Gestern hatte ich das erste Mal die neue Einheitsübersetzung der Bibel in der Hand – was liegt näher als eine Durchsicht durch die falsch übersetzten Stellen, die ich bisher hier im Blog aufgeführt habe? Wie schlägt sich die revidierte Fassung – und lohnt eine Neuanschaffung?
Weibliches und männliches
Ich beginne mit den Stellen, die ich im Beitrag Die Einheitsübersetzung und die Männer untersucht habe. Hier konnte ich feststellen, dass Gott den Menschen in Gen 1,27 jetzt richtigerweise »männlich und weiblich« geschaffen hat, und nicht »als Mann und Frau«, die verbesserte Übersetzung wird auch korrekt in Mt 19,4 und Gal 3, 28 zitiert. Gut so!
Der bisherige Esel in Num 22 darf jetzt wirklich – wie im Hebräischen – eine Eselin sein, aber in Hos 11,9 ist Gott immer noch ein »Mensch« und kein »Mann«. Schlimmer finde ich, dass die Pfingstpredigt des Petrus in Apg 2,15 gegen den Wortlaut und den Kontext immer noch von »Männern« spricht, als ob der Heilige Geist nicht auch auf die Frauen gefallen wäre. Also hier ein gemischtes Ergebnis, aber immerhin eine Verbesserung.
Was bedeutet der Ausdruck Tora?
Was macht die Tora in der Einheitsübersetzung? Hier hat sich eine echte Verbesserung ergeben – die Tora wird in Nehemia 8 sinngemäß mit Weisung übersetzt, in Spr 6,20 wird Tora statt »Lehre« mit »Unterweisung« übersetzt (na ja) und die widersprüchliche Übersetzung in Jos 1,7 f. wurde verbessert. Das ist gut. Der von mir erhobenen Forderung Gleiches gleich zu übersetzen wurde in diesem Fall nicht entsprochen.
LXX oder MT als Vorlage?
In diesem Beitrag über die Septuaginta hatte ich bemängelt, dass die alte EÜ in hybrider Weise zwischen masoretischem Text und LXX hin und herschwankt. In Gen 4,8 und 13 sowie Gen 6,3 und Dtn 33,6 folgt die revidierte Fassung jetzt fast ausnahmslos dem masoretischen Text. Gut so! Auch die ganz schlechte Übersetzung von Dtn 32,8 wurde repariert. Fein.
Antijudaismus
Wie Kathrin Brockmöller in diesem Interview schon angekündigt hat, wurde die unfassbare Fehlübersetzung von Röm 11,28 repariert, die allen Ernstes aus Israel »Feinde Gottes« gemacht hatte! Auch die falsche Übersetzung von Christus als dem angeblichen Ende der Tora in Röm 10,4 ist richtiggestellt: jetzt ist Christus das Ziel der Tora. Das war überfällig.
Was aber ist mit dem sog. Stürmerspruch? Da wurde nachgebessert, aber so richtig überzeugt mich die jetzige Fassung noch nicht. Sie hat einen Drall, der dem Kontext widerspricht – am besten wäre eine wörtliche Übersetzung. Übrigens: die Frage Jesu aus Lk 10,26 » Was ist im Gesetz geschrieben? Wie liest du?« ist immer noch mit einem doppelten »was« wiedergegeben. Schade.
Walter Kirchschläger hatte schon im März 2013 angekündigt, dass auch die revidierte EÜ an den angeblichen »Antithesen« der Bergpredigt festhalten würde. Das gibt einen ziemlichen Punkte-Abzug.
Projektive Übersetzungen
In Apg 14,23 las die alte EÜ In jeder Gemeinde bestellten sie durch Handauflegung Älteste und empfahlen sie mit Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie nun glaubten.
Daraus macht die Revision: Sie setzten für sie in jeder Gemeinde Älteste ein und empfahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie nun glaubten.
Der griechische Text lautet in NA XXVIII: χειροτονήσαντες δὲ αὐτοῖς κατ’ ἐκκλησίαν πρεσβυτέρους, προσευξάμενοι μετὰ νηστειῶν παρέθεντο αὐτοὺς τῷ κυρίῳ εἰς ὃν πεπιστεύκεισαν. Das Verb χειροτονέω bedeutet »jemanden durch Aufheben der Hand wählen«. Walter Bauer schreibt in seinem Wörterbuch zum NT, dass die Wahl an unserer Stelle durch Paulus und Barnabas erfolgte: »Es handelt sich also nicht um Gemeindewahl, sondern um Auswahl u. Bestallung durch die Apostel.« Diese Revision ist also eine echte Verbesserung.
Vorläufiges Fazit
Die Revision der EÜ hat vieles richtig gemacht – mir kommt vor, im AT noch mehr als im NT. Trotzdem sind Fehler (natürlich) erhalten geblieben. Doch der Umstand, dass diese Fassung mittelfristig im Gottesdienst meiner Kirche ankommen wird und dann die unsäglichen »Jahwe«-Passagen und die Einengung der Adressaten der Briefliteratur auf die »Brüder« ein Ende haben wird, stimmt mich positiv. Auch Junia wird dann zu ihrem Recht gekommen sein. Daher schliesse ich mit einer Kaufempfehlung.
Trotz Ihrer letztlich positiven Bewertung und Kaufempfehlung moechte ich schon sagen, dass es erstaunlich und enttaeuschend ist, dass man offensichtlich fundierte Sprach-/ Kenntnisse von Exegeten ignoriert und nach so langer Vorbereitungszeit wiederum keine perfekte Uebersetzung bzw. Auslegung zustande gebracht hat!
Eine perfekte Übersetzung wird es wohl nie geben. Dazu ist das Übersetzen einfach zu anspruchsvoll. Aber manche Fehler wären doch zu vermeiden gewesen.
Interessant wäre es für mich in diesem Zusammenhang zu wissen, wie im Vergleich zur neuen Einheitsübersetzung die neu bearbeitete Luther-Übersetzung, also die sog. Lutherbibel 2017, dasteht. Kann man von dieser Neuausgabe sagen, dass sie wissenschaftlich präzise übersetzt?
Lieber Frank-Thomas!
Ich bin aus zeitlichen Gründen leider noch gar nicht dazu gekommen, mich mit dieser so wichtigen Revision zu beschäftigen.
Ich hoffe, dass einmal nachreichen zu können …
Oliver