Die drei ersten Bücher der Tora nach der Genesis beginnen im Hebräischen alle mit dem Buchstaben Wav, wobei dieser Präfix die Bedeutung von ‚und‘ hat. Warum ist das wichtig – und warum sollte man diesen Buchstaben bei einer Übersetzung berücksichtigen?
Eine Antwort gibt Emanuel Hecht in seinem für mich heute noch hilfreichen Buch »Der Pentateuch grammatisch zergliedert. Nebst sprachlichen Erläuterungen von Raschi« (Braunschweig 1868):
Alle biblischen Bücher fangen mit dem Binde-ו an, da alle 5 Bücher ein Ganzes bilden. (S. 159)
Aber stimmt diese These auch? Das Deuteronomium beginnt zumindest in der massgeblichen Handschrift des Codex Leningradensis nicht mit einem Wav.
Allerdings prangt am Anfang der griechischen Übersetzung des Buches im Codex Alexandrinus ein grosses Καὶ – also ein ‚und‘, was man sogar in dieser niedrigen Auflösung der Handschrift mühelos erkennen kann.
Eckart Otto hat in seinem großen Kommentar zum Deuteronomium darauf aufmerksam gemacht, dass den griechischen Übersetzern wohl eine entsprechende hebräische Vorlage zur Verfügung stand. 1 Der Mehrheitstext der LXX kommt allerdings wie der Codex Leningradensis ohne das ‚und‘ am Anfang aus.
Wie auch immer: Es handelt sich in den Büchern Exodus bis Numeri auf jeden Fall um ein unscheinbares, aber nicht eben unbedeutendes Textsignal an den Leser und die Leserin. Werden die gängigen deutschen Übersetzungen diesem Hinweis gerecht? Ein kleiner Überblick zu wichtigen deutschen Übersetzungen zeigt folgendes Ergebnis:
Übersetzung | Ex | Lev | Num |
Luther 2017 | Nein | Ja | Ja |
REÜ | Nein | Nein | Nein |
BigS | Nein | Nein | Jein |
Elberfelder | Ja | Ja | Ja |
Zürcher | Ja | Ja | Ja |
Ich denke, dass die Übersetzungen, die es unmöglich machen, dieses kleine aber feine Detail nachzuvollziehen, einen Punkteabzug verdient haben.
Fußnote:
1 »LXXA und eine Ausgabe der syrischen Übersetzung, der Peschitta, die auf einer Handschrift des 17. Jahrhunderts basiert, lesen in Dtn 1,1 eine Kopula „und dies sind die Worte des Mose“ und verstärken die Intention des masoretischen Textes, Dtn 1,1 eng an den Abschluss des Numeribuches anzuschließen. Da auch einige hebräische Handschriften diese Lesart bezeugen, wird man annehmen können, dass auch der der LXXA bereits vorausliegende hebräische Text diese Lesart enthielt«. (Eckart Otto im ersten Band seines Dtn-Kommentars (HThKAT) S. 302)