Zum neutestamentlichen Kanon des Origenes

Um den neutestamentlichen Kanon ranken sich viele Verschwörungstheorien. Aber es gibt auch Versuche, den Kanonschluss (es wird nichts mehr hinzugefügt und nichts mehr weggenommen) deutlich früher anzusetzen, als mit dem berühmten Osterfestbrief von Bischof Athanasius von Alexandria, der als der erste Zeuge für den abgeschlossenen Kanon gilt. Das war im Jahr 367 n. Chr. 1 Als Kronzeuge einer früheren Datierung wird gerne Origenes genannt.

Aus den Predigten über das Buch Josua

Vor allem diese Passage aus den Predigten über das Buch Josua scheint ein wichtiger Zeuge für eine Frühdatierung zu sein:

Veniens vero Dominus noster Iesus Christus, cuius ille prior filius Nave designabat adventum, mittit sacerdotes Apostolos suos portantes >tubas ductiles<, praedicationis magnificam coelestemque doctrinam. Sacerdotali tuba primus in Evangelio suo Matthaeus increpuit; Marcus quoque, Lucas et Johannes suis singuli tubis sacerdotalibus cecinerunt; Petrus etiam duabus epistolarum suarum personat tubis; Iacobus quoque et Iudas. Addit nihilominus adhuc et Iohannes tuba canere per epistolas suas et Lucas Apostolorum gesta describens. Novissimus autem ille veniens, qui dixit: »puto autem, nos Deus Apostolos novissimos ostendit« et in quattuordecim epistolarum suarum fulminans tubis muros Hiericho et omnes idolatriae machinas et philosophorum dogmata usque ad fundamenta deiecit. (in Lib. lesu Nave Homilia VII, 1 GCS XXX S. 327-328)

Kommt aber unser Herr Jesus Christus, dessen Ankunft dieser frühere Sohn des Nun bezeichnet, schickt er die Priester – seine Apostel – die »aus Metall getriebene Trompeten« tragen, [nämlich] die großartige und himmlische Lehre der Verkündigung. Matthäus ließ die priesterliche Trompete als erster in seinem Evangelium ertönen; auch Markus, Lukas und Johannes bliesen auf ihren eigenen priesterlichen Trompeten; sogar Petrus spielt auf den beiden Trompeten seiner Briefe; auch Jakobus und Judas. Nichtsdestoweniger fügt weiterhin Johannes das Ertönen der Trompete durch seine Briefe und Lukas, indem er die Taten der Apostel beschreibt, hinzu. Als Letzter aber kommt der, der sagt: »Ich meine aber, Gott bietet uns, die Apostel, als Letzte dar« 2 und er reißt mit der blitzenden Trompete seiner vierzehn Briefe 3 die Mauern Jerichos – (das bedeutet) sowohl alle Schaugerüste des Götzendienstes als auch die Meinungen der Philosophen – bis auf die Grundmauern nieder. (Josua Homilien 7,1; MÜ)

Auslegung

Man gewinnt den Eindruck, dass Origenes hier – mit Ausnahme der Offenbarung – den vollständigen Kanon des Neuen Testamentes bietet, und dies immerhin schon Mitte des dritten Jahrhunderts. 4 Im Unterschied zur heutigen Exegese geht er dabei davon aus, dass die Paulusbriefe nicht am Anfang, sondern am Ende der Verschriftlichung des NT stehen. Doch bei der Frage nach dem Kanon ist zu bedenken, dass die Josua-Homilien nur in der Übersetzung Rufins 5 auf uns gekommen sind. Ist es da nicht vorstellbar, dass Rufin ’nachgebessert‘ hat? Aber wenn er das getan hat, warum hat er dann die Offenbarung weg gelassen? 6 Zur Beantwortung dieser Frage hilft vielleicht ein Blick in eine ähnliche Passage aus den Homilien zum Buch Genesis.

Aus den Predigten über das Buch Genesis

Fodit ergo Isaac et novos puteos, immo pueri Isaac fodiunt. Pueri sunt Isaac Matthaeus, Marcus, Lucas, Iohannes; pueri eius sunt Petrus, Iacobus, Iudas, puer eius Apostolus Paulus; qui omnes novi testamenti puteos fodiunt. (in Genes. Homilia XIII, 2: GCS XXIX S. 115-116)

Also gräbt auch Isaak neue Brunnen, ja vielmehr graben (sie) die Knechte Isaaks. 7 Die Knechte des Isaak sind Matthäus, Markus, Lukas, Johannes; seine Knechte sind Petrus, Jakobus, Judas, sein Knecht ist der Apostel Paulus; sie alle graben die Brunnen des Neuen Testamentes. (Genesis Homilien 13,2; MÜ)

Auslegung

Im Anschluss an Joh 8,56 interpretiert Origenes die Aussagen über Isaak in der Genesis so, dass sie eigentlich über Christus sprechen würden. 8 Für ihn ist Grundlage seiner Auslegung, dass »die (Lesungen aus der Genesis), die gelesen werden, geheimnisvoll sind, und durch die Mysterien der Allegorie ausgelegt werden müssen.« 9 Daher seine Rede über die neutestamentlichen Schriftsteller als Knechte Christi. An dieser Liste fällt auf, dass wiederum alle – nach damaligem Verständnis – Autoren des neutestamentlichen Kanons genannt werden. Auch diese Homilie ist nur in der Übersetzung Rufins auf uns gekommen, so dass nicht alle Zweifel beseitigt sind. Wenden wir uns einem dritten Text zu.

Aus der Kirchengeschichte des Eusebius

Bei dem nun folgenden Text sind wir in der komfortablen Lage, nicht nur das griechische Original, sondern auch dessen Übersetzung durch Rufin und eine syrische Übersetzung zur Verfügung zu haben. Das macht die Möglichkeit einer nachträglichen Angleichung höchst unwahrscheinlich, lässt aber auch überprüfen, wie zuverlässig die Übersetzung Rufins ist. Ich biete hier den griechischen und lateinischen Text der Kirchengeschichte mit deutscher Übersetzung (Gr+L) sowie die Fassung der syrischen Version, die allerdings nur in der deutschen Übersetzung (Syr). Die Übersetzung des griechischen Textes des Eusebius stammt von Philipp Häuser aus der BKV. Die Übersetzung der lateinischen Fassung Rufins von mir, der syrische Text wurde von Eberhard Nestle übertragen.

Eusebius zitiert im sechsten Buch seiner Kirchengeschichte die wichtigsten Aussagen des Origenes über den Kanon des NT.

ἐν δὲ τῷ πρώτῳ τῶν εἰς τὸ κατὰ Ματϑαῖον, τὸν ἐκκλησιαστικὸν φυλάττων κανόνα. μόνα τέσσαρα εἰδέναι εὐαγγέλια μαρτύρεται, ὧδέ πως γράφων (HE VI,25,3; GCS IX,2 S. 576)

(Gr) In dem ersten Buche seines Matthäuskommentares bezeugt er in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Kanon, daß er nur vier Evangelien kenne. Er schreibt:

De novi autem testamenti canone in primo libro commentariorum euangelii secundum Mattliaeum hoc modo scribit:

(L) Aber über den Kanon des neuen Testamentes schreibt er im ersten Buch seiner Kommentare zum Evangelium nach Matthäus auf diese Weise:

(Syr) In der ersten Rede aber, welche er schrieb über das Evangelium des MTI, bewahrte er die Kanones der Kirche und bezeugte, dass vier Evangelien nur er kenne. Er schrieb aber so:

ὡς ἐν παραδόσει μαϑὼν περὶ τῶν τεσσάρων εὐαγγελίων, ἃ καὶ μόνα ἀναντίρρητά ἐστιν ἐν τῇ ὑπὸ τὸν οὐρανὸν ἐκκλησίᾳ τοῦ ϑεοῦ, ὅτι πρῶτον μὲν γέγραπται τὸ κατὰ τόν ποτε τελώνην, ὕστερον δὲ ἀπόστολον Ἰησοῦ Χριστοῦ Ματϑαῖον, ἐκδεδωκότα αὐτὸ τοῖς ἀπὸ Ἰουδαϊσμοῦ πιστεύσασιν, γράμμασιν Ἑβραϊκοῖς συντεταγμένον· δεύτερον δὲ τὸ κατὰ Μάρκον, ὡς Πέτρος ὑφηγήσατο αὐτῷ, ποιήσαντα, ὃν καὶ υἱὸν ἐν τῇ καϑολικῇ ἐπιστολῇ διὰ τούτων ὡμολόγησεν φάσκων »ἀσπάζεται ὑμᾶς ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτὴ καὶ Μάρκος ὁ υἱός μου«· καὶ τρίτον τὸ κατὰ Λουκᾶν, τὸ ὑπὸ Παύλου ἐπαινούμενον εὐαγγέλιον τοῖς ἀπὸ τῶν ἐϑνῶν πεποιηκότα· ἐπὶ πᾶσιν τὸ κατὰ Ἰωάννην. “ (HE VI,25,4-6; GCS IX,2 S. 576)

(Gr) „Auf Grund der Überlieferung habe ich bezüglich der vier Evangelien, welche allein ohne Widerspruch in der Kirche Gottes, soweit sie sich unter dem Himmel ausbreitet, angenommen werden, erfahren: Zuerst wurde das Evangelium nach Matthäus, dem früheren Zöllner und späteren Apostel Jesu Christi, für die Gläubigen aus dem Judentum in hebräischer Sprache geschrieben, als zweites das Evangelium nach Markus, den Petrus hierfür unterwiesen hatte und den er in seinem katholischen Briefe als seinen Sohn bezeichnet mit den Worten: »Es grüßt euch die auserlesene Gemeinde in Babylon und Markus, mein Sohn«. Als drittes wurde geschrieben das Evangelium nach Lukas, der es nach Approbation durch Paulus an die Gläubigen aus der Heidenwelt richtete, zuletzt das Evangelium nach Johannes.“

„Ex traditione< , inquit, >didici de quattuor euangeliis, quia haec sola absque ulla contradictione suscipi debent in omnibus quae sub caelo sunt ecclesiis dei. ita etenim tradiderunt patres, quia primo omnium scriptum sit euangelium a Matthaeo, qui aliquando fuerat publicanus, Hebraeicis litteris et traditum his, qui ex circumcisione crediderant, secundum vero scriptum esse a Marco iuxta ea, quae sibi tradiderat Petrus, de quo et in epistula sua commemorat, dicens: »salutat vos filius meus Marcus«. tertium esse secundum Lucam, quod Paulus apostolus conlaudat tamquam his, qui ex gentibus crediderant, scriptum. super omnia vero euangelium esse Iohannis.“

(L) „Aus der Überlieferung< , sagt er, >habe ich von vier Evangelien erfahren, dass sie allein und ohne irgendeinen Widerspruch in allen Kirchen Gottes, die auf Erden sind, angenommen werden müssen. Und so haben die Väter überliefert, dass als erstes von allen ein Evangelium von Matthäus geschrieben wurde, der einstmals ein Steuerpächter gewesen war, und zwar in hebräischen Buchstaben und denen überliefert, die aus der Beschneidung zum Glauben gekommen waren; das zweite (Evangelium) aber sei von Markus geschrieben worden, entsprechend dem, was ihm Petrus überliefert hatte, woran er in seinem Brief erinnert, wenn er sagt: »es grüßt euch mein Sohn Markus« (1 Petr 5,13). Das dritte (Evangelium) sei das nach Lukas, das der Apostel Paulus lobte, weil es angeblich für die, die aus den Völkern gläubig waren, geschrieben wurde. Am Ende von allen stehe das Evangelium des Johannes.“

(Syr) „Von Überlieferung (nämlich) habe ich gelernt über die vier Evangelien, dass sie allein sind ohne Zweifel in der ganzen Kirche Gottes, welche unter dem Himmel ist Und zuerst zwar schrieb MTI, er, der von früher Zöllner war und zuletzt Apostel Jesu Christi wurde. Seine Schrift war aber war für diejenigen, welche glaubten aus dem Judentum, mit hebraischen Buchstaben. Der zweite aber Markus, er,der schrieb, wie ihm Petrus erzählte, er, den er mein Sohn nennt in dem katholischen Briefe, als er schrieb: »es grüsst euch die Kirche, die erwählt ist wie ihr, die von Babel und Markus mein Sohn. Drittens aber das Evangelium des Lukas, er den Paulus liebt, der der Knecht war denen, welche glaubten aus den Völkern. Und nach allen des Johannes.“

καὶ ἐν τῷ πέμπτῳ δὲ τῶν εἰς τὸ κατὰ Ἰωάννην Ἐξηγητικῶν ὁ αὐτὸς ταῦτα περὶ τῶν ἐπιστολῶν τῶν ἀποστόλων φησίν (HE VI,25,7; GCS IX,2 S. 576)

(Gr) Im fünften Buche seines Kommentares zum Johannesevangelium äußert sich Origenes über die Briefe der Apostel also:

De apostolicis quoque litteris ita dicit:

(L) Auch über die apostolischen Briefe spricht er folgendermaßen:

(Syr) Und in der fünften Erklärung, welche er machte über das Evangelium des Johannes, sagte er über die Briefe der Apostel so

ὁ δὲ ἱκανωϑεὶς διάκονος γενέσϑαι τῆς καινῆς διαϑήκης, οὐ γράμματος, ἀλλὰ πνεύματος, Παῦλος, ὁ πεπληρωκὼς τὸ εὐαγγέλιον ἀπὸ Ἱερουσαλὴμ καὶ κύκλῳ μέχρι τοῦ Ἰλλυρικοῦ, οὐδὲ πάσαις ἔγραψεν αἷς ἐδίδαξεν ἐκκλησίαις, ἀλλὰ καὶ αἷς ἔγραψεν, ὀλίγους στίχους ἐπέστειλεν. Πέτρος δέ, ἐφ‘ ᾧ οἰκοδομεῖται ἡ Χριστοῦ ἐκκλησία, ἧς πύλαι Ἅιδου οὐ κατισχύσουσιν, μίαν ἐπιστολὴν ὁμολογουμένην καταλέλοιπεν. ἔστω δὲ καὶ δευτέραν· ἀμφιβάλλεται γάρ. τί δεῖ περὶ τοῦ ἀναπεσόντος ἐπὶ τὸ στῆϑος λέγειν τοῦ Ἰησοῦ, Ἰωάννου, ὃς εὐαγγέλιον ἓν καταλέλοιπεν, ὁμολογῶν δύνασϑαι τοσαῦτα ποιήσειν ἃ οὐδ‘ ὁ κόσμος χωρῆσαι ἐδύνατο, ἔγραψεν δὲ καὶ τὴν Ἀποκάλυψιν. κελευσϑεὶς σιωπῆσαι καὶ μὴ γράψαι τὰς τῶν ἑπτὰ βροντῶν φωνάς; καταλέλοιπεν καὶ ἐπιστολὴν πάνυ ὀλίγων στίχων, ἔστω δὲ καὶ δευτέραν καὶ τρίτην· ἐπεὶ οὐ πάντες φασὶν γνησίους εἶναι ταύτας· πλὴν οὔκ εἰσιν στίχων ἀμφότεραι ἑκατόν. “ (HE VI,25,7-10; GCS IX,2 S. 576+578)

(Gr) „Paulus , der befähigt worden war, dem Neuen Bunde nicht des Buchstabens, sondern des Geistes 10 zu dienen, und der das Evangelium von Jerusalem und Umgebung bis Illyrien vollendet hat, 11 schrieb keineswegs an alle Gemeinden, die er unterwiesen hatte, ja er richtete auch an die, welchen er schrieb, nur einige Zeilen. Petrus, auf den die Kirche Christi gebaut ist, welche von den Toren der Hölle nicht überwältigt werden wird, 12 hat nur einen allgemein anerkannten Brief hinterlassen. Er mag noch einen zweiten hinterlassen haben, doch wird derselbe bezweifelt. Johannes endlich, der an der Brust Jesu gelegen, hinterließ ein Evangelium und gestand in demselben, er könnte so viel schreiben, daß es die Welt gar nicht zu fassen vermöchte. 13 Er schrieb die Apokalypse, nachdem er den Auftrag erhalten hatte, zu schweigen und die Stimmen der sieben Donner nicht niederzuschreiben. 14 Auch hinterließ er einen Brief von ganz wenigen Zeilen. Auch noch einen zweiten und dritten Brief mag er geschrieben haben, dieselben werden jedoch nicht allgemein als echt anerkannt. Beide Briefe zählen indes keine hundert Zeilen.“

„Is vero, qui idoneus factus est minister novi testamenti, non litterae, sed spiritus, Paulum dico, qui replevit euangelium ab Hierusalem in circuitu usque ad Illyricum, nec ad omnes ecclesias, quas docuerat, scripsit, sed quattuordecim solas epistolas et in ipsis plures brevissimas scribit. Petrus vero, super quem Christi fundatur ecclesia, duas tantummodo epistulas scribit, e quibus a nonnullis et de secunda dubitatur. Iohannes quoque, qui supra pectus domini recubuit, post euangelium scribit et Apocalypsin, in qua tamen reticere iussus est, quid septem tonitruorum locutae sunt voces. scripsit autem et tres epistulas, in quibus duae perbreves, de quibus et apud quosdam dubia sentntiae (!) est.“

(L) „Der aber, der befähigt wurde, ein Diener des Neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes (zu sein), ich rede von Paulus, der das Evangelium von Jerusalem in der Umgebung bis nach Illyrien erfüllte, schrieb nicht an alle Kirchen, die er unterwiesen hatte, sondern bloss vierzehn Briefe, und von denen schreibt er mehrere sehr kurze. Petrus aber, auf den die Kirche Christi gegründet ist, schreibt lediglich zwei Briefe, von denen der zweite von einigen bezweifelt wird. Auch Johannes, der an der Brust des Herrn bei Tische lag, er schrieb nach dem Evangelium auch die Offenbarung, in der man ihm befahl zu verschweigen, was die Stimmen der sieben Donner gesprochen haben. Ausserdem schrieb er drei Briefe, von denen zwei sehr kurz sind, über die bei einigen Zweifel bei der Beurteilung bestehen.“

(Syr) „Des Paulus (nämlich), welcher gewürdigt wurde zu sein der Diener des Neuen Testaments, nicht das Schrift, sondern dessen, das im Geist, er der erfüllte das Evangelium von Jerusalem bis ALVRIQVS auch allen Kirchen Gottes in ihnen schrieb er Briefe, sondern auch (eben) die, die er schrieb, klein sind ihre Worte. Petrus aber, über den gebaut ist die Kirche Christi, sie, die die Riegel der Scheol nicht überwältigen, einen Brief nur hinterliess er, den die Kirche bekennt; es sei aber auch 2 (ein zweiter?), weil über ihn Zweifel ist. Was aber sollen wir sagen über Johannes, den, der an der Brust Jesu lag, der ein Evangelium nur hinterliess, indem er bekennt, dass er viele machen könnte, für welche die Welt nicht genügen würde. Er schrieb aber auch die Offenbarung und wurde befohlen, dass er schweige und nicht schreibe die Stimmen dieser Donner. Er hinterliess aber auch einen Brief, dessen Worte klein sind. Es sei aber ein zweiter und dritter, weil nicht jedermann bekennt, dass sie von ihm sind. Doch aber nicht ist in beiden auch nicht 100 Worte.“

ἔτι πρὸς τούτοις περὶ τῆς Πρὸς Ἑβραίους ἐπιστολῆς ἐν ταῖς εἰς αὐτὴν Ὁμιλίαις ταῦτα διαλαμβάνει (HE VI,25,11; GCS IX,2 S. 578)

(Gr) In seinen Homilien zum Hebräerbrief äußert sich Origenes über denselben also:

(L) (Dieser Textabschnitt fehlt bei Rufin)

(Syr) Er sagte aber wieder über den Brief der Hebräer, indem er ihn erklärte:

ὅτι ὁ χαρακτὴρ τῆς λέξεως τῆς Πρὸς Ἑβραίους ἐπιγεγραμμένης ἐπιστολῆς οὐκ ἔχει τὸ ἐν λόγῳ ἰδιωτικὸν τοῦ ἀποστόλου, ὁμολογήσαντος ἑαυτὸν ἰδιώτην εἶναι τῳ λόγῳ, τοῦτ‘ ἐστὶν τῇ φράσει, ἀλλ‘ ἐστὶν ἡ ἐπιστολὴ συνϑέσει τῆς λέξεως Ἑλληνικωτέρα, πᾶς ὁ ἐπιστάμενος κρίνειν φράσεων διαφορὰς ὁμολογήσαι ἄν. πάλιν τε αὖ ὅτι τὰ νοήματα τῆς ἐπιστολῆς ϑαυμάσιά ἐστιν καὶ οὐ δεύτερα τῶν ἀποστολικῶν ὁμολογουμένων γραμμάτων, καὶ τοῦτο ἂν συμφήσαι εἶναι ἀληθὲς πᾶς ὁ προσέχων τῇ ἀναγνώσει τῇ ἀποστολικῇ.

(Gr) „Jeder, der Stile zu unterscheiden und zu beurteilen versteht, dürfte zugeben, daß der Stil des sog. Hebräerbriefes nichts von jener Ungewandtheit im Ausdruck zeigt, welche der Apostel selber eingesteht, wenn er sich als ungeschickt in der Rede, d. i. im Ausdruck, bezeichnet, 15 daß der Brief vielmehr in seiner sprachlichen Form ein besseres Griechisch aufweist. Daß die Gedanken des Briefes Bewunderung verdienen und hinter denen der anerkannten Briefe des Apostels nicht zurückstehen, dürfte ebenfalls jeder als richtig zugeben, der mit der Lektüre des Apostels vertraut ist.“

„quamvis et nonnulli de ea, quae ad Hebraeos scripta est, dubitaverint, pro eo quod non videatur in ea servari eius illa sententia, quam de se ipse pronuntiat, dicens se inperitum esse sermone.“

(L) „wenn auch manche an dem (Brief), der an die Hebräer geschrieben wurde, gezweifelt haben, dementsprechend dass durch ihn jenes Urteil über ihn nicht aufrecht erhalten zu werden scheint, das er über sich selbst gefällt hat, in dem er sagt, dass er unerfahren in der Ausdrucksweise sei“ (vgl. 2 Kor 6,11).

(Syr) „Das Siegel des Wortes des Briefes der Hebräer, nicht idiotisch ist seine Erklärung, wie der Apostel bekennt in seinem Wort über sich selbst (2 Kor. 11,6), dass er Idiot war in seinem Wort; geschickt nämlich ist dieserBrief in der Zusammensetzung des Wortes in der griechischen Sprache mehr als die andern Briefe des Apostels; und es bekennt jeder, der gestimmt ist zu beurteilen die Unterschiede der Erklärungen. Wieder aber die Sinne, die in ihm sind, sind wunderbar und nicht geringer als diejenigen, welche der Apostel schrieb. Und dass dies wahr ist, stimmt jeder zu, der schaut auf die Lesung des Apostels.“

τούτοις μεϑ‘ ἕτερα ἐπιφέρει λέγων (HE VI,25,13; GCS IX,2 S. 578)

(Gr) Später bemerkt Origenes noch:

(L) (Dieser Textabschnitt fehlt bei Rufin)

(Syr) Und nach diesem fügt er hinzu und sagt:

ἐγὼ δὲ ἀποφαινόμενος εἴποιμ‘ ἂν ὅτι τὰ μὲν νοήματα τοῦ ἀποστόλου ἐστίν. ἡ δὲ φράσις καὶ ἡ σύνϑεσις ἀπομνημονεύσαντός τινος τὰ ἀποστολικὰ καὶ ὥσπερ σχολιογραφήσαντός τινος τὰ εἰρημένα ὑπὸ τοῦ διδασκάλου. εἴ τις οὖν ἐκκλησία ἔχει ταύτην τὴν ἐπιστολὴν ὡς Παύλου. αὕτη εὐδοκιμείτω καὶ ἐπὶ τούτῳ· οὐ γὰρ εἰκῇ οἱ ἀρχαῖοι ἄνδρες ὡς Παύλου αὐτὴν παραδεδώκασιν. τίς δὲ ὁ γράψας τὴν ἐπιστολήν. τὸ μὲν ἀληϑὲς ϑεὸς οἶδεν, ἡ δὲ εἰς ἡμᾶς φϑάσασα ἱστορία ὑπὸ τινῶν μὲν λεγόντων ὅτι Κλήμης, ὁ γενόμενος ἐπίσκοπος Ῥωμαίων, ἔγραψεν τὴν ἐπιστολὴν. ὑπὸ τινῶν δὲ ὅτι Λουκᾶς, ὁ γράψας τὸ εὐαγγέλιον καὶ τὰς Πράξεις.

(Gr) „Ich aber möchte offen erklären, daß die Gedanken vom Apostel stammen, Ausdruck und Stil dagegen einem Manne angehören, der die Worte des Apostels im Gedächtnis hatte und die Lehren des Meisters umschrieb. Wenn daher eine Gemeinde diesen Brief für paulinisch erklärt, so mag man ihr hierin zustimmen. Denn es hatte seinen Grund, wenn die Alten ihn als paulinisch überliefert haben. Wer indes tatsächlich den Brief geschrieben hat, weiß Gott. Soviel wir aber erfahren haben, soll entweder Klemens, der römische Bischof, oder Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, den Brief geschrieben haben.“ (HE VI,25,13-14; GCS IX,2 S. 578+580)

„sed ego dico, sicut mihi a maioribus traditum est, quia manifestissime Pauli est, et omnes maiores nostri eam ut Pauli epistulam susceperunt. si vero requiras a me, per quem sit eius sermo conpositus, pro certo quidem deus viderit, opinio tamen, quae ad nos usque pervenit, huiusmodi est: a quibusdam dicebatur, quod Clemens apostolorum discipulus et episcopus urbis Romae Graeco eam sermone, non tamen sensibus expoliverit, alii quod Lucas, qui euangelium scripserit et Actus apostolorum.“

(L) „Ich aber sage, wie mir von den Vorfahren überliefert worden ist, dass er ganz offensichtlich von Paulus ist, und alle unsere Vorfahren ihn wie einen Paulus-Brief aufgefasst haben. Wenn du aber von mir erfragst, von wem seine Ausdrucksweise verfasst wurde, was allerdings mit Sicherheit nur Gott erkennt, so ist doch die Meinung, die bis auf uns gekommen ist, dieser Art: einige sagen, dass Clemens, der Schüler der Apostel und Bischof der Stadt Rom, ihn in griechischer Ausdrucksweise, nicht aber dem Sinn nach verfeinert hat, andere, dass es Lukas (war), der das Evangelium und die Apostelgeschichte geschrieben hat.“

(Syr) „Ich (nämlich) entscheide und sage: die Sinne, welche in diesem Brief sind, sind des Apostels, die Deutung aber des Worts und die Zusammensetzung ist von einem, der sich erinnerte dessen, was der Apostel sagte; und wie ein Jünger schrieb er das, was sein Lehrer sagte. Welche Kirche also, in welcher dieser Brief ist, wie wenn er der Apostel sei, die sollen ihn halten. Wer aber diesen Brief in Wahrheit schrieb, Gott nur weiss es. Die Geschichte aber kam zu uns wegen seiner, dass es giebt, die sagen: QLMIS scbrieb ihn, der welcher gesagt wird, dass er war Bischof der Kirche von Rom; andre aber sagten: Lukas schrieb ihn, der welcher das Evangelium und die Praxis schrieb.“

Auslegung

Auffällig ist der deutliche Unterschied zwischen der griechischen Vorlage und der Übersetzung des Rufin. Während die syrische Übersetzung sich großteils wörtlich an den Text des Eusebius hält, nimmt sich Rufin etliche Freiheiten heraus, nicht nur, indem er die Reihenfolge des Textes in seiner Übertragung umstellt und viele Sätze einfach auslässt.

  • Rufin bringt die Zahl von 14 paulinischen Briefen ein, die Eusebius nicht hat.
  • Er spricht von zwei Petrusbriefen, obwohl Origenes bei Eusebius nur einen akzeptiert.
  • Die Zweifel des Origenes an zwei der drei Johanneischen Briefe unterdrückt er.
  • Allerdings ergänz Rufin den Jakobus und Judas nicht.
  • Rufin macht den (seiner Meinung nach ursprünglichen) Hebräerbrief zweifelsfrei zu einem Werk des Paulus, das macht Origenes nicht.

Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen vermute ich, dass die so wunderbar vollständige Kanonliste aus dem Josua-Homilien von Rufin ordentlich nachgebessert wurde. Er dürfte die Zahl der 14 paulinischen Briefe genauso eingetragen haben, wie die Namen Jakobus und Judas und den zweiten Petrusbrief. So kann ich von Harnacks Aussage nicht bestätigen, der schrieb »daß schon hundert Jahre vor Athanasius der Kanon der 27 Schriften – tendenziöse Bezweiflung der Offenbarung Johannis abgerechnet – in Alexandrien und Caesarea bestanden hat.« 16 Aber: es ist schon erstaunlich, wie weit der Kanon gediehen war: die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, das Corpus Paulinum (ohne den Hebräer), der erste Petrusbrief. Umstritten waren eben der Hebräer und vielleicht die Offenbarung, unsicher der zweite Petrus und der Judasbrief sowie zwei von den Johannesbriefen. Ein kaiserlicher Eingriff zur Entscheidung der Kanonfrage war da nicht nötig, wie ich noch zeigen werde.

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  1. Zeitangabe nach Martin Ebner/Stefan Schreiber: Einleitung in das neue Testament² S. 32
  2. 1 Kor 4,9
  3. Zum Corpus Paulininum zählen die sieben Proto-Paulinen, die drei Deutero-Paulinen, die drei Pastoralbriefe und der Hebräerbrief.
  4. Nach Rowan Williams (unter Berufung auf Eusebius HE VI,36,1) erlaubte Origenes erst ab 246, dass seine Homilien mitstenografiert wurden. (TRE XXV, S. 402)
  5. Rufin von Aquilea lebte circa 345 – 410 (s. Charles Kannengiesser: Handbook of Patristic Exegesis, S. 1134)
  6. Nach dem kritischen Apparat fehlen die Worte »et apocalypsin« in den Handschriften – siehe GCS XXIX S. 115
  7. Siehe Gen 26,15-33
  8. Siehe den Anfang von Homilie X über die Genesis.
  9. »Quae leguntur mystica sunt, in allegoricis exponenda sunt sacramentis.« (in Genes. Homilia X,1; GCS XXIX S. 93)
  10. 2 Kor 3,6
  11. Röm 15,19
  12. Mt 16,18
  13. Joh 21,25
  14. Offb 10,4
  15. 2 Kor 11,6
  16. Adolf von Harnack: Der kirchengeschichtliche Ertrag der exegetischen Arbeiten des Origenes zum Hexateuch und Richterbuch. In: Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur XLII,2 S. 12

Ein Gedanke zu „Zum neutestamentlichen Kanon des Origenes“

  1. Danke für die interessante Darlegung. Aber leider scheint ja gerade auch Euseb nicht gerade Quelle der Zuverlässigkeit …

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