Der an der Universität Marburg lehrende Exeget Lukas Bormann hat 2017 mit seiner »Theologie des Neuen Testamentes« den Ertrag seiner fast vierzigjährigen Forschungstätigkeit vorgelegt – und herausgekommen ist ein etwas mehr als 400 Seiten umfassendes, höchst lesenswertes Buch.
Ausgehend von der spannungsvollen biblischen Rede vom barmherzigen und gerechten Gott, die Liebe und Gerechtigkeit Gottes in Einklang bringen will, entwickelt Bormann einen gut geschriebenen und niemals langweiligen Überblick, der von einer Entwicklungsgeschichte der Theologie des NT über die Welt und Umwelt Jesu, den historischen Jesus, Paulus und seine Schüler, die Logienquelle, die vier kanonischen Evangelien bis zum Hebräerbrief, den katholischen Briefen und der Offenbarung des Johannes führt.
Besonders gefallen hat mir die breite und kritische Rezeption der Forschung auch aus dem angelsächsischen Raum (Dunn, Wright, Bauckham – um nur einige zu nennen). Weil zentrale griechische Schlüssel-Begriffe des NT immer auch in lateinischer Umschrift gebracht werden, ist das Werk auch für des neutestamentlichen Griechisch nicht Kundige gut lesbar. Doch auch vorgebildete Leser und Leserinnen finden eine Fülle von anregenden Perspektiven und Einblicken.
Als geradezu wohltuend empfinde ich die sprachlich immer konziliante, aber in der Sache fundierte Korrektur, die Bormann mehrfach der oft einseitigen Darstellung von Udo Schnelle zuteil werden lässt. Dessen »unnötige Verzeichnung des Judentums« mitsamt der angeblichen »Heilsumkehr« zwischen Judentum und Heidentum, oder der vorgeblichen Überbietung und Ersetzung des Judentums durch das Christentum bei Johannes, die allesamt eine Abhebung Jesu vom Judentum intendieren, werden unpolemisch aufgezeigt und argumentativ richtig gestellt.
Gerade in seiner Paulus-Darstellung lässt Bormann auch Stimmen zu Wort kommen, deren Meinung er nicht teilt: das gibt dem Leser und der Leserin die Chance, verschiedene Positionen wahrzunehmen und bei Interesse mit Hilfe des Literaturverzeichnisses zu vertiefen. Natürlich war ich bei der Lektüre nicht immer mit allem einverstanden (so meine ich, dass Q sehr wohl von einer Passion Jesu weiß – Q 14,27) und das historische Bild Jesu in Kapitel 3 blieb mir manchmal etwas zu blass. Insgesamt aber handelt es sich meiner Meinung nach um ein reifes und ausgewogenes Werk, das allen am Neuen Testament Interessierten eine lohnenswerte Lektüre bietet. Das Buch ist um 25,70.- im österreichischen Buchhandel erhältlich.