»Und Jesus sprach zu seinen Jüngern«

Eigentlich ist »Jünger« für zeitgenössische Ohren ein seltsames Wort – und es drückt heute auch nicht mehr unbedingt selbsterklärend aus, was im Neuen Testament damit gemeint ist.

Im deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm kann man nachlesen, dass der Komparativ von »jung« seit dem 8. Jh. in der kirchlichen Sprache verwendet wird, man übersetzte damit das lateinische discipulus. So gibt die Vulgata das neutestamentliche griechische Wort mathētḗs wieder.

Discipulus leitet sich von discipio her, das bedeutet »geistig auffassen«. Das ursprüngliche griechische Wort kommt von mathēteúō – »Schüler sein«. Der Schüler lernt von seinem Lehrer (gr. didáskalos). Entsprechend heißt es im Neuen Testament: »Ein Schüler ist nicht über dem Lehrer« (Mt 10,24).

Im Alten Testament gibt es entsprechende Ausdrücke nicht, was die EÜ mit »Jünger« übersetzt, hat im Hebräischen eine andere Bedeutung. Die »Prophetenjünger« in 1 Kön 20,35 sind in Wahrheit »Söhne der Propheten«, und der Gottesknecht in Jes 50,4 hat nicht die »Zunge eines Jüngers« empfangen, sondern eine »geübte Zunge«. Das hebräische Äquivalent zu Lehrer und Schüler ist rabbi und talmid. Beides tritt aber erst zur Zeit des zweiten Tempels auf.

Entsprechend sagt Jesus bei Matthäus: »Ihr aber sollt euch nicht „Rabbi“ nennen lassen, denn einer allein ist euer Lehrer (didáskalos), ihr aber seid Brüder.« (Mt 23,8. Hier hat EÜ den Rabbi unterschlagen).

Langer Rede kurzer Sinn: Mir scheint, dass die Übersetzung »Jünger« ihre besten Zeiten hinter sich hat – »Schüler/Schülerin« ist heute wohl die bessere Wahl.

Noch einmal zu »Ich aber sage euch«

In der aktuellen, wie immer lesenswerten Ausgabe von Bibel heute, erzählt Walter Kirchschläger, emeritierter Professor für Neues Testament an der Universität Luzern, von der Überarbeitung der Einheitsübersetzung, an der er beteiligt ist.

Dabei spricht er auch von den angeblichen Antithesen der Bergpredigt. Und obwohl er bibelwissenschaftlich festhält, dass sie sachlich falsch sind, äußert er die Ansicht, dass das problematische »ich aber sage euch« nicht geändert werden könne, da es nun mal einer »üblichen Vorstellung« entsprechen würde.

Das lässt mich für diese Revision nichts wirklich Gutes erwarten.

»Ubi Petrus, ibi ecclesia«

Das ist ein Zitat des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand († 397). Es bedeutet übersetzt: »wo Petrus ist, dort ist die Kirche«. In innerkatholischen und interkonfessionellen Auseinandersetzungen wird es gerne im Sinn von »nur wo der Papst ist, da ist die Kirche« verwendet und auf das hohe Alter dieser Aussage verwiesen. Aber: Hat Ambrosius in seinem Zitat überhaupt vom Papst gesprochen? „»Ubi Petrus, ibi ecclesia«“ weiterlesen

»Heilig, heilig, heilig«

Nachlese zu Jes 6,1-8, der ersten Lesung vom heutigen Sonntag. Sie enthält das berühmte trishagion, das drei mal heilig, dass die Serafim einander zurufen. Ich lasse hier Hieronymus zu Wort kommen, er legt die Vision des Jesaja in einem Brief an Papst Damasus aus, den er 381 von Konstantinopel aus geschrieben hat. „»Heilig, heilig, heilig«“ weiterlesen

Wann beginnt menschliches Leben? II

Nochmals zu der Frage, die ich bereits hier behandelt habe. Ich möchte dabei wieder auf Thomas zurückkommen. In seinem Sentenzenkommentar vertritt der Aquinate die Meinung, dass der menschliche Fötus erst nach 40 Tagen Schwangerschaft eine Vernunftseele empfange, falls es sich um ein männliches Kind handelt (!). Bei einem weiblichen Säugling geht er von einer Frist von bis zu 90 Tagen aus. (Super Sent., lib. 3 d. 3 q. 5 a. 2 co.„Wann beginnt menschliches Leben? II“ weiterlesen

Als JHWH Mose töten wollte (Ex 4,21-24) IV

Was sagen eigentlich neuzeitliche Ausleger zu dieser Stelle der Tora? Ich will hier zwei zu Wort kommen lassen, die sich von ganz anders gearteten Zugängen her dem Text genähert haben. „Als JHWH Mose töten wollte (Ex 4,21-24) IV“ weiterlesen

Weibliche Diakone in der altkirchlichen Tradition

Plinius der Jüngere († um 115 n. Chr.) hat in einem Brief, den er 111 als Statthalter von Bithynien und Pontus an den römischen Kaiser Trajan schrieb, das von ihm durchgeführte brutale Verhör von zwei Christinnen geschildert. „Weibliche Diakone in der altkirchlichen Tradition“ weiterlesen

Als JHWH Mose töten wollte (Ex 4,21-26) II

Im zweiten Beitrag zu dem Text möchte ich zunächst einmal die klassische rabbinische Auslegung darstellen, die sich auf ihre spezielle Art dieser Herausforderung angenommen hat. „Als JHWH Mose töten wollte (Ex 4,21-26) II“ weiterlesen