Wohl lieferte ein Computer 1973 innerhalb von 132 Sekunden für zweieinhalb vergangene Jahrtausende jene Zeitpunkte der Neu- und Vollmonde, die Hermann der Lahme über Monate am Abacus hätte ausrechnen müssen und Leibniz gern seiner Rechenmaschine entnommen hätte. Wir heutigen Historiker profitieren davon, daß dieselben Langzeitserien astronomischer Chronologie die Raumfahrt modernster Raketen steuern. Hingegen ignorieren sogar antiquarische Geschichtsforscher einen Vorschlag von 1968, Computer für eine Synopse antiker und mittelalterlicher Zeitrechnungen zu verwenden, also Scaligers Arbeit zu erneuern. Historische Chronologie ist vielleicht noch bei Dichtern, nicht mehr bei Gelehrten gefragt.1
Nachdem ich hier und hier über die Probleme zur Datierung des Todesdatums Jesu geschrieben habe, will ich jetzt zu den möglichen
Zeitangaben kommen.
Zu den Daten
Nach den Synoptikern muss der Karfreitag auf den ersten Tag des
Pessachfestes, also auf den 15. Nisan gefallen sein. Werfen wir einen
Blick auf die möglichen Termine in der Zeit von 20 – 40 nach Christus2:
Donnerstag, 26. März 20: Pessach
Dienstag, 13. April 21: Pessach
Sonntag, 3. April 22: Pessach
Donnerstag, 23. März 23: Pessach
Donnerstag, 11. April 24: Pessach
Dienstag, 1. April 25: Pessach
Samstag, 21. März 26: Pessach
Donnerstag, 8. April 27: Pessach
Dienstag, 28. März 28: Pessach
Sonntag, 15. April 29: Pessach
Donnerstag, 4. April 30: Pessach
Dienstag, 25. März 31: Pessach
Dienstag, 13. April 32: Pessach
Samstag, 2. April 33: Pessach
Dienstag, 21. März 34: Pessach
Dienstag, 10. April 35: Pessach
Samstag, 29. März 36: Pessach
Donnerstag, 19. März 37: Pessach
Dienstag, 6. April 38: Pessach
Samstag, 26. März 39: Pessach
Samstag, 14. April 40: Pessach
Der ernüchternde Befund: Zwischen 20 und 40 nach Christus fällt Pessach nicht auf einen Freitag. Damit scheidet die synoptische Datierung aus. Die zeitliche Einordnung des vierten Evangeliums trifft dagegen im Jahr 33 zu: Hier fällt Pessach auf einen Samstag und damit der Rüsttag des Pessachfestes auf den (Kar)Freitag. Das trifft zwar auch auf die Jahre 26,36,39 und 40 zu, aber das scheint mir entweder zu früh oder zu spät zu sein. So bleibt wohl als Todesdatum Jesu: Freitag, der 1. April 33 vor Sonnenuntergang, das bedeutet vor 18.57 Uhr.
Uhrzeit des Sonnenuntergangs
Den Sonnenuntergang an diesem Tag habe ich ebenfalls im Emacs
errechnet:
C-u C-u M-x sunrise-sunset
Und zwar mit den Angaben 31° 46′ 19.0524“ north und 35° 13′ 1.2648“ east sowie einer Zeitdifferenz zu UTC von drei Stunden.
Zur gängigen Datumsangabe in der deutschsprachigen Exegese
Gerd Theißen/Annette Merz schrieben:
° In den Jahren 27 und 34 n.Chr. war der 15. Nisan ein Freitag, diese Jahre würden also die synoptische Chronologie erfüllen, mit geringer Wahrscheinlichkeit gilt das auch für das Jahr 31.
° Auf die johanneische Chronologie passen die Verhältnisse der Jahre 30 und 33, an denen der 14. Nisan, der Passarüsttag, ein Freitag war.
Ergebnis: Das Jahr 30 n.Chr. hat als Todesjahr Jesu die größte Wahrscheinlichkeit für sich, andere Jahre sind aber keinesfalls ausgeschlossen.3
Ich meine, oben gezeigt zu haben, dass diese Angaben nicht stimmen können, nur die Datierung im Jahr 33 trifft zu. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, aber nur mit nachvollziehbaren Berechnungsmethoden.
- Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas (Wagenbach 1991), S. 105↩︎
- Berechnet mittels Emacs Holidays. Zum Hintergrund siehe die Angaben in diesem Beitrag.
↩︎ - Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. 4. Auflage. Vandehoeck & Ruprecht 2001, S. 154↩︎
Warum ist das exakte Hinrichtungs- bzw. Todesdatum relevant?
Weil für mich alles am Leben Jesu relevant ist. Weil die allgemeine Zeitrechnung sich an den Lebensdaten dieses Mannes orientiert. Weil ein genaues Todesdatum für die Berechnung der Geburt relevant sein könnte (Lk 3,23). Weil die unterschiedliche Datierung zwischen den ersten drei und dem vierten der Evangelien auffällig ist.