Untersuchungen – Kapitel 8 und 9

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(Vers. 2.) «Et quievit aqua, et revelati sunt fontes abyssi, et cataractae coeli.» Pro revelatis fontibus, clausos et obturatos, omnes interpretes transtulerunt. Et pro eo quod sequitur: «cessavit aqua super terram», et reliqua, scriptum est, «et reversae sunt aquae de terra, euntes et redeuntes [Eccles. I, 7]». Nota secundum Ecclesiasten, quod omnes aquae atque torrentes, per occultas venas ad matricem abyssum [Al. abyssi.] revertantur.

(Gen 8,2) »Und das Wasser verstummte, und aufgedeckt wurden die Quellen der Urflut und die Wasserfälle des Himmels.« Für aufgedeckte Quellen haben alle Übersetzer verschlossen und verstopft übersetzt. 1 Und für das, was folgt: »Das Wasser ließ nach auf der Erde« und das übrige, steht geschrieben »und zurückgekehrt sind die Wasser der Erde, indem sie fließen und zurückfließen« (Koh 1,7) (Das ist) ein Vermerk des Kohelet, dass alle Wasser und auch Sturzbäche durch verborgene Wasseradern zur Quelle der Urflut [andere lesen Urfluten] zurückkehrten.

(Vers. 6.) «Post quadraginta dies aperuit Noe ostium arcae quod fecit, et emisit corvum, et egressus non rediit ad eum, donec siccarentur aquae de terra». Pro ostio, fenestra scripta est in Hebraeo. Et de corvo aliter dicitur: «Emisit corvum et egressus est, exiens et revertens donec siccarentur aquae de terra.»

(Gen 8,6): »Nach vierzig Tagen öffnete Noah die Tür der Kiste, die er gemacht hatte, und er ließ einen Raben aus und der flog hinaus, kehrte aber nicht zu ihm zurück, bis die Wasser der Erde getrocknet waren.« Für Tür steht im Hebräischen Fenster geschrieben. Und über den Raben wird etwas anderes gesagt: »Er schickte den Raben aus und der flog hinaus und flog hin und her, solange bis die Wasser der Erde getrocknet waren.«

Kapitel 9

(Vers. 18.) «Et erant filii Noe, qui egressi sunt de arca, Sem, Cham, et Iapheth». Frequenter Septuaginta Interpretes non valentes HETH (ח) litteram, quae duplicem aspirationem sonat, in Graecum sermonem vertere, chi (χ) Graecam litteram addiderunt: ut nos docerent in istiusmodi vocabulis aspirare debere: unde et in praesenti loco, Cham transtulerunt, pro eo quod est HAM, a quo et Aegyptus usque hodie Aegyptiorum lingua HAM dicitur.

(Gen 9,18) »Und die Söhne Noes, die aus der Arche herauskamen, waren Sem, Cham und Japheth.« Häufig fügen die Siebzig Übersetzer, die den Buchstaben Chet, der eine doppelte Aspiration anklingen lässt, nicht in die griechische Sprache übersetzen konnten, den griechischen Buchstaben Chi an: um uns zu belehren, dass wir bei derartigen Worten anhauchen müssen. Daher haben sie an der vorliegenden Stelle Cham übersetzt, für das, was Ham heißt, nachdem auch bis heute in der Sprache der Ägypter Ham »Ägypter« genannt wird.

(Vers. 27) «Dilatet Deus Iapheth, et habitet in tabernaculis Sem». De Sem, Hebraei; de Iapheth, populus gentium nascitur. Quia igitur lata est multitudo credentium, a latitudine, quae IAPHETH (יפט) dicitur, latitudo nomen accepit. Quod autem ait: «Et habitet in tabernaculis Sem», de nobis prophetatur, qui in eruditione et scientia Scripturarum, eiecto Israele, versamur.

(Gen 9,27) »Ausbreiten möge Gott Jafet, und er soll in Sems Zelten wohnen. Von Sem stammen die Hebräer, von Jafet die Völker der Heiden ab. Weil also die Menge der Gläubigen von der weiten Ausbreitung kommt, die Jafet genannt wird, 2 erhielt er den Namen Ausbreitung. Was er noch sagt: »Und er soll in Sems Zelten wohnen« – das wird über uns [die Christen] prophezeit, die wir uns nach der Vertreibung Israels mit Lernen und Kenntnis der Schriften 3 beschäftigen.«

(Vers 29.) «Et facti sunt omnes dies Noe nongenti quinquaginta anni.» Ecce post diluvium trecentis quinquaginta annis vixit Noe. Ex quo perspicuum est, centum viginti annos generationi illi, ut supra diximus, ad poenitentiam datos, et non vitae mortalium constitutos.

(Gen 9,29) »Und alle Tage Noahs ergaben 950 Jahre«. Seht, Noe lebte nach der Sinflut 350 Jahre. Daraus wird deutlich, dass jener Generation, wie wir oben gesagt haben, 120 Jahre zur Busse gegeben, und nicht als (Spanne) des Lebens für die Sterblichen festgesetzt wurden.

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  1. Nach der Vetus Latina Ausgabe des Benediktiners Pierre Sabatier (1682-1742) lässt sich diese Lesart des Hieronymus durch eine Verwechslung der griechischen Verbformen ἐπεκαλύφθησαν (=sie wurden verborgen) und ἀπεκαλύφθησαν (=sie wurden enthüllt) erklären.
  2. im Hebräischen steht ein Wortspiel: jafǝtt ælohim lǝjæfæt – weit soll machen Gott den Jafet
  3. Diese antijudaistische Aussage des Hieronymus setzt wiederum eine jüdische Auslegungstradition voraus (!). Denn was hat das Wohnen in Zelten mit dem Lernen und der Kenntnis der Schriften zu tun? Die Antwort liegt in Gen 25,27: »Und die Knaben wuchsen, und es ward Esav ein jagdkundiger Mann, ein Mann des Feldes, aber Jaakob ein schlichter Mann, wohnend in Zelten.« (Ü: Zunz) Die antiken Ausleger beschäftige die Frage, warum Jakob in Zelten wohnte, und nicht einfach nur in einem Zelt. Ihre Antwort: in einem Zelt wohnte er, in dem anderen war ein Lehrhaus, in dem er lernte. Diese Deutung ist sehr alt und das erste Mal im Jubiläenbuch (Anfang – Mitte des 2. Jh. BCE) bezeugt: »Jakob aber war vollkommen und rechtschaffen und Esau war ein rauher, wilder und haariger Mann; und Jakob wohnte in Zelten. Und die Jünglinge wuchsen heran, und Jakob lernte die Schrift, Esau aber lernte sie nicht.« (Jub 19, 13-14; Ü: Enno Littmann). MBR: »Jacob war ein frommer Mann, ein Zeltbewohner d.i. er wohnte im Lehrhause Schems und Ebers«(Ü: August Wünsche). Ähnlich äußern sich das Targum Onkelos und das Targum Neophyti zur Stelle