Im Anfang
Mit den berühmten Worten »Im Anfang« setzt die biblische Erzählung ein und gibt Kunde davon, wie Gott in das Chaos des Uranfangs Ordnung und Struktur bringt. Dabei wird in deutlicher Analogie zum Hausbau vorgegangen: ein Dach wird errichtet, der Boden trockengelegt und das »Haus des Kosmos« eingerichtet und bevölkert. Zielpunkt ist dabei nicht der Mensch, sondern der Schabbat. Der Text lässt offen, in wie vielen Tagen das Werk vollendet wurde. Übrigens: schon Charles Darwin selbst hat befunden, dass die biblische Genesis und die Evolutionstheorie einander nicht widersprechen.
Literaturempfehlung: Norbert Lohfink – Die Gottesstatue. Kreatur und Kunst nach Genesis I. In: Im Schatten deiner Flügel. Große Bibeltexte neu erschlossen, S. 29-48
An dem Tag
Direkt im Anschluss an die erste Schöpfungserzählung erfolgt eine zweite, weitere. Hier wird die Welt an einem Tag geschaffen (Gen 2,4b), und das Schöpfungswerk beginnt mit Adam, der aus dem Erdboden (adama) gemacht wird, was wiederum irgendwie mit Blut und Leben zusammenhängt. Dann fällt auf Adam ein Tiefschlaf (oder eine Ekstase) – und als er wieder zu sich kommt, ist er nicht mehr alleine. Seine Frau Eva (der Namen bedeutet Leben) ist bei ihm. »Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und sie schämten sich nicht« (Gen 2,25; Zunz)
Die sprechende Schlange im Garten
Im Garten Eden ist eine bemerkenswerte Erzählung angesiedelt. Die spätere Auslegung spricht vom »Paradies«, einem »Apfel«, dem »Teufel«, dem »Sündenfall« und der »Erbsünde«, obwohl keines dieser Worte im hebräischen Text vorkommt. Dabei ist die Geschichte selbst schon seltsam genug: eine sprechende Schlange (die ursprünglich aufrecht gehen konnte? – s. Gen 3,14) und ein Baum der Erkenntnis von gut und böse. An ihrem Ende müssen der Mensch und seine Frau den Garten Eden verlassen. Warum aber wollte die seltsame Schlange dem Menschen schaden? Und: hatte die ganze Geschichte nicht auch ihre guten Seiten?
Der Brudermord
Der Mensch »erkannte« seine Frau (Gen 4,1) – die Bedeutung dieses Satzes und seines Kontextes wirft etliche Fragen auf. Die Beziehung ihrer erstgeborenen Söhne zueinander stand nicht zum besten und liess Kain zum Mörder im Anfang werden. Auslöser der Gewalttat waren Unstimmigkeiten beim Opfer, aber auch hier ist wieder vieles Projektion und wird vom Text nur angedeutet, was die Phantasie der Auslegenden anregte.
Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?
Wie ging es mit dem Menschen weiter? Nun, er vermehrte sich (wobei biologistische Interpreten ziemlich ins Grübeln kommen). Die Ausdifferenzierung der Menschen in unterschiedliche Berufe und Künste wird berichtet (Gen 4,20-22) und ein Mann tritt auf, der in gewisser Art ein himmlischer Autor wurde. (Auf dem dazugehörigen Bild von William Blake zeigt die schwebende Gestalt ganz rechts auf das berühmte ki lakach ōtō ælohim). Vielleicht begann damals auch schon der Götzendienst – und Adam starb. Über sein Grab machten sich viele so ihre Gedanken.
Können Engel Sex haben?
Eine der wirklich eigenartigsten Erzählungen findet sich dann in Gen 6: die Söhne Gottes finden Gefallen an den Töchtern des Menschen. Um wen es sich dabei handelt, bleibt nicht nur hier offen. Dass sie die Riesen zeugten, wird vom Text so nicht gesagt. Waren es Engel, die mit menschlichen Frauen verkehrten? Können Engel überhaupt Sex haben? Die Antwort lautet schlussendlich: Nein! Und das trotz einer Menge an Auslegern, die die Frage bejahten und einer verhängnisvollen Wirkungsgeschichte dieser irrigen Ansicht.
PS: Die Artikel dieses Blogs, die die Frage behandeln: »Können Engel Sex haben?«, gehören zu den am meist besuchten … Ich vermute, auf Grund eines theologischen Interesses.
Vor uns die Sinflut
Die vorherige Geschichte mit den Engeln und den Frauen führte zu einer Verkürzung der Lebenszeit des Menschen oder vielleicht doch nicht? Auf jeden Fall betritt jetzt ein neuer Held die Bühne der Erzählung: Noah, der Gerechte. Er baute nach Gottes Anweisung eine Arche, die er mit einer Menge Tiere und seiner Familie bestieg. Über die »Passagierliste« gab es allerdings heftige Diskussionen. Nach der großen Flut errichtete Noah einen Altar – oder baute ihn vielleicht auch nur wieder auf. In jedem Fall gehen auf ihn die noachidischen Gebote zurück, die für alle Menschen gelten, eine uralte Auslegungstradition, die bis ins neue Testament reicht. Doch sollte man mehr auf ihren Sinn als auf den Wortlaut achten.
Von Zelten und der Völkertafel
Am Ende der Noah-Erzählung erfahren wir von seinen Alkoholproblemen, die letztendlich zur Verfluchung seines Enkelsohnes Kanaan führen. In dem Zusammenhang fällt eine rätselhafte Aussage über Bewohner eines Zeltes, die ganz unterschiedlich gedeutet wurde.
Dann kommt die legendäre Völkertafel in Gen 10, die kaum jemand kennt, die es aber in sich hat, nicht nur weil hier ein gewisser Magog erwähnt wird. Ambrosius und die Rabbinen hielten den Mann für einen Goten, was wiederum Hieronymus nicht gefiel. Luther identifizierte ihn als Türken, und was amerikanische Politiker dazu zu sagen wussten, frage lieber nicht.
Auf jeden Fall wurde die Geschichte weiter ausgesponnen und führte Alexander den Großen in den Kaukasus – und diese Tradition schaffte es sogar bis in den Koran.
Dabei ging es eigentlich doch um die Vielfalt der Völker und Sprachen, wenn ich richtig zähle sind es Siebzig: kann das Zufall sein?
Danke für diesen Blog!