»Eli, Eli, lema sabachthani«

Ich bin gefragt worden, ob dieser Satz in der Einheitsübersetzung eigentlich richtig übersetzt sei? Müsse er nicht richtig »Eli, Eli, lāmā azav’tāni« heißen? Und verändere sich dadurch nicht die Bedeutung in »Mein Gott, mein Gott, warum habe ich dich verlassen?« Die Antwortet lautet: Nein. Zur Begründung muss ich etwas ausholen.

Ein Zitat aus Ps 22,2

In der Markus- und der Matthäuspassion betet Jesus den Beginn von Psalm 22. Der lautet in hebräischer Sprache:

אֵלִי אֵלִי לָמָה עֲזַבְתָּנִי

In einer vereinfachten deutschen Umschrift: Eli, Eli, lāmā azav’tāni. Das Verb עזב (āzav) steht hier im Kal Perfekt der zweiten Person Singular mit einem Personalsuffix der ersten Person Singular: du hast mich verlassen.

Markus

Im griechisch geschriebenen Markus-Evangelium bringt der Evangelist in 15,34 folgende Transkription in griechischer Schrift:
ελωι ελωι λεμα σαβαχθανι.
In deutscher Umschrift: Elōi, Elōi, lema sabachthani. Und Markus selbst übersetzt diesen, seinen Lesern unverständlichen, Satz ins Griechische:
ὅ ἐστιν μεθερμηνευόμενον· ὁ θεός μου, ὁ θεός μου, εἰς τί ἐγκατέλιπές με.
Zu deutsch: das ist übersetzt: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. 1

Wieso klingt der Satz bei Markus zwar ähnlich, aber anders? Die Antwort ist: Markus lässt Jesus den Anfang von Psalm 22 in aramäischer Sprache beten. Das dem hebräischen Verb עזב (āzav) entsprechende aramäische Wort lautet שׁבק (schəbaq). 2 Gustaf Dalman gibt die aramäische Fassung des Wortes so wieder: elāhī, elāhī, lemā schebaḳtáni. 3 Wer ein wenig mit der hebräischen/aramäischen Schreibart vertraut ist, sieht sofort die Nähe zu der Fassung des Markus.

Matthäus

Der ebenfalls griechisch schreibende Evangelist Matthäus ändert seine Markus-Vorlage etwas ab. Er hat in 27,46:
ηλι ηλι λεμα σαβαχθανι; τοῦτ᾽ ἔστιν· θεέ μου θεέ μου, ἱνατί με ἐγκατέλιπες;
Auf Deutsch: Eli Eli lema sabachthani? Das ist: Mein Gott, mein Gott, weshalb hast du mich verlassen? 4

Auffällig ist, dass Matthäus aus dem aramäischen Elōi ein hebräisches Eli macht. Ein Blick in die Targum-Konkordanz zeigt aber, dass das nicht ungewöhnlich war. 5

Fazit

Die Einheitsübersetzung hat hier richtig übertragen, es gibt keine Bedeutungsänderung, die Unterschiede beruhen darauf, dass das hebräische Psalmwort bei Markus und Lukas aramäisch in griechischer Umschrift überliefert wurde.

Show 5 footnotes

  1. Markus verwendet eine sehr wörtliche Übersetzung: er schreibt eigentlich zu was hast du mich verlassen? Lema bedeutet wörtlich übersetzt genau das, hat aber die Bedeutung von warum.
  2. Siehe Jastrow, S. 1516
  3. Siehe Gustaf Dalman: Jesus-Jeschua. Die drei Sprachen Jesu. Leipzig 1922, S. 185
  4. Matthäus löst die Übersetzung des lema deutlich eleganter als Markus: ἱνατί ist die Kurzform von ἵνα τί γένηταιdamit was geschehe?
  5. Siehe die Konkordanz zum Targum Onkelos von Emil Brederek, Beihefte zur ZAW IX, S. 3.

26 Gedanken zu „»Eli, Eli, lema sabachthani«“

  1. Ganz interessant ist vielleicht auch, dass die Lesarten von Mk 15,34 sehr unterschiedlich sind und man vielleicht nicht mit Sicherheit sagen kann, was nun genau das Original war. Ich hatte mir mal folgende Übersicht gemacht.

    Codex Sinaiticus ελωι ελωι (eloi) λεμα (lema) σαβακτανει (sabak – tani)
    Korrektor Sinaiticus ελωι ελωι (eloi) λεμα (lema) σαβαχθανει (sabach – thani)
    Codex Vaticanus ελωι ελωι (eloi) λαμα (lama) ζαβαφθανει (zabap – thani)
    Codex Alexandrinus ελωι ελωι (eloi) λιμα (lima) σιβακθανει (sibak – thani)
    Codex Bezae ηλει ηλει (eli) λαμα (lama) ζαφθανει (zap – thani)
    C. Ephraemi Rescriptus ελωι ελωι (eloi) λεμα (lema) σαβαχθανει (sabach – thani)

    Lieben Gruß

  2. Danke für die Ergänzung! Ich denke, dass die Kopisten so ihre liebe Mühe mit dem Aramäischen hatten. Für »normale« Lesende verkompliziert sich die Lage noch dadurch, dass etwa Luther 1984 die hebräische Umschrift bringt.

  3. Vielen Dank für die schöne Zusammenstellung!
    Neben dem aramäischen Zeitwort schabaq (Schin Beth Qoph) gibt es das hebräische Zeitwort schabach (Schin Beth Chet), das – nach Gesenius – ein Aramaismus ist, mit der Bedeutung preisen oder verherrlichen. Wäre die Übersetzung „Mein Gott, mein Gott, so also (oder: zu dem) hast Du mich verherrlicht?“ demnach ebenfalls zu vertreten?

    1. Meine Antwort ist ganz klar: Nein.
      Markus konnte offensichtlich gut genug aramäisch, um hier keinen Fehler zu machen.
      Und: was hätte ein ähnlich klingendes hebräisches Wort mit völlig andere Bedeutung seinen Griechischsprachigen Lesenden sagen sollen?
      Nachtrag: Um Ihr Beispiel ins Deutsche zu übertragen – das wäre ungefähr so, wie wenn ich das Verb backen mit dem Verb packen übersetzen würde. Klingt total ähnlich, hat aber trotzdem eine völlig andere Bedeutung.

    2. Die Apostel waren analfabeten.
      Nur die sogenannten Adligen und Schriftgelehrten haben geschrieben.
      Wer hat die Erzählungen der Jesu Nachfolger geschrieben ??

      1. Die Frage ist schwer zu beantworten. Paulus bediente sich eines Schreibers (s. Röm 16,22), was aber nicht bedeuten muss, dass er Analphabet war. Die Zuschreibung der Evangelien an ihre Verfasser („Nach Markus“, „nach Matthäus“ usw.) ist ausweislich der ältesten Handschriften sekundär und stand so ursprünglich nicht im Text. Der Verfasser des Lukas Evangeliums beschreibt sich selbst als ein Mitglied der zweiten oder dritten Generation – aber dezidiert nicht als Augenzeugen (Lk 1,1-4).

  4. Danke Ihnen für Ihre Auslegung werter Oliver. Dennoch meine wichtige Nachfrage :
    Ist der Sinn hier behandelter Worte JESU : Mein Gott warum hast du mich verlassen ? in den Evangelien so wirklich erkennbar, oder kann man den griechichen Worten auch eine andere Bedeutung bemessen ? – wie z.B. Für diesen Zweck hat Du mich bereitet oder …. ( Von manchen so ausgelegt. )

    Alfred

    1. Sehr geehrter Herr Schmitz,
      das von Markus verwendete Verb ist ἐγκαταλείπω und bedeutet zurücklassen, verlassen, im Stich lassen. Ein Blick ins Griechich-Wörterbuch zeigt, dass die Übersetzung zu etwas bereiten einfach frei erfunden ist. Nennen Sie mir einen antiken griechischen Text, in dem das Verb diese Bedeutung haben soll.
      Da Markus an das aramäische Zitat auf Griechisch anschließt: Das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen (Mk 15,34), ist dieser Sinn nicht nur erkennbar, sondern glasklar ausgedrückt. Wenn man – ohne sprachliche Argumente zu haben – dem aramäischen Worten einen anderen Sinn unterschiebt, unterstellt man Markus nicht nur, falsch übersetzt zu haben, sondern auch noch dem sterbenden Jesus eine Lüge auf die Lippen zu legen. Ein interessantes Schriftverständnis.

      1. Es ist ja auch so, dass der Sinn des Satzes nicht nur durch die Übersetzung gefestigt wird, sondern dass es sich offensichtlich um ein Zitat des Beginns von Psalm 22 handelt, der auch immer so übersetzt wird, wie Markus es tut.

  5. Eine weitere Übersetzungsfrage habe ich: lema oder lama oder weitere Varianten sind lokal bedingt. Aber sie bedeuten „warum“. Nun steht in der griechischen Ausgabe und folglich auch in der lateinischen nicht warum sondern wozu, worauf hin(eis ti und ina ti), Das ist final. Und das Verb ist gr. : egkatelipeis, dazu im Aorist. Das bedeutet, dass Jesus gerufen hat: Gott, Gott, wozu liessest du mich darin im Stich. Gemeint ist wohl die Erfüllung der Schrift. Das Zitat aus Ps. 22 ist vorwurfsvoll. Das ändert für mich entscheidend das Christusbild. Er ist erbost, dass er den Auftrag des Eli nicht erfüllen kann. Die Wendung zum Leidens- und Schmerzensmann ist nur eine Seite, für spätere Gläubige ab Paulus die tragfähigere, weil emotionalere. Mit der Kreuzigung und Auferstehung ist das erste Problem besteitigt.
    Außerdem sind spätere Generationen von der Schuldübernahme eher betroffen.
    Weiß jemand eine Lösung? Ich wäre dankbar.

    1. Danke für die präzise grammatikalische Beobachtung. Von Hildegard Scherer habe ich gelernt, dass die Formulierung eis ti – wozu hast Du mich verlassen – für die Deutung der Szene ertragreich ist: durch diese Frage bleibt der Ausgang offen – und Gott lässt sich vielleicht doch noch zum Eingreifen bewegen (was ER nach christlicher Überzeugung ja auch getan hat).

    2. Es bedeutet, mein Gott, mein Gott, dafür hast du mich auserwählt. Dafür hast du mich am Leben gelassen, um den Menschen das größte Heil, den größten Segen zu bringen, indem ich mich hingebe, um die Welt und die Wirklichkeit der Menschen neu zu erhellen, um ihr Bewusstsein neu werden zu lassen, weil ich mich ihnen ganz hingebe, damit sie auch zum Vater kommen, so wie ich, denn ich bin die Auferstehung, ich bin die Wahrheit und ich bin das Leben, dass euch so neu geschenkt wird, durch meine Auferstehung, meine Wahrheit und mein Leben, dass sich euch neu durch meinen Geist eröffnet.

    3. das warum ist als ein wozu zu verstehen.
      im warum steckt die frage nach dem wozu drin
      sollte Jesus nicht gewußt haben warum und wozu
      sein lauter Ausruf ist das Erleben, das Verlassensein, der Schmerz
      es geht doch nicht um die wortwahl oder übersetzungsvarianten
      und wenn dieser Ruf im AT steht und im NT zu hören ist
      dann beweist das doch den sachverhalt
      der der nicht zu sterben brauchte weil er ein gerechter
      der muß sterben
      er hat seinen auftrag erfüllt
      er starb um uns zu retten
      er ist uns zum heil geworden
      weil es geschrieben steht
      Jes. 12,2
      Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin voller Vertrauen und fürchte mich nicht. Denn
      Jah, der HERR, ist meine Stärke und mein Loblied, und er ist mir zum Heil ge-
      worden.
      zur Quelle des heils
      aber es hat ihn was gekostet
      das steckt in diesem ruf drin
      es hat weh getan
      und seine wunden sieht man noch im himmel
      ein lamm wie geschlachtet
      Und ich sah … ein Lamm stehen, wie geschlachtet
      hier sieht man das warum und wozu

  6. Die griechische Übersetzung von lama oder lema (warum) mit εις τι
    (wo zu) ist unrichtig. Markus 15, 34 überliefert eindeutig „Eloi, lama sabachthani“ und Matth. 27, 46 folgt ihm mit „Eli, lema sabachtani“.
    Das heißt eindeutig „Gott, warum hast du mich verlassen.“ Es ist der Beginn des Psalms 22, den jeder Jude vor seinem Tod rezitiert (wenn ihm Zeit dafür bleibt). Es ist mir daher unverständlich, dass gemäß beiden Evangelisten Umstehende den unsinnigen Kommentar abga-ben: „Er ruft Elias“. Es waren doch Juden, die neben den römischen Soldaten dort standen, welch letztere Jesu Ausruf nicht verstanden hätten. Sie aber verstanden (noch) Hebräisch und Aramäisch, und kannten die jüdische Sitte, es sei denn, sie wollten Jesu Ausruf ironi-
    sieren. Für spätere Zeiten, in denen viele Judenchristen nicht mehr Hebräisch verstanden, mußte eine Übersetzung ins Griechische (LXX,
    die sog. Septuaginta, an der 70 Gelehrte gearbeitet hätten) angefertigt werden.

    1. Mit Ihrer Antwort habe ich aus mehreren Gründen Schwierigkeiten:
      + Jeder Jude zitiert Ps 22 vor seinem Tod? Ich kenne nicht eine jüdische Quelle, die das belegt.
      + Elija wird hier genannt, weil er immer zu den entscheidenden Ereignissen des Mk-Evangeliums erscheint: Das ist die Theologie des Evangelisten.
      + Die Septuaginta ist Jahrhunderte älter als das Christentum

  7. Danke für den exzellenten Kommentar!
    Ich bin zwar theologisch ein Laie. Aber eines ist mit bei dem Ausspruch unklar:
    Jünger und Anhänger von Jesus blieben der Hinrichtung fern. Nur einige Frauen sollen sie aus der Ferne beobachtet haben. Wer also soll Jesus letzte Worte gehört haben?

    1. Diese Frage ist meines Erachtens nicht beantwortbar. Wir können nicht gleichsam hinter die Texte der Evangelien gelangen und damit mehr wissen, als ihre Verfasser. Die geben die letzten Worte Jesu vielstimmig wieder, Markus und Matthäus anders als jeweils Lukas und Johannes. Die alte Kirche machte daraus die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz. Mehr kann ich nicht anbieten ….

  8. Prima Artikel!
    Ich habe sehr über die Unterschied zwischen „eloi“ und „eli“ gegrübelt. Also offenbar nur Dialektunterschiede wie zwischen „Talitha qum“ und „Talitha qumi“.
    Vielen Dank!
    Chris

  9. jesus selber sagte- mein vater lässt mich niemals allein- joh 8.29

    29 Und er, der mich gesandt hat, steht mir bei und lässt mich nicht allein. Denn ich tue immer, was ihm gefällt.“

    diese aussage würde der aussage widersprechen…- mein gott, warum hast du mich verlassen? –

    meine frage an dich ist nun- tat jesus- als er am kreuz hing und starb den willen gottes? …- wenn ja, dann trifft zu, was joh 8.29 sagt-

    wenn nein, dann war jesus verlassen von seinem vater..-

    also ich erkenne durch die bibel- jesus war gehorsam bis zum tode am kreuz und daher hat der vater ihn nicht verlassen oder allein gelassen

    Ist der Sinn hier behandelter Worte JESU 1 frage : Mein Gott, warum hast du mich verlassen ? in den Evangelien so erkennbar, oder kann man den griechichen Worten auch eine andere Bedeutung bemessen ? – jesus hat keine frage gestellt, weil er ja nicht ahnungslos war oder unwissend- er sagte vielmehr- Für diesen Zweck hast Du mich bereitet oder darum bin ich hier – sterbend, am kreuz hängend

    wenn ich jesu vater wäre, würde ich in dieser schweren stund ebei meinem sohn sein und mit ihm sein und auf keinen fall verlassen – jesus wollte mit seinem tod die sündenschuld der ganzen welt tilgen- dazu bekam er die volle unterstützung seines vatrs.- die göttliche agaape liebe würde sich sonst widersprechen

    gottes liebe zu seinem sohn hat nix mit verlassen zu tun, sondern mit hähe und anteilnahme und hilfe in der not

    Jesus sagte : Mein Gott, deshalb bin ich in dieser Lage…….

    ja, der vater hasst die sünde- aber nicht den sünder…- jesus trug alle sünden der welt , aber er war dadurch kein sünder- ein reiner trug die sünden- ein unschuldiger starb- ein unschuldiger übernahm meine rechnung – damit wurde jesus in keiner weise selber schuldig -die bibel lehrt immer wider und wieder- es war keine sünde in ihm …- also er trug meine schuld, aber sie war dann nicht in ihm – es blieb meine schuld und wurde nicht zu seiner schuld

    am kreuz starb ein reiner mensch- jesus christus, der aber von aussen gesehen für alle beobachter wie ein verbrecher aussah, wie ein sünder, wie ein totaler abschaum, wie der letzte dreck, schlimmer als ein reudiger strassenköter voller geschwüre – er hing zwischen 2 mördern als der grösste verbrecher – wie ein verlierer, wie ein betrüger, wie ein gotteslästerer wie ein maximal schlimmer verbrecher, der keine gnade verdient hat- so sahen ihn seine feinde – aber so sah ihn nicht sein vater, der ja auch anwesend war

    der vater sah seinen geliebten sohn, sein reines herz, sein sündloses wesen, seine true seine liebe seinen gehorsam – nur das sah der vater und wieso sollte sein vater ihn verlassen und so denken und handeln wie jesu feinde?

    1. Danke für Ihren spannenden Hinweis auf Joh 8,29, der ja wohl belegt, dass sich der Verfasser des vierten Evangeliums gegen die Deutung wendet, Jesus sei in der Stunde seines Todes von Gott allein gelassen worden. Das wiederum setzt voraus, dass die Aussage in Mk 15,34 „Wozu hast Du mich im Stich gelassen?“ (gr. enkataleípō) ein solches Verständnis hervorrufen kann. „Deshalb bin ich in dieser Lage“ oder „für diesen Zweck hast Du mich bereitet“ steht einfach nicht im Text. Jesus zitiert in der Markus- und Matthäus-Passion Ps 22,2 in griechischer Sprache. Davon hat jede Deutung auszugehen.

  10. Die von Markus und Matthäus in griechischer Lautumschrift gleichlautend überlieferte semitische Verbalform „sabachtani“ kann m.E. sowohl von den Lauten her wie auch vom Sinn her am besten der hebräischen Verbalwurzel „sabach“ (Sain – Bet – Chet) zugeordnet werden. Das hebräische Wort SABACH bedeutet „schlachten“ und „opfern“ (vgl. Wörterbücher der Hebräischen Sprache, z.B. Gesenius, Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch ). Jesus hat, wenn er den Satz auf hebräisch gesprochen hat, damit also gesagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich geopfert?“ Es handelt sich damit nicht um ein wörtliches Zitat von Psalm 22, sondern um ein von Jesus genau an seine Situation angepasstes Wort.
    Jesus hat immer betont, dass er alles was er sagt, so sagt, wie es ihm der Vater aufgetragen hat, um der Menschen willen. Sein Ziel ist es allein, in allem den Auftrag des Vaters zu erfüllen, nämlich die Menschheit zur Umkehr zu rufen und vom Bösen durch sein Opfer zu befreien.
    Die Frage „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich geopfert“ spricht er stellvertretend für die Menschen, die am Kreuz stehen und sich genau diese Frage stellen sollten. Denn Jesus wurde geopfert, wegen der Sünde der Menschen.

    1. Ihre These überzeugt mich aus mehreren Gründen nicht:
      Jesus habe in einem aramäischen Satz ein hebräisches Verb verwendet?
      Und das hätten dann schon Markus und Matthäus nicht mehr verstanden und daher falsch übersetzt?
      Und das habe Jesus dann auch nicht selbst gesprochen, sondern für andere?
      Nein, das passt meiner Meinung nach hinten und vorne nicht zusammen.

  11. Bin beim Recherchieren auf Ihren Diskurs gestoßen. Das Thema beschäftigt mich seit letzter Zeit sehr intensiv, weil ich mich mit Aramäisch beschäftigt habe- und die Glaubensbeziehung zum HERRN Jesus mich antreibt, IHN und das mit Seiner Passion besser zu verstehen. Nach der Beschäftigung damit ergibt sich für mich folgendes Bild: In JESU Passion findet der Psalm 22 seine Erfüllung. Vielleicht hat ER diesen am Kreuz auch gebetet. Allerdings handhaben sowohl Matthäus als auch Markus den Ruf JESU nicht als Psalmzitat, denn sie schreiben ihn in JESU Muttersprache und der übliche Hinweis: „damit erfüllt würde… weil geschrieben steht“ fehlt in beiden Evangelien. Damit drücken sie auf erschütterliche Weise Seine Not am Kreuz aus. Die Deutung dafür findet sich im Hebräer-Brief (Kapitel 4 und 5), ein wichtiger Text für die Seelsorge. Das „Eli, Eli“ ist Aramäisch im galiläischen Dialekt, das „Elohi, Elohi“ im Jerusalemer Dialekt (habe ich in einem Kommentar zur aramäischen Peschitta gut erklärt gefunden). Die Jerusalemer haben unseren HERRN möglicherweise im Dialekt missverstanden und den Ruf auf den Propheten Elia bezogen. Die Dialektunterschiede erklären sich aus der unterschiedlichen Wiederbesiedlungsgeschichte Galiläas und Judäas nach der assyrischen und babylonischen Eroberung. Es ist richtig: JESUS wurde vom Himmlischen Vater am Kreuz nicht verlassen, wie ER es den Jüngern vor der Passion erklärte (Johannesevangelium). ER hat sich dann aber von IHM verlassen gefühlt, denn ER stand nicht nur in einem politischen und religiösen Konflikt, sondern auch in Auseinandersetzung mit den finsteren Kräften der unsichtbaren Welt und hatte der satanischen Versuchung standzuhalten, die IHN aus dem Mund der Umstehenden dazu bringen wollte, vom Kreuz herabzusteigen und IHN in Seiner Gottessohnschaft bzw. Identität angefochten hat. Im Zusammenhang mit dieser Thematik hat mich der HERR JESUS durch eine Zeit der Versuchung und Anfechtung (3 Wochen) bis in die gefühlte Gottverlassenheit geführt – und mich auf sehr berührende Weise auch wieder heraus geführt. Das war die heftigste Erfahrung meines ganzen Lebens (51 Jahre). Aus dieser geschenkten „Innenansicht“ heraus lese ich das ganze Neue Testament mit anderen Augen und kann auch Petrus und Judas in dieser Situation besser verstehen. Das Ausmaß der Liebe und Selbsterniedrigung JESU um unsretwillen ist einfach unbeschreiblich! Vielleicht hilft meine Erfahrung zum Verständnis weiter.

      1. Georg Bubolz: Ohne Taube und Kamel. Verlag Hans-Jürgen Maurer 2019, S.334/335 Der Kommentar bietet einen guten Einblick zum sprachlichen Verständnis des Aramäischen im Blick auf die Evangelien. In der Übersetzung folge ich aber lieber Etheridge und Murdock statt Lamsa und Bubolz (siehe Fußnote 127), auch wenn es sich dem Kontext im griechischen Grundtext zufolge eben nicht nur um ein Zitat von Psalm 22 handelt. Ähnlich verhält es sich wohl mit dem Wort JESU: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist“ (Lukas 23, 46). Wieder fehlt die entsprechende Formel „Wie geschrieben steht… damit erfüllt würde“, obwohl sich dieser Satz im Psalm 31 findet. Warum? Ich sehe es nicht nur als Sterbegebet, mit dem sich unser HERR dem Tod übergab, sondern es ist auch die einzige Möglichkeit, in menschlicher Schwachheit der Versuchung und Anfechtung stand zu halten. Ich selbst habe in geistiger Auseinandersetzung so gebetet (und dem HERRN auch Leib und Seele mit anvertraut)- dieser Kampf ist nicht mit menschlicher Kraft, sondern nur mit IHM zu gewinnen. Auch was die Interpretation der in den letzten Jahren in Diskussion geratenen 6.Vaterunser-Bitte betrifft, folge ich nicht der Schlussfolgerung von Bubolz (und Papst Franziskus 2017), sondern finde den traditionellen Satz richtiger, der der Bedeutungsvielfalt des aramäischen Originals nicht widerspricht. Soviel zu diesem Peschitta-Kommentar.

        1. Danke für den Hinweis.
          Beim Vaterunser gibt es kein aramäisches Original – und sollte es eines gegeben haben, ist es nicht auf uns gekommen. Nur drei unterschiedliche griechische Fassungen (Matthäus, Lukas, Didache).

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