Diese Worte Christi im vierten Evangelium führen zu einer nachhaltigen Verstörung unter seinen Anhängern. Die Frage, wie sie sinnvollerweise verstanden werden können, beschäftigt Ausleger bis heute. Hier einige interessante Ein- und Ansichten.
Joh 6,53-55 – Text und
Übersetzung
⁵³ εἶπεν οὖν αὐτοῖς °ὁ Ἰησοῦς· ἀμὴν ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ἐὰν μὴ ⸀φάγητε τὴν σάρκα τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνθρώπου καὶ ⸉πίητε αὐτοῦ τὸ αἷμα⸊, οὐκ ἔχετε ζωὴν ἐν ἑαυτοῖς. ⁵⁴ ὁ τρώγων ⸀μου τὴν σάρκα καὶ πίνων ⸀μου τὸ αἷμα ἔχει ζωὴν αἰώνιον, κἀγὼ ἀναστήσω αὐτὸν ⸆ τῇ ἐσχάτῃ ἡμέρᾳ. ⁵⁵ ἡ γὰρ σάρξ μου ⸀ἀληθής ἐστιν βρῶσις, ⸋καὶ τὸ αἷμά μου ⸁ἀληθής ἐστιν πόσις.⸌
An dem Abschnitt fällt auf, dass sich der letzte Vers (Joh 6,55) reimt:
kai to haimá mou alēthēs estin pósis.
Zusätzlich wird der rhetorische Effekt durch den Gebrauch des Verbs τρώγω trōgō verstärkt, das „zerkauen“, „nagen“ bedeutet und damit die Aussage noch anstößiger macht.
Erste Annäherung: Der Text spricht nicht von Kannibalismus
In dem Lehrbuch, das Bischof Aurelius Augustinus für seine Priester schrieb, weil sie ihn um Unterstützung bei der Auslegung schwieriger Bibelstellen gebeten hatten, kommt der Kirchenvater auf eben diese Stelle zu sprechen. Er meint lapidar:
Hier scheint ein Verbrechen oder eine Schandtat zu befohlen zu werden. Es handelt sich also um figürliche Rede (figura ergo est).1
Für den nordafrikanischen Bischof ist klar: diese Stelle darf nicht wörtlich, sondern sie muss im übertragenen Sinn verstanden werden.
Zweite Annäherung: Der Text muss spirituell gedeutet werden
Origenes verlangt unter Berufung auf 2 Kor 3,6 eine geistliche Interpretation der Aussage aus Joh 6:
Denn wenn du buchstäblich das befolgst, was gesagt worden ist: „wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt“ (Joh 6,54), ‚tötet‘ dieser ‚Buchstabe‘. 2
Und wiederum Augustinus ruft seiner Gottesdienstgemeinde bei einer Predigt über das Johannesevangelium zu:
Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben. (Joh 6,63) Was bedeutet: sind Geist und Leben? Sie müssen geistlich (spiritualiter) verstanden werden. Hast Du [sie] geistlich verstanden? Sie sind Geist und Leben. Hast du [sie] fleischlich verstanden? Dann sind sie auch noch Geist und Leben, aber nicht für dich.
3 Predigt über das Johannesevangelium XXVII,6; MÜ
Er kann aus dem Umgang mit dieser schwierigen Textstelle überhaupt eine Grundregel für den heilsamen Umgang mit ähnlichen Stellen gewinnen:
Daher: Wenn eine Redeweise hart ist und noch nicht begriffen wurde, soll sie für den Ungläubigen hart sein, dir aber durch die Frömmigkeit angenehm werden, denn sie wird über kurz oder lang aufgelöst und dir zum [wohltuenden] Öl, das bis zu den Knochen durchdringt.
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Dritte Annäherung: Spricht der Text von der Eucharistie?
Der Weltkatechismus der katholischen Kirche legt die Aussage auf die Eucharistie hin aus:
1384 Der Herr richtet an uns eine eindringliche Einladung, ihn im Sakrament der Eucharistie zu empfangen. „Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (Joh 6,53).
Hieronymus stimmt dieser Auslegung im Prinzip zu, ergänzt sie aber um eine weitere Deutung:
Und wenn er sagt wer mein Fleisch nicht verzehrt haben wird und mein Blut nicht getrunken haben wird, ist es möglich, dass es auch im sakramentalen Sinn (in mysterio) verstanden werden kann;
trotzdem ist der wahre Leib Christi und sein Blut das Wort der [heiligen] Schriften, ist die göttliche Lehre.5
Ähnlich äußert er sich in seinem Kohelet-Kommentar:
Weiters, weil das Fleisch des Herrn die wahre Speise ist und sein Blut der wahre Trank (vgl. Joh 6,55 = 6,56 Vg), haben wir – gemäß der Anagogie – nur dieses Gut in der gegenwärtigen Welt, wenn wir uns von seinem Fleisch nähren und von seinem Blut trinken: nicht nur im eucharistischen Geheimnis (non solum in mysterio), sondern auch in der Lektüre der Schriften. Denn die wahre Speise und der wahre Trank, die man aus dem Wort Gottes zu sich nimmt, ist die Kenntnis der Schriften. 6
Geradezu polemisch argumentiert Augustinus in seinen Predigten zum vierten Evangelium:
Wozu bereitest du Zähne und Bauch vor? Glaube, und du hast gegessen.7
Und weiter:
Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, damit, wenn einer davon isst, er nicht stirbt. (Joh 6,50) Aber dies bezieht sich auf die Wirkkraft des Sakramentes, nicht auf das, was zum sichtbaren Sakrament gehört: auf den, der innerlich isst, nicht äußerlich; auf den, der im Herzen isst, nicht auf den, der mit den Zähnen kaut.8
Ebenso:
Sicher werdet ihr doch wenigstens sehen, dass er nicht auf die Art, wie ihr glaubt, seinen Körper verteilt; sicher werdet ihr doch wenigstens begreifen, dass seine Gnade nicht durch Bisse verzehrt wird.9
Und überhaupt gelte:
Der Herr also, der den Heiligen Geist geben wird, sagt von sich, dass er das Brot ist, das vom Himmel herabstieg (Joh 6,51), wodurch er uns ermuntert, dass wir an ihn glauben. Denn an ihn zu glauben, das bedeutet, das lebendige Brot zu essen. Wer glaubt, isst: er wird nicht sichtbar gesättigt, weil er nicht sichtbar wiedergeboren wird. 10
Weitere Deutungsebenen
Auffällig ist, dass die meisten der hier vorgetragenen Deutungen Predigten entstammen, die Kirchenväter sich also bemühten, ihrer Gemeinde den spirituellen Sinn der Worte aus dem Johannesevangelium zu erschließen. Ich beginne diesen Abschnitt mit Origenes:
Unser Herr und Erlöser sagt: „Wenn ihr mein Fleisch nicht esst und mein Blut nicht trinkt, werdet ihr kein Leben in euch haben. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise und mein Blut ist ein wahrer Trank.“ (Joh 6,54.56) Daher, weil Jesus ganz und gar rein ist, ist sein ganzes ‚Fleisch eine Speise‘ und sein ganzes ‚Blut ein wahrer Trank‘, weil jedes seiner Werke heilig ist und jedes seiner Wort wahr ist. Deshalb also ist sowohl sein ‚Fleisch‘ eine ‚wahre Speise‘ als auch sein ‚Blut ein wahrer Trank‘. Denn durch das Fleisch und das Blut seines Wortes, gleichsam durch eine reine Speise und einen Trank, tränkt und erfrischt er jede Art von Menschen.
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Und in einer Predigt zum ersten Evangelium heißt es:
Dieses Brot, welches das Gottwort als seinen Leib bekennt, ist das Wort, welches die Seelen nährt, das Wort, das vom Gottwort hervorgeht, und Brot vom himmlischen Brot, welches auf dem Tisch liegt, von dem geschrieben steht: «Du hast vor meinem Angesicht einen Tisch bereitet gegen die, die mich bedrängen» [Ps 22,5]. Und dieser Trank, den das Gottwort als sein Blut bekennt, ist das Wort, welches die Herzen derer, die trinken, tränkt und herrlich berauscht, welches in dem Becher ist, von dem geschrieben steht: «Und dein berauschender Becher,
wie herrlich ist er!» [ebda].12
In diesem Sinn folgt ihm auch Hieronymus, wenn er sagt:
So [verhält es sich] auch mit dem Fleisch Christi, das das Wort der Lehre ist, das bedeutet, die Auslegung der heiligen Schriften: So wie wir wollen, empfangen auch wir eine Speise.13
Eine weitere Deutung schlägt wiederum Augustinus in seinem schon erwähnten Lehrbuch vor:
Es handelt sich also um figürliche Rede, die die Vorschrift enthält, am österlichen Leiden unseres Herrn teilzunehmen und es angenehm und nützlich im Gedächtnis zu behalten, daß sein Fleisch für uns gekreuzigt und verwundet worden ist. 14
Zwischenfazit
Ich finde es erstaunlich, dass bei den drei genannten Vätern die eucharistische Deutung nicht im Zentrum steht. Viel prominenter ist bei ihnen die Auslegung auf das – in der Bibel überlieferte – Wort Gottes als „Fleisch und Blut Christi“. Auf der anderen Seite ist es nicht erstaunlich, dass die hochkomplexe Brotrede im sechsten Kapitel des vierten Evangeliums wohl kaum mit nur einer Deutung zufriedenstellend erklärt werden kann. Deshalb empfinde ich diese hier dargestellten Deutungen als sehr anregend. Die mittelalterliche Kirche hat sich allerdings mit den scharfen Worten des Augustinus schwer getan, Petrus Lombardus sah sich genötigt, in seinem Liber Sententiarum IV,10 ausführlich auf sie einzugehen.
Der ursprüngliche Sinn?
Der Verfasser des vierten Evangeliums macht es uns nicht leicht. Er kann Aussagen zum Verzehr einer Speise in einem übertragenen Sinn verwenden, wenn er als Wort Jesu überliefert:
λέγει αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς· ἐμὸν βρῶμά ἐστιν ἵνα ⸀ποιήσω τὸ θέλημα τοῦ πέμψαντός με καὶ τελειώσω αὐτοῦ τὸ ἔργον. (Joh 4,34)
„(Es) sagt ihnen Jesus: Meine Speise ist, daß ich tue den Willen des mich Schickenden und vollende sein Werk.“ (Joh 4,34; Münchener NT)
In der Rede über das Himmelsbrot im Kapitel sechs des Evangeliums selber macht Christus auf den spirituellen Charakter seiner Worte aufmerksam:
τὸ πνεῦμά ἐστιν τὸ ζῳοποιοῦν, ἡ σὰρξ οὐκ ὠφελεῖ οὐδέν· τὰ ῥήματα ἃ ἐγὼ λελάληκα ὑμῖν πνεῦμά ἐστιν καὶ ζωή ἐστιν. (Joh 6,63)
Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch erreicht gar nichts. Die Aussprüche, die ich euch gesagt habe, sind Geist und sind Leben. (Joh 6,63; MÜ)
Dazu kommt, dass der Evangelist immer wieder Szenen schildert, in denen es zu krassen Missverständnissen zwischen Jesus und seinen Gesprächspartnern kommt:
Stelle | Thema | Missverständnis Gesprächspartner |
Joh 2,18-22 | Zerstörung und Wiederaufbau des Tempels | Sie verstehen nicht, dass Jesus von seinem Leib spricht |
Joh 3,1-8 | Geistliche Wiedergeburt | Verlangt Jesus eine Rückkehr in den Mutterleib? |
Joh 4,7-15 | Lebendiges Wasser | Jesus hat gar kein Schöpfgefäß! |
Joh 6,30-35 | Das Brot vom Himmel | Gib uns dieses Brot! |
Joh 6,52-58 | Jesu Fleisch und Blut essen | Jesus verlangt Kannibalismus?! |
Joh 8,21-22 | Fortgang Jesu | Will er Selbstmord begehen? |
Joh 11,20-27 | Auferweckung des Lazarus | Das geschieht erst am jüngsten Tag. |
Joh 13,36-38 | Petrus kann Jesus nicht folgen | Petrus will sein Leben für Jesus geben, verrät ihn aber |
Joh 14,1-7 | Der Weg, den Jesus gehen muss | Thomas kennt diesen Weg nicht. |
Joh 21,20-23 | Petrus und der geliebte Schüler | Der geliebte Schüler stirbt nicht? |
Vor diesem Hintergrund scheint mir, dass der Evangelist ursprünglich wohl nicht die Eucharistie im Blick hatte, deren Einsetzung er übrigens gar nicht erzählt: statt dessen berichtet er von der Fußwaschung (Joh 13,1-20). Dort heißt es lakonisch: Καὶ δείπνου ⸀γινομένου – und es fand ein Mahl statt (Joh 13,2). Gerade die Aufforderung, Jesu Fleisch zu zerkauen scheint mir ein schöner Hinweis auf die ruminatio zu sein, durch die das Wort Jesu uns gleichsam in Fleisch und Blut übergeht. Damit meine ich nicht, dass die eucharistische Deutung falschist, aber ich halte sie an dieser Stelle für zugewachsen.
Sammlung der zitierten Texte
Origenes
Levitikus-Homilien
Dominus et Salvator noster dicit: »nisi manducaveritis carnem meam et biberitis sanguinem meum, non habebitis vitam in vobis ipsis. Caro enim mea vere cibus est, et sanguis meus vere potus est«. Iesus ergo quia totus ex toto mundus est, tota eius >caro cibus est< et totus >sanguis< eius >potus est<, quia omne opus eius sanctum est et omnis sermo eius verus est. Propterea ergo et >caro< eius >verus est cibus et sanguis< eius >verus est potus<. Carnibus enim et sanguine verbi sui tamquam mundo cibo ac potu potat et reficit omne hominum genus. Secundo in loco post illius carnem mundus cibus est Petrus et Paulus omnesque Apostoli; tertio loco discipuli eorum. Et sic unusquisque pro quantitate meritorum vel sensuum puritate proximo suo mundus efficitur cibus. Haec qui audire nescit, detorqueat fortassis et avertat auditum secundum illos, qui dicebant: »quomodo dabit nobis hic carnem suam manducare? Quis potest audire eum? Et discesserunt ab eo«. Sed vos si fili estis ecelesiae, si evangelicis imbuti mysteriis, si >verbum caro factum habitat in vobis<, agnoscite quae dicimus quia Domini sunt, ne forte >qui ignorat, ignoretur«. Agnoscite quia figurae sunt, quae in divinis voluminibus scripta sunt, et ideo tamquam spiritales et non tamquam carnales examinate et intelligite quae dicuntur. Si enim quasi carnales ista suscipitis, laedunt vos et non alunt. Est enim et in evangeliis >littera<, quae >occidit<. Non solum in veteri testamento >occidens littera< deprehenditur; est et in novo testamento >littera<, quae >occidat< eum, qui non spiritaliter, quae dicuntur, adverterit. Si enim secundum litteram sequaris hoc ipsum quod dictum est: »nisi manducaveritis camem meam et biberitis sanguinem meum«, >occidit< haec >littera<. (Levitikus-Homilien VII,5)
GCS 29 S. 386-387
Unser Herr und Erlöser sagt: „Wenn ihr mein Fleisch nicht esst und mein Blut nicht trinkt, werdet ihr kein Leben in euch haben. Denn mein Fleisch ist eine wahre Speise und mein Blut ist ein wahrer Trank.“ (Joh 6,54.56) Daher, weil Jesus ganz und gar rein ist, ist sein ganzes ‚Fleisch eine Speise‘ und sein ganzes ‚Blut ein wahrer Trank‘, weil jedes seiner Werke heilig ist und jedes seiner Wort wahr ist. Deshalb also ist sowohl sein ‚Fleisch‘ eine ‚wahre Speise‘ als auch sein ‚Blut ein wahrer Trank‘. Denn durch das Fleisch und das Blut seines Wortes, gleichsam durch eine reine Speise und einen Trank, tränkt und erfrischt er jede Art von Menschen. An zweiter Stelle nach diesem Fleisch ist Petrus und Paulus und alle Apostel eine reine Speise; an dritter Stelle ihre Schüler. Und so wird jeder Einzelne im Verhältnis zur Anzahl seiner Verdienste oder zur Reinheit seiner Einsichten für seinen Nächsten zu einer reinen Speise. Derjenige, der nicht zu hören versteht, mag sich vielleicht abwenden und das Gehörte verschmähen, in Übereinstimmung mit jenen, die sagten: „Wie wird uns dieser Fleisch zu essen geben? Wer kann ihn anhören? Und sie entfernten sich von ihm.“ (Joh 6,52.60.66) Aber ihr, wenn ihr Kinder der Kirche seid, wenn ihr mit den evangelischen
Mysterien vertraut gemacht seid, wenn ‚das fleischgewordene Wort in euch wohnt‘ (vgl. Joh 1,14), [dann] anerkennt die [Dinge die] wir gesagt haben, weil sie dem Herrn gehören, damit nicht vielleicht [eintritt]: ‚wer nicht erkennt, wird nicht anerkannt‘ (vgl. 1 Kor 14,38). Anerkennt, weil sie Bilder sind, die in göttlichen Büchern geschrieben wurden und deswegen prüft und versteht gleichsam geistlich und nicht gleichsam fleischlich, was gesagt wird. Denn wenn ihr diese gewissermaßen fleischlich zu euch nehmt, verletzen sie euch und nähren nicht. Denn auch in den Evangelien ist es der ‚Buchstabe‘, der ‚tötet‘ (vgl. 2 Kor 3,6). Nicht nur im Alten Testament zeigt sich der ‚tötende Buchstabe‘;
auch im Neuen Testament ist es der ‚Buchstabe‘, der den ‚tötet‘, der das, was gesagt wird, nicht geistlich erfasst. Denn wenn du buchstäblich das befolgst, was gesagt worden ist: „wenn ihr nicht mein Fleisch esst und mein Blut trinkt“ (Joh 6,54), ‚tötet‘ dieser ‚Buchstabe‘. (Levitikus-Homilien VII,5; MÜ)
Matthäus-Erklärung
Panis iste, quem deus verbum corpus suum esse fatetur, verbum est nutritorium animarum, verbum de deo verbo procedens et panis de pane caelesti, qui positus est super mensa de qua scriptum est: »praeparasti in conspectu meo mensam adversus eos qui tribulant me«. et potus iste, quem deus verbum sanguinem suum fatetur, verbum est
potans et inebrians praeclare corda bibentium, qui est in poculo de quo scriptum est: »et poculum tuum inebrians quam praeclarum est!« et est potus iste generatio vitis verae quae dicit: »ego sum vitis vera«, et est sanguis uvae illius, quae missa in torcular passionis protulit potum hunc; sicut et panis est verbum Christi factum de tritico illo quod »cadens in terram« »multum reddidit fructum«. non enim panem illum visibilem quem tenebat in manibus corpus suum dicebat deus verbum, sed verbum in euius mysterio fuerat panis ille frangendus. nec potum illum visibilem sanguinem suum dicebat, sed verbum in cuius mysterio potus ille fuerat effundendus. nam corpus dei verbi aut sanguis quid aliud potest esse, nisi verbum quod nutrit, et verbum quod »laetificat cor«?. cur autem non dixit: hic est panis novi testamenti, sicut dixit: hic est sanguis novi testamenti? quoniam panis est verbum iustitiae quam manducantes animae nutriuntur, potus autem est verbum agnitionis Christi secundum mysterium nativitatis eius et passionis. quoniam ergo testamentum dei in sanguine passionis Christi positum est ad nos, ut credentes filium dei natum et passum secundum carnem salvi efficiamur, non in iustitia, in qua sola sine fide passionis Christi salus esse non poterat, ideo tantum de calice dietum est: hic est calix testamenti; amen dico vobis, quod amodo non bibam de generatione vitis huius, nisi cum bibam illud vobiscum novum in regno patris mei. (Matthäuserklärung 85-86)
GCS 38, S. 196-197
Dieses Brot, welches das Gottwort als seinen Leib bekennt, ist das Wort, welches die Seelen nährt, das Wort, das vom Gottwort hervorgeht, und Brot vom himmlischen Brot, welches auf dem Tisch liegt, von dem geschrieben steht: «Du hast vor meinem Angesicht einen Tisch bereitet gegen die, die mich bedrängen» [Ps 22,5]. Und dieser Trank, den das Gottwort als sein Blut bekennt, ist das Wort, welches die Herzen derer, die trinken, tränkt und herrlich berauscht, welches in dem Becher ist, von dem geschrieben steht: «Und dein berauschender Becher, wie herrlich ist er!» [ebda]. Und dieser Trank ist Gewächs des wahren Weinstocks, welcher spricht: «Ich bin der wahre Weinstock» [Joh 15,1], und ist Blut jener Traube, die, in die Kelter des Leidens geworfen, diesen Trank hervorbrachte; so ist auch Brot das Wort Christi, welches von jenem Korn gemacht ist, das «in die Erde fiel und reiche Frucht brachte» [Joh 12,24f.]. Denn nicht jenes sichtbare Brot, welches es in Händen hielt, nannte das Gottwort seinen Leib, sondern das Wort, an dessen Stelle in geheimnisvoller Weise jenes Brot gebrochen werden sollte. Und nicht jenen sichtbaren Trank nannte es sein Blut, sondern das Wort, an dessen Stelle in geheimnisvoller Weise jener Trank ausgegossen werden sollte. Denn Leib oder Blut des Gottwortes, was kann das anderes sein, als das Wort, welches nährt, und das Wort, welches «das Herz erfreut» [Ps 103,5]? Warum aber hat er nicht gesagt: Dies ist das Brot des Neuen Testamentes, wie er gesagt hat: Dies ist das Blut des Neuen Testamentes? Weil das Brot das Wort der Gerechtigkeit ist, welches die Seelen essen und so ernährt werden, Trank aber das Wort der Erkenntnis Christi, wie sie dem Geheimnis seiner Geburt und seines Leidens entspricht. Weil also das Testament Gottes im Blut des Leidens Christi für uns begründet ist, damit wir durch den Glauben an den Sohn Gottes, der im Fleisch geboren wurde und gelitten hat, gerettet werden, nicht (aber) durch die Gerechtigkeit, in der allein ohne den Glauben an das Leiden Christi das Heil nicht sein konnte, deshalb ist nur vom Kelch gesagt: Dies ist der Kelch des Testamentes. Amen, ich sage euch: Vom Gewächs dieses Weinstockes werde ich von jetzt an nicht mehr trinken, bis ich es neu mit euch trinken werde im Reiche meines Vaters [26,29]. (Matthäuserklärung 85-86; Ü: Vogt, H. J. (1993). Origenes. Der Kommentar zum Evangelium nach Matthäus. Dritter Teil. Anton Hiersemann, Stuttgart, S. 251-252)
Eusebius Hieronymus
Dominus noster granum tritici in terram cecidit, et nos multiplicauit. Sed istum granum frumenti pinguissimum est, medullam habet, adipem habet, pinguedinem habet. Et adipe frumenti satians te. Felix est, qui in frumento isto adipem intellegit. Legimus sanctas scripturas. Ego corpus Iesu euangelium puto; sanctas scripturas puto doctrinam eius. Et quando dicit ‘Qui non comederit carnem meam et biberit sanguinem meum’, licet et in mysterio possit intellegi, tamen uere corpus Xpisti et sanguis eius sermo scripturarum est, doctrina diuina est. Si quando imus ad mysterium — qui fidelis est intellegit — si micula ceciderit, periclitamur. Si quando audimus sermonem Dei, et sermo Dei et caro Xpisti et sanguis eius in auribus infunditur, et nos aliud cogitamus, in quantum periculum incurrimus? Et adipe frumenti satians te. Pinguissimus sermo diuinus est, omnes habet in se delicias. Quidquid uolueris, ex sermone diuino nascitur: sicut tradunt Iudaei, quoniam manna quando comedebant, secundum uoluntatem uniuscuiusque, sic sapiebat in ore. Verbi causa, qui manna comedebat, si desiderabat mala, si pirum, si uuam, si panem, si carnes, secundum qualitatem et uoluntatem comedentis, ita et sapor in manna erat. Sic et in carne Xpisti, qui est sermo doctrinae, hoc est, scripturarum sanctarum interpretatio, sicut uolumus, ita et cibum accipimus. Tractatus de Psalmo CXLVII,14 Germanus Morin: S. Hieronymi Presbyteri Opera. Pars II. Opera Homiletica. CCSL LXXVIII (1958) S. 337-338
Unser Herr, das Weizenkorn, fiel in die Erde und hat uns vermehrt [Vgl. Joh 12,24]. Aber dieses Getreidekorn ist höchst ergiebig, hat einen Kern, hat Nährkraft [ eigentlich „Fett“], hat Fruchtbarkeit. Und durch die Nährkraft des Weizens sättigt er dich. Glücklich ist, wer die Nährkraft in diesem Weizen versteht. Wir haben die heiligen Schriften
gelesen. Daher halte ich das Evangelium für den Leib Jesu; ich halte die heiligen Schriften für seine Lehre. Und wenn er sagt wer mein Fleisch nicht verzehrt haben wird und mein Blut nicht getrunken haben wird, ist es möglich, dass es auch im sakramentalen Sinn (in mysterio) verstanden werden kann; trotzdem ist der wahre Leib
Christi und sein Blut das Wort der [heiligen] Schriften, ist die göttliche Lehre. Wann auch immer wir zum Sakrament (ad mysterium) kommen – wer gläubig ist, begreift es – geraten wir in Gefahr, wenn ein Krümchen herunterfallen sollte. Wann auch immer wir das Wort Gottes hören, und das Wort Gottes, das Fleisch Christi und sein
Blut sich in die Ohren ergießt und wir an irgendetwas anderes denken, in welche Gefahr begeben wir uns? Und durch die Nährkraft des Weizens sättigt er dich. Das göttliche Wort ist höchste ergiebig, es enthält in sich alle Genüsse. Was auch immer du verlangst, entsteht aus dem göttlichen Wort: so wie Juden überliefern – jedes mal nun wenn sie Manna
verzehrten – gemäß dem Willen jedes Einzelnen – so schmeckte es im Mund. Zum Beispiel, wer Manna verzehrte, wenn er einen Apfel wünschte, oder eine Birne, oder eine Weintraube, oder Brot, oder Fleisch: entsprechend der Art und dem Willen des Verzehrenden, so war auch der Geschmack im Manna. So [verhält es sich] auch mit dem Fleisch Christi, das das Wort der Lehre ist, das bedeutet, die Auslegung der heiligen Schriften: So wie wir wollen, empfangen auch wir eine Speise. Predigt über Psalm 147,14; MÜ
Porro, quia caro domini verus est cibus et sanguis eius verus est potus, iuxta ἀναγωγήν hoc solum habemus in praesenti saeculo bonum, si vescamur carne eius et cruore potemur, non solum in mysterio, sed etiam
in scripturarum lectione. Verus enim cibus et potus, qui ex verbo dei sumitur, scientia scripturarum est. Hieronymi In Ecclesiasten III,12.13,2 Birnbaum, E. (2014). Der Koheletkommentar des Hieronymus. Einleitung, revidierter Text, Übersetzung und Kommentierung. Revision des lateinischen Textes durch Michael Margoni-Kögler. De Gruyter, Berlin/Boston. S. 100
Weiters, weil das Fleisch des Herrn die wahre Speise ist und sein Blut der wahre Trank (vgl. Joh 6,55 = 6,56 Vg), haben wir – gemäß der Anagogie – nur dieses Gut in der gegenwärtigen Welt, wenn wir uns von seinem Fleisch nähren und von seinem Blut trinken: nicht nur im eucharistischen Geheimnis, sondern auch in der Lektüre der Schriften.
Denn die wahre Speise und der wahre Trank, die man aus dem Wort Gottes zu sich nimmt, ist die Kenntnis der Schriften. Ü: Elisabeth Birnbaum, S. 101 a.a.o.
Aurelius Augustinus
Nam et prima haeresis in discipulis Christi velut a duritia sermonis ipsius facta est. Cum enim diceret: Nisi quis manducaverit carnem meam et biberit sanguinem meum, non habebit vitam in se, illi non intellegentes dixerunt ad invicem: Durus est hie sermo: quis potest eum audire? Dicentes quia durus est ipse sermo separaverunt se ab illo; remansit cum illis duodecim. Cum ei suggessissent illos in sermone eius fuisse scandalizatos, Numquid et vos inquit vultis ire? Et Petrus: Verbum vitae aeternae habes; ad quem ibimus? Intendite, obsecramus vos, et parvuli discite pietatem: numquid iam Petrus intellegebat secretum sermonis illius domini? Nondum intellegebat, sed bona esse verba quae non intellegebat pie credebat. Ergo si durus est sermo et nondum intellectus est, durus sit impio, tibi autem pietate molliatur, quia quandoque solvitur et fit tibi oleum et usque ad ossa penetrabit. Enarrationes in Psalmos LIV,23 (CSEL 94/1 S. 172)
Denn auch die erste Häresie unter den Schülern Christi ereignete sich zum Beispiel durch die Härte seiner Redeweise. Denn als er sagte: Wenn jemand mein Fleisch nicht gegessen und mein Blut getrunken haben wird, wird er kein Leben in sich haben, da verstanden sie ihn nicht, sie sagten zueinander: Diese Rede ist hart: wer kann sie hören? Weil sie sagten, dass seine Rede hart ist, trennten sie sich von ihm; er blieb mit den Zwölf zurück. Als sie ihm darlegten, dass jene an seiner Redeweise Anstoß genommen hatten, fragte er: Wollt ihr etwa auch gehen? Und Petrus: Du hast das Wort des ewigen Lebens; zu wem werden wir gehen? Wir bitten euch inständig: strengt euch an, und lernt die Frömmigkeit der kleinen Kinder: Verstand Petrus etwa schon das Geheimnis dieser Redeweise des Herrn? Er verstand es noch nicht, sondern glaubte fromm, dass die Worte, die er nicht verstand, gut waren. Daher: Wenn eine Redeweise hart ist und noch nicht begriffen wurde, soll sie für den Ungläubigen hart sein, dir aber durch die Frömmigkeit angenehm werden, denn sie wird über kurz oder lang aufgelöst und dir zum [wohltuenden] Öl, das bis zu den Knochen durchdringt.
Erklärungen zu den Psalmen LIV,23; MÜ
Utquid paras dentes et ventrem? crede, et manducasti.
In Joannis Evangelium Tractatus XXV,12
MPL XXXV, 1602
Wozu bereitest du Zähne und Bauch vor? Glaube, und du hast gegessen.
Predigt über das Johannesevangelium XXV,12; MÜ
Nemo autem implet Legem, nisi quem adjuverit gratia, id est panis qui de coelo descendit. Legis enim plenitudo, compendio ut ait Apostolus, charitas est (Rom. XIII,10): charitas non nummi, sed Dei; charitas non terrae, non coeli, sed ejus qui fecit coelum et terram. Unde ista charitas homini? Ipsum audiamus: Charitas, inquit, Dei diffusa est in cordibus nostris per Spiritum sanctum qui datus est nobis (Id. V,5). Daturus ergo Dominus Spiritum sanctum, dixit se panem qui de coelo descendit, hortans ut credamus in eum.
Credere enim in eum, hoc est manducare panem vivum. Qui credit, manducat: invisibiliter saginatur, quia invisibiliter renascitur. Infans intus est, novus intus est: ubi novellatur, ibi satiatur. In Joannis Evangelium Tractatus XXVI,1
MPL XXXV, 1607
Niemand aber erfüllt das Gesetz, wenn ihm die Gnade nicht zur Hilfe kam, das bedeutet: das Brot, das vom Himmel herabstieg. Denn die Erfüllung des Gesetzes, wie der Apostel zusammenfassend sagt, ist die Liebe (Röm 13,10). Nicht die Lieb zum Geld, sondern zu Gott. Nicht Liebe zur Erde, nicht zum Himmel, sondern zu ihm, der Himmel und Erde gemacht hat. Woher [kommt] diese Liebe zu den Menschen? Lasst uns auf ihn hören: Er sagt, die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde (Röm 5,5). Der Herr also, der den Heiligen Geist geben wird, sagt von sich, dass er das Brot ist, das vom Himmel herabstieg, wodurch er uns ermuntert, dass wir an ihn glauben. Denn an ihn zu glauben, das bedeutet, das lebendige Brot zu essen. Wer glaubt, isst: er wird nicht sichtbar gesättigt, weil er nicht sichtbar wiedergeboren wird. Innerlich ist er Kind, innerlich ist er neu. Wo er erneuert wird, dort wird er gesättigt. Predigt über das Johannesevangelium XXVI,1; MÜ
Hic est ergo panis de coelo descendens, ut si quis manducaverit ex ipso, non moriatur. Sed quod pertinet ad virtutem Sacramenti, non quod pertinet ad visibile Sacramentum: qui manducat intus, non foris; qui manducat in corde, non qui premit dente. In Joannis Evangelium Tractatus XXVI,12
MPL XXXV 1612
Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, damit, wenn einer davon isst, er nicht stirbt. (Joh 6,50) Aber dies bezieht sich auf die Wirkkraft des Sakramentes, nicht auf das, was zum sichtbaren Sakrament gehört: auf den, der innerlich isst, nicht äußerlich; auf den, der im Herzen isst, nicht auf den, der mit den Zähnen kaut. Predigt über das Johannesevangelium XXVI,12; MÜ
Sciens autem Jesus apud semetipsum quia murmurarent de eo discipuli ejus. Sic enim apud se ista dixerunt, ut ab illo non audirentur; sed ille qui eos noverat in seipsis, audiens apud semetipsum, respondit, et ait, Hoc vos scandalizat: quia dixi, Carnem meam do vobis manducare , et sanguinem meum bibere, hoc vos nempe scandalizat. Si ergo videritis Filium hominis ascendentem ubi erat prius? Quid est hoc? Hinc solvit quod illos moverat? hinc aperuit unde fuerant scandalizati? Hinc plane, si intelligerent. Illi enim putabant eum erogaturum corpus suum; ille autem dixit se ascensurum in coelum, utique integrum. Cum videritis Filium hominis ascendentem ubi erat prius; certe vel tunc videbitis quia non eo modo quo putatis, erogat corpus suum; certe vel tunc intelligetis quia gratia ejus non consumitur morsibus. In Joannis Evangelium Tractatus XXVII,3
MPL XXXV, 1616
Jesus aber wusste bei sich selbst, dass seine Schüler über ihn murrten. (Joh 6,61) Denn sie sagten es bei sich auf eine solche Weise, dass es von ihm nicht gehört werden sollte. Aber der, der sie in sich selbst erkannt hatte, hört sie in sich selbst und sagt: Bringt euch das in Verwirrung? (Joh 6,62) Weil ich gesagt habe, ich gebe euch mein Fleisch zu essen und mein Blut zu trinken, bringt euch das offenbar in Verwirrung. Wenn ihr also den Menschensohn dahin aufsteigen seht, wo er zuvor war? (Joh 6,62) Was bedeutet das? Enträtselt er hier, was sie bewegt hatte? Enthüllt er hier, wodurch sie in Verwirrung gebracht wurden? Allerdings [geschieht dies] hier, wenn
sie [denn] verstehen würden! Denn sie glaubten, dass er seinen Körper verteilen werde; er aber sagte, dass er in den Himmel aufsteigen werde, und zwar vollständig. Wenn ihr also den Menschensohn dahin aufsteigen seht, wo er zuvor war? (Joh 6,62) Sicher werdet ihr doch wenigstens sehen, dass er nicht auf die Art, wie ihr glaubt, seinen Körper verteilt; sicher werdet ihr doch wenigstens begreifen, dass seine Gnade nicht durch Bisse verzehrt wird. Predigt über das Johannesevangelium XXVII,3; MÜ
Verba qua ego locutus sum vobis, spiritus et vita sunt. Quid est, spiritus et vita sunt? Spiritualiter intelligenda sunt. Intellexisti spiritualiter? spiritus et vita sunt. Intellexisti carnaliter? etiam sic illa spiritus et vita sunt, sed tibi non sunt. In Joannis Evangelium Tractatus XXVII,6
MPL XXXV, 1618
Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben. (Joh 6,63) Was bedeutet: sind Geist und Leben? Sie müssen geistlich (spiritualiter) verstanden werden. Hast Du [sie] geistlich verstanden? Sie sind Geist und Leben. Hast du [sie] fleischlich verstanden? Dann sind sie auch noch Geist und Leben, aber nicht für dich. Predigt über das Johannesevangelium XXVII,6; MÜ
Si praeceptiva locutio est aut flagitium aut facinus vetans aut utilitatem aut beneficientiam iubens, non est figurata. Si autem flagitium aut facinus videtur iubere aut utilitatem et beneficientiam vetare, figurata est. Nisi mandu caveritis, inquit, carnem filii hominis et sanguinem biberitis, non habebitis vitam in vobis. Facinus vel flagitium videtur iubere. Figura ergo est, praecipiens passioni dominicae esse communicandum et suaviter atque utiliter recondendum in memoria, quod pro nobis caro eius crucifica et vulnerata sint. De doctrina christiana III,55 (XVI,24)
CSEL 80, S. 93-94
XVI.24.55. Wenn die Redeweise aber ein Gebot enthält und entweder eine Schandtat oder ein Verbrechen verbietet oder einen Eigennutz oder eine Wohltätigkeit befiehlt, dann ist sie nicht figürlich. Wenn sie aber eine Schandtat oder ein Verbrechen zu befehlen oder einen Eigennutz und eine Wohltätigkeit zu verbieten scheint, ist sie figürlich.
Beispielsweise steht in der Bibel: »Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes eßt und sein Blut trinkt, werdet ihr nicht das Leben in euch haben« [Joh 6,54]. Hier scheint die Bibel ein Verbrechen oder eine Schandtat zu befehlen. Es handelt sich also um figürliche Rede, die die Vorschrift enthält, am österlichen Leiden unseres Herrn teilzunehmen und es angenehm und nützlich im Gedächtnis zu behalten, daß sein Fleisch für uns gekreuzigt und verwundet worden ist. Ü: Karla Pollmann, in: Die christliche Bildung (Reclams Universal-Bibliothek 2002)
- Von der christlichen Lehre XVI.24.55; Ü: Karla Pollmann. Die genaueren Literaturangaben und die Originaltexte bringe ich im Textanhang am Ende des Artikels.↩︎
- Levitikus-Homilien VII,5; MÜ↩︎
- Predigt über das Johannesevangelium XXVII,6; MÜ↩︎
- Erklärungen zu den Psalmen LIV,23; MÜ↩︎
- Predigt über Psalm 147,14; MÜ↩︎
- Kohelet-Kommentar III,12.13,2; Ü: Elisabeth Birnbaum↩︎
- Predigt über das Johannesevangelium XXV,12; MÜ↩︎
- Predigt über das Johannesevangelium XXVI,12; MÜ↩︎
- Predigt über das Johannesevangelium XXVII,3; MÜ↩︎
- Predigt über das Johannesevangelium XXVI,1; MÜ↩︎
- Levitikus-Homilien VII,5; MÜ↩︎
- Matthäuserklärung 85-86; Ü: Hermann J. Vogt↩︎
- Predigt über Psalm 147,14; MÜ↩︎
- a.a.o.↩︎