augenblicke, darum muss er der Sabbat Heiligkeit vom Werktage etwas hinzufügen, Gott aber weiß die Augenblicke, Zeiten und Stunden genau, und bestimmt sie haarscharf, so dass es schien, als wäre die Schöpfung erst am siebten Tag vollendet. Nach Anderen: Was hat der Welt jetzt noch gefehlt? Die Ruhe, mit dem Sabbat kam die Ruhe und mit ihr war das Schöpfungswerk vollendet und fertig.« (Ü. Julius Dessauer) MBR diskutiert die gleiche Frage in Parascha XI: »Ein ander mal fragte der Tyrann Rufus den Rabbi Akiba: Wenn es sich wirklich so verhält, wie Du sagst, dass nämlich Gott den Sabbat ehrt, so dürfte auch kein Wind an demselben wehen, es dürfte an ihm nicht regnen und nichts wachsen? Rabbi Akiba antwortete: Möchte doch der Geist dieses Mannes ausfahren! Ich will dir ein Gleichnis sagen: Zwei Personen wohnen in einem Hof, wenn der eine nicht den Eruv legt, wohl aber der andere, so dürfen beide im Hof unbehindert umhergehen; allein, wenn einer nur im Hof wohnt, so schaltet er im Hof ganz allein. Ebenso verhält es sich mit Gott. Weil keine andere Macht mit ihm im Bund steht, die ganze Welt ihm gehört, so steht ihm auch die ganze Welt frei, und nicht das allein, die, welche das Manna aßen, können dafür Zeugnis ablegen. An allen Tagen fiel das Manna, nur am Sabbat nicht.« (Ü: August Wünsche) Die Diskussion um das Wirken Gottes am Sabbat spielt außerdem eine wichtige Rolle in Joh 5,17.
  3. מִקְּדֶם ist mehrdeutig und kann bedeuten: im Osten, aber auch von Alters her (Jes 45,21)
  4. Laut Migne wurde Hieronymus wegen dieser Formulierung der Vorwurf gemacht, er würde »jüdische Fabeln« verbreiten (siehe nächste Fußnote).
  5. Vgl. die Deutungung in 4 Esr 3,6: »Dann führtest Du (Gott) ihn (Adam) ins Paradies, das deine Rechte gepflanzt hatte, ehe die Erde ward.« Hieronymus hat übersetzt (Vulgata): »Es hatte aber Gott der Herr ein Lust-Paradies gepflanzt von Anfang an«. (Plantaverat autem Dominus Deus paradisum voluptatis a principio). MBR: »Du denkst vielleicht, מקדם bedeutet vor der Erschaffung der Welt? Nein, es bedeutet nur: vor der Erschaffung des ersten Menschen. Dieser wurde am sechsten Tage, dagegen der Garten Eden am dritten Tag erschaffen.« (XV, 2,8; Ü: August Wünsche)
  6. Aquila, Symmachus, Theodotion und Flavius Josephus (Jüdische Altertümer III,1,6 zu Num 11,7) übersetzen בְּדֹלַח mit Bdellium; שֹׁהַם wird laut Gesenius in den Alten Übersetzungen wahlweise als Onyx, Sardonyx. Beryll oder Chrysopras übersetzt und bezeichnete einen roten Edelstein.
  7. »morte morieris« ist eine fast wörtliche Übersetzung des hebräischen מוֺת תַמוּת; richtig ist »du wirst sicher sterben« zu übersetzen.
  8. Symmachus ist damit ein weiterer Zeuge der Auslegungstradition von Gen 2, die die Sterblichkeit des Menschen als Folge von Adams Ungehorsam deutete; vgl. Weish 2,23-24; Sir 25,24; Röm 5,12
  9. Dieser hebräische Ausdruck wird ebenfalls in Gen 15,6 und 1 Sam 26,12 verwendet und bedeutet: »tiefer Schlaf«
  10. Diese Ableitung des Ausdrucks תַּרְדֵּמָה von רדם ist korrekt.
  11. Nach Migne geht Hieronymus hier von der Verbwurzel נשׂא aus, die u.a. auch »nehmen« oder »aufnehmen« bedeuten kann.