Wenn Jesus für eine Aussage besonders bekannt ist, dann die, seinen Nächsten so zu lieben wie sich selbst (Lev 19,18; Mt 22,39; Mk 12,31; Lk 10,27). Da ist es einigermaßen verstörend, in Lk 14,26 zu lesen:
Wenn einer kommt zu mir und nicht hasst seinen Vater und seine Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern und auch noch sein eigenes Leben, nicht kann er sein mein Schüler (Ü: Münchner NT).
Da erheben sich doch einige Fragen.
Ist die Aussage richtig übersetzt?
Antwort: Ja. Das hier von Lukas verwendete Verb μισέω bedeutet hassen, mit Hass verfolgen, verabscheuen. In diesem Sinne wird das Verb in der Ilias verwendet, wo Zeus die Vorstellung verabscheut, dass der Leichnam des Patroklos den Hunden vorgeworfen werden solle (Il XVII, 272). Auch im sonstigen NT ist die Bedeutung klar: Wer sagt, er sei im Licht, aber seinen Bruder hasst, (μισέω) ist noch in der Finsternis (1 Joh 2,9; EÜ).
Gibt es textkritische Bedenken?
Antwort: Nicht wirklich. Statt μισεῖ τὸν πατέρα ἑαυτοῦ = seinen Vater hasst lesen einige Zeugen μισεῖ τὸν πατέρα αὐτοῦ, was dasselbe bedeutet. Statt ἔτι τε καὶ = und auch noch lesen etliche Zeugen ἔτι δὲ καὶ, was wieder nur einen Buchstaben Unterschied ausmacht und ja mehr noch auch heisst – vom Sinn her also keinen Unterschied ergibt. Der Ausdruck οὐ δύναται εἶναί μου μαθητής = kann nicht mein Schüler sein wird von manchen Textzeugen mit den selben Worten, nur in einer anderen Reihenfolge angeordnet, geboten – auch hier ergibt das keinen andere Sinnspitze der Aussage.
Kann es sein, dass das Wort gar nicht auf Jesus zurückgeht?
Antwort: Wohl kaum. Der Umstand, dass Matthäus das Logion ebenfalls überliefert hat, während es bei Markus fehlt, lässt darauf schließen, dass beide Evangelisten es aus der Logienquelle Q übernommen haben, einer älteren Sammlung von Aussprüchen Jesu1. Dass Matthäus das Verb μισέω = hassen durch wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich ersetzt und die Aussage über den Selbsthass weggelassen hat, deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass Lukas die ursprünglichere, radikalere Fassung bewahrt hat. 2 Schwierige Aussagen werden in der Regel nicht erfunden, sondern weggelassen oder abgemildert. Das tut zum Beispiel die Einheitsübersetzung, die das hassen in Lk 14,26 einfach mit der matthäischen Formulierung wiedergibt.
Steht dieses Wort nicht im Widerspruch zu der sonstigen Verkündigung Jesu?
Antwort: Ja und Nein. Ja, das Wort steht in eklatantem Widerspruch zum Gebot der Nächstenliebe und ist von Jesus meiner Meinung nach auch bewusst so formuliert worden. Meiner Erfahrung nach ist bei solchen greifbaren Widersprüchen in der Bibel der Widerspruch die Botschaft 3. Jesus stößt seine Zuhörer und damit auch uns heutige Lesende absichtlich vor den Kopf. Dieser Ausspruch generiert Aufmerksamkeit. Und nein, das Wort passt generell in die Aussagen Jesu zur Familie, die wir in der synoptischen Tradition finden.
Jesus über die Familie
In einer weiteren Parallelüberlieferung (Mt 19,29; Mk 10,29; Lk 18,29) – die den jesuanischen Ursprung des Wortes unterstreicht – heißt es:
Amen, ich sage euch: keiner verließ Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker wegen meiner und wegen des Evangeliums, ohne dass er erhält Hundertfaches, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen, und im kommenden Aion ewiges Leben (Mk 10,29-30; Ü: Münchner NT).
Die radikale Form der Jesusnachfolge beinhaltet also das Verlassen der Familie. Dazu passt auch das folgende Jesus-Wort aus Mt 12,46-50; Mk 3,31-35; Lk 8,19-21:
Und es kommen seine Mutter und seine Brüder; und sie standen draußen, sandten zu ihm und riefen ihn. Und eine Volksmenge saß um ihn her; sie sagten aber zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen suchen dich. Und er antwortete ihnen und spricht: Wer sind meine Mutter und meine Brüder? Und er blickte umher auf die um ihn im Kreise Sitzenden und spricht: Siehe, meine Mutter und meine Brüder! Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. (Mk 3,31-35; Ü: Elberfelder)
Nur bei Markus findet sich diese Notiz, die Matthäus und Lukas ausgelassen haben:
Und er ging nach Hause. Wieder versammelte sich das Volk, so dass sie nicht einmal etwas Brot essen konnten. Als seine Verwandten das hörten, kamen sie herbei, um ihn wegzuschleppen. Sie sagten nämlich: ‚Er hat den Verstand verloren‘. (Mk 3,20-21; Ü: BigS)
Es ist gut zu sehen, dass die Bedeutung der Familie im Umkreis Jesu eine Bedeutungsverschiebung erfährt: weg von der biologischen Familie hin zu der Familie Gottes (wer den Willen Gottes tut, ist meine Familie). Jesus ging dabei soweit, von seinen Anhängern – zumindest zeitweise – das Zurücklassen der Familie zu verlangen, um ihm auf seinem Weg zu folgen. 4
Alttestamentlicher Hintergrund
Im Segen des Moses in Dtn 33,9 wird über den Priester-Stamm Levi gesagt:
הָאֹמֵר לְאָבִיו וּלְאִמֹּו לֹא רְאִיתִיו וְאֶת־אֶחָיו לֹא הִכִּיר וְאֶת־בָּנֹו לֹא יָדָע כִּי שָֽׁמְרוּ אִמְרָתֶךָ וּבְרִֽיתְךָ יִנְצֹֽרוּ׃
Der von seinem Vater und von seiner Mutter sagt: ‚Ich habe ihn nicht gesehen‘ und seinen Brüdern ‚ich habe keine Rücksicht genommen‘; und seinen Sohn kannte er nicht. Denn sie haben dein Wort bewahrt und deinen Bund haben sie gehalten (Dtn 33,9; MÜ)
Die zelotische Rücksichtslosigkeit gegenüber der Familie, die wohl auf die Szene in Ex 32,26 ff. anspielt, wird von Jesus bildhaft auch in dem Wort eingespielt, das ebenfalls aus der Logienquelle Q stammen dürfte (Mt 10,34-36; Lk 12,51-53) und das ich hier in der Fassung des Matthäus wiedergebe:
Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. (Mt 10,34-36; EÜ)
Auch bei diesem Ausspruch bewegen wir uns auf festem historischen Boden, was die Urheberschaft Jesu angeht. 5 Es wird sogar ein roter Faden sichtbar, was diese Worte über die Familien betrifft.
Zu ergänzen ist noch, dass die problematischen Konsequenzen der Jesus-Nachfolge für eine Familie auch in dem bei allen Synoptikern überlieferten Wort Mt 24,10; Mk 13,12; Lk 21,16, hier im Kontext bevorstehender Verfolgungen, angesprochen werden:
Und es wird ein Bruder den andern dem Tod preisgeben und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören gegen die Eltern und werden sie töten helfen. (Mk 13,12; Ü: Luther)
Fazit
Wie kann man diese radikalen Aussagen Jesu heute verstehen? Sie sind provozierend und frustrierend zugleich. Provozierend, weil sie so ganz anders daherkommen, als man es von Jesus gewohnt ist. Frustrierend, weil sie sich ausschließlich an seine Anhänger und Anhängerinnen wenden. Was bedeuten diese Worte dann für Menschen mit Familien und Kindern? Kann man Jesus nur ehelos nachfolgen? Wohl kaum, denn dann hätte das Christentum nicht bis heute überlebt. Doch ein Stachel bleibt – und ich vermute, dass das Absicht ist.
Nachtrag vom 30. März 2021:
Auch das vierte Evangelium kennt diese Tradition, was ihre Authentizität unterstreicht: „Wer sein Leben lieb hat, der wird es zugrunde richten; doch wer sein Leben haßt (μισέω) in dieser Welt, der wird es zu unendlichem Leben bewahren.“ (Joh 12,25; Ü: Fridolin Stier)
Sehr geehrter Herr Achilles!
Ihre Auslegungen dieser uns verstörenden Verse von Jesus sind sehr umfassend und ausgewogen.
Mir scheint es, dass Jesus wohl eine gestörte Beziehung zu seiner Familie hatte, deren Ursache wir nicht kennen, über die wir nur spekulieren können (Pantera-Problem). Dass Maria unter dem Kreuz stand, ist auch nur bei Johannes zu lesen, historisch aber völlig unwahrscheinlich aufgrund der Entfernung von Nazareth (ca. 150km). Es ist zudem kennzeichnend, dass die Evangelien nicht über eine Erscheinung des auferweckten Jesus vor seinen Geschwistern, nicht einmal vor seiner Mutter berichtet. Und in der Apostelgeschichte ist von Maria erst nach der „Himmelfahrt“ Jesu die Rede. Ob sie an Pfingsten überhaupt anwasend war ( in der Apostelgeschichte heißt es nur „alle“)bleibt offen, zeugt aber von der geringen Bedeutung Mariens als Mutter Jesu. In der Frühphase des Christentums spielt sie also gar keine Rolle, was doch sehr erstaunt, wenn man an das Magnificat und die Ankündigung des Erzengels durch denselben Autor denkt.
Kurzum, von einer Heiligen Familie kann m.E. beim historischen Jesus keine Rede sein.
Desgleichen spielt die Familie Jesu auch bei Paulus überhaupt keine Rolle. Maria wird nicht einmal mit Namen erwähnt. Die spätere dogmatische Erhöhung Mariens zur „jüngfräulichen Gottes-mutter“ ist also völlig abhängig von der dogmatischen Bestimmung Jesu. Ihre Bedeutung ist rein theologischer Natur ohne historische Grundlage.
Fazit: Als Christ muss man mit den Unklarheiten und Widersprüchen im Leben Jesu leben. Je mehr man aber das Mensch-Sein Jesu betont und ihm Irrtum (Naherwartung des Weltendes), Widersprüchlichkeit (Feindesliebe vs. Familienhass) und ethische Überforderung (radikaler Verzicht auf Besitz, ,Verzicht auf Widerstand gegen Gewalt: „rechte Wange“) zubilligt, umso eher kann man seine Menschenfreundlichkeit hinsichtlich der Armen und Kranken sowie seine Hinwendung zu den Frauen überzeugend herausarbeiten. Und das ist von zeitloser Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Rump
P.s Es wäre interessant zu erfahren, wie in der Antike die jüdische Rechtssprechung im Fall von kör-perlicher Gewalt aussah. Jesus setzt einseitig auf die Ethik des Gewaltverzichts, m.E. eine für eine Gesellschaft viel zu idealistische Forderung. Überhaupt, was sagt die moderne Psychologoe zu den Geboten der Bergpredigt?
Danke für Ihren langen Kommentar, der Ihre persönliche Auslegung zur Fragestellung wiedergibt, mit der Sie sich offensichtlich intensiv beschäftigt haben.
Von meiner Seite dazu nur ein paar Anmerkungen/Ergänzungen:
+ Ich sehe kein historisch belastbares Pantera-Problem, aber darüber sollte ich einmal einen Beitrag schreiben.
+ Eine Ostererscheinung des Herrenbruders Jakobus wird durch Paulus in 1 Kor 15,7 erwähnt.
+ Ich gehe mit Francois Bovon (EKK III/1/S. 70) und Ulrich Luz (EKK I/1 S. 143) davon aus, dass Lukas und Matthäus bei ihrer jeweiligen Darstellung der Verkündigung auf ihnen bereits vorliegende Traditionen zurückgegriffen haben.
+ Aus Apg 1,14 und 2,1 kann zumindest geschlossen werden, dass bei Lk die Mutter des Herrn beim Pfingstfest dabei war.
+ Zu Ihrem letzten Punkt – hier geht es um die alte Frage: »Wem gilt die Bergpredigt?« Gerhard Lohfink hat darüber 1993 ein leider vergriffenes Buch geschrieben, aber man bekommt es noch antiquarisch.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Achilles
Das mit der Vaterschaft des römischen Besatzungssoldaten Panthera steht doch bei Kelso im Aletes Logos! Kelsos war nicht nur Arzt, sondern auch Historiker und hatte Zugang zu den Verwaltungsarchiven des Römischen Reiches. Warum soll ausgerechnet er spekuliert haben, wenn doch auch die ältesten Quellen des Neuen Testament erst ab dem Jahr 65 entstanden sein sollen?
Zu Kelsos und dem Panthera-Gerücht habe ich mich ausführlich hier geäußert.
Und die ältesten Schriften des NT – das sind die Paulusbriefe – entstehen ab dem Jahr 50. Ihre Zeitannahme ist sicher falsch.
Wie kommt man darauf, dass die Paulusbriefe aus dem Jahr 50 sind?
So kommt man darauf, dass sie in den 50er Jahren geschrieben wurden.
Die Kernaussage ist eher Vermeidung der Ablenkung. Frau, Kinder und deren Wünsche lenken ab. Genau wie der Mann am Pflug zurückschauen möchte, sich nicht konzentrieren kann. Wer zu den Zwölfen zählen möchte, kann sich eine solche Ablenkung nicht leisten. Denke das Zölibat hat auch eine solche Daseinsberechtigung. Bin selbst Familienvater und interpretiere das für mich so. Andere Stellen in der Bibel berichten auch von Jungfräulichkeit die noch besser sei. Evtl. kann nur so eine gewisse Reinheit vor Gott bewahrt werden.
Die Zwölf waren alle verheiratet (1 Kor 9,5) – möglicherweise auch Paulus selbst. Welche konkreten Stellen in der Bibel meinen Sie?
P.s. Ich erlaube mir noch einen weiteren Kommentar. Jesu Aufforderung, den eigenen Vater und die eigene Mutter ggfs. zu hassen, damit die Nachfolge möglich wird, mag überspitzt formuliert sein. Nichtsdestotrotz steht sie im eklatanten Widerspruch zum 4. Gebot (die Eltern zu ehren). Jesus stellt also die Nachfolge im Extremfall über Gottes 4. Gebot. So viel Ich-Bezogenheit (Aufruf, sein Schüler zu werden) verstört wegen seiner Intoleranz. Entsprechend unterstellt er in der Peri-kope Mk 3, 31-35, dass seine Familie eben nicht Gottes Willen tut. Weil sie ihn nicht hat ziehen lassen, weil sie seine Berufswahl, Wanderprediger (neudeutsch: ein Guru) zu werden, ablehnt? Natürlich ist nach unserem heutigern Verständnis jedes Kind frei, seinen Beruf zu wählen. Aber das gibt ihm noch kein Recht, seine Eltern öffentlich zu verunglimpfen. Daher kann ich diese familien-feindlichen Aussagen nicht mit dem Bekenntnis der frühen Christen unter einen Hut bringen, Jesus sei der „Messias“ (Johannes), „Sohn des himmlischen Vaters“ (Lukas), der „Herr“ (Paulus) und anderen christologischen Hoheitstiteln.
Sehr geehrter Herr Achilles!
Vielen Dank für die Ausführungen auf dieser Seite, das Wort „hassen“ hat mich hergeführt, der frag-würdige Widerspruch zu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Mein Zugang ist das praktische Leben und die Frage, wie die in den Evangelien berichteten Worte und Taten auf uns wirken. Da finde ich so überzeugende Ansichten und Formulierungen, dass ich über deren zeitlose Gültigkeit staune. So dachte ich, „hassen“ kann hier nur bedeuten, dass ein erwachsener Mensch die Wünsche der Eltern weniger zwingend empfinden soll als seine inneren Notwendigkeiten.
Man sollte sich selbst treu bleiben. Die eigenen Talente einsetzen ist so wichtig – was kann erfüllender sein? Wer würde heute verlangen, dass ein erwachsener Mensch den Eltern folgen soll, wenn es im Widerspruch zum eigenen Empfinden steht? Lebens-Beispiele zeigen, wie glücklich man werden kann, wenn man sich selbst treu bleibt, und wie unglücklich, wenn man sich unterordnet. Etwa, weil ein „einfacher“ Beruf in einer Familie mit hohem Status zu minder erscheint.
So habe ich im „Hassen“ ein Zurückstellen der Elternwünsche gesehen, falls diese sich gegen meine Lebenswünsche stellen. Und damit eine richtige Aussage zur Lebenspraxis, auch zeitgemäß, trotz ihres Alters. Die Wortbedeutung „verabscheuen“ passt da auch, denn wenn die Eltern auf etwas bestehen, das ich nicht will, bin ich bald beim Verabscheuen dessen, was mir da aufgezwungen werden soll. Auch in dem von Ihnen zitierten Beispiel aus der Ilias geht es um das Verabscheuen einer Tat. In diesem Bild wird nicht gehasst, hier distanziert sich jemand (offenbar und nachvollziehbar angewidert) von einer Handlungsweise. Man könnte das auch nüchtern distanzieren nennen. Ist so eine nüchternere Sicht durch etwas widerlegt?
Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Schwarz
Wir können nicht zwei Herren gleichzeitig dienen. Wer das versucht wird den einen lieben und den anderen hassen.
(oder heute: wenn wir uns verzetteln gelingt uns keine unserer Aufgaben)
Wenn man versucht, sein Leben nach der Devise „Was würde Jesus tun?“ auszurichten, findet man im Prinzip immer die richtigen Antworten. Meist genügen hierfür seine zur jeweiligen Situation passenden gesprochenen Worte. Nebenbei bemerkt lernt man dann Jesus im Zusammenhang mit alltäglichen (menschlichen) Problemen und dem Umgang damit immer besser kennen. Immerhin unterlag seine menschliche Natur, die er neben der göttlichen besaß, auch den irdisch-menschlichen Gesetzen, deren Probleme er somit sehr gut kannte. Seine göttliche Natur befähigte ihn zur Darlegung von Lösungen, die den Eintritt in die geistige Welt ermöglichen. Lukas 14,26 bzw. abgemildert Matthäus 10,37 ist aus meiner Sicht insofern logisch, wenn man die Hauptaussage Jesu „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36) zum Maßstab nimmt. Der von ihm stammende weiterführende Hinweis in die richtige Richtung ist dann in Matthäus 10,34 enthalten: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Gemeint ist das Schwert der Trennung von der materiellen Welt, um Zugang zur geistigen Welt zu erhalten. Auf die heutige Zeit übersetzt, würde ich nicht mehr sagen: „So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein“, sondern in etwa: So jemand zu mir kommt und lehnt nicht ab seine materiell verhaftete Lebensweise und die seiner Familie, der kann nicht mein Schüler sein.
Warum spricht Jesus in seiner Aufzählung der Familie von der man sich trennen soll nie vom Ehemann? Es heisst dort immer : Vater, Mutter, Weib usw
Was meint Jesus wenn er sagt: wer nicht sein Kreuz …… kann nicht mein Nachfolger sein?
Was ist MEIN Kreuz? Sind das meine schwierigen Lebensumstände? Meint das eben die Trennung von Familie?
Danke für Aufklärung.
Warum werden diese Worte so wortwörtlich genommen? Handelt es sich nicht um eine spirituelle Schrift? Müssen wir deshalb nicht versuchen, diese Worte im geistigen, übertragenen Sinne zu verstehen? Wie kommt man auf die Idee , dass Jesus, der Christus, Gottes Sohn, der Sohnesgott, psychische Probleme gehabt haben könnte? Wie profan wäre das denn?
Aber, wer ist Jesus? Er selbst sagt von sich: ich bin der Weg die Wahrheit und das Leben. Und an anderer Stelle sagt er: suchet die Wahrheit, denn die Wahrheit macht euch frei. Was hindert uns nun daran die Wahrheit zu finden? Sind es nicht die Vorstellungen, Glaubensmuster, Meme und Narrative, die wir von unseren Eltern (und der Gesellschaft) übernommen haben, die wir lieb gewonnen haben (Ehefrau) oder gar selbst gezeugt haben (Kinder) – um die Wahrheit finden und erkennen zu können, müssen wir diese ablegen, hassen. Nur so ist es möglich Jesus nachzufolgen und nur wer dazu bereit ist, kann sein Jünger sein.
So ist es meiner Meinung nach auch zu verstehen, wenn er sagt, dass er nicht gekommen sei, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert, denn um die Wahrheit muss gekämpft und nicht verhandelt werden, da es nur eine Wahrheit gibt und daneben nur unterschiedliche Stufen der Unwahrheit=Lüge. Die Schärfe des Schwertes trennt haarscharf Lüge von der Wahrheit.
Sag mir jemand, dass das nicht stimmt!?
Ihre Antwort knüpft an eine uralte Tradition an, die letztlich bis auf die Homer-Exegese der Griechen zurückgeht. Ein anstößiger Text verbirgt in sich eine eigentliche, tiefere Bedeutung und kann unter Zuhilfename anderer Textstellen aus dem gleichen Werk erklärt werden. Origenes sah sich zu dieser typologischen und allegorischen Auslegung durch das Vorbild des Apostels legitimiert (1 Kor 10,6; Gal 4,24). Die große Frage aber bleibt die nach dem wörtlichen, dem Literalsinn. Ist es vorstellbar, dass Jesus bzw. die Evangelisten in Vorstellungen wie „Glaubensmuster“, „Meme“ und „Narrative“ gedacht haben? Die Antwort auf diese historische Rückfrage scheint mir bei der Bewertung Ihrer Auslegung entscheidend zu sein.
Der Text wird verkehrt gedeutet. Jeder, der hasst, kann nur sein Schüler sein. Er meint damit, daß er nur dem, der hasst etwas von der Liebe beibringen kann. Der der liebt, ist schon gerettet. Ein Lehrer kann nur einem Schüler den richtigen Weg zeigen, nicht aber dem, der den richtigen Weg schon kennt.
Du sollst den Nächsten lieben, wie dich selbst
Was du nicht willst, was man dir tut, das füge keinem anderen zu.
Wenn alle sich lieben, der Hass und Neid verschwunden ist, dann ist das Himmelreich auf Erden.
Eine kreative Auslegung.
Aber mich persönlich überzeugt sie nicht – was machen Sie dann mit der Fortsetzung in der Lukas Fassung: „Welcher nicht trägt sein Kreuz und geht hinter mir her, nicht kann er sein mein Schüler.“ (Lk 14,27) Ist man kein Schüler Jesu mehr, wenn man sein Kreuz trägt? Und bleibt Jesus nicht *der* Lehrer – Mt 23,10?
Danke für den schönen Überblick. Als Ärztin und Therapeutin finde ich die Polarisierung sehr heilsam. Wir Menschen sind polare Wesen und es ist wichtig, dass der Hass, den wir natürlicherweise vor allem in der Kindheit auch gegen unsere Eltern empfinden nicht abgespalten sondern integrieren werden darf. . Das Zitat Jesu gibt dazu die Absolution und dass ist heilsam, weil wir dadurch in unserer Kraft bleiben können!
Sandra Tod, Ihnen ist schon bewusst, dass es hier nicht um eine Aussage an Kinder handelt? Hier geht es um erwachsene Menschen und darum, dass diese keine Nachfolger sein können, sprich keine Christen, wenn sie nicht ihre Familien hassen – auch ihre Kinder/ihre Ehefrauen. Und der Text geht noch weiter. Menschen, die dies nicht tun, werden von Jesus als kraftloses Salz bezeichnet, das weggeworfen gehört. Ich weiß nicht, ob das Ganze psychologisch betrachtet so gesund ist. Darüber hinaus macht es deutlich, dass all die Menschen, die sonntags die Kirche besuchen, beten, ihre Bibeln lesen etc. keine Schüler/Nachfolger/Christen sind, wenn sie ihre Verwandten/Frauen/Kinder und auch ihr eigenes Leben nicht hassen.
Liebe Dorothee,
wenn Du Recht hättest, wären alle liebevollen Familienchristen, die von ganzem Herzen an Jesus Chrisus glauben, verloren und zu ewiger Höllenqual verdammt. Dann hätten nur noch hasserfüllte Einsiedler eine Chance auf das ewige Leben. Wenn das wirklich so wäre, müssten wir unseren Glauben an einen liebenden , gnädige Gott ernsthaft hinterfragen. Hier ist etwas gewaltig schief im Schriftverständnis.
Interessante Ausführungen. Ich bin hier gelandet, weil mich interessierte, ob die Variante mit dem Hassen wirklich authentisch ist.
Ich denke, man muß diese Worte Jesu im Kontext der autoritären Erziehung sehen, die damals noch völlig ungebrochen war und erst im 20. Jahrhundert wirklich infrage gestellt wurde. Die eigenen Eltern verkörpern leider häufig eine große Lebensfeindlichkeit, die viele Menschen um den Preis ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit verdrängen.
Jesus spricht sich nicht umsonst radikal für die größtmögliche Liebe zum Kind aus (Matthäus 18), was in völligem Gegensatz zu den damaligen Erziehungsprinzipien stand und auch heute noch in vielen Ländern steht. Die Mehrheit der heute lebenden Menschen wurde als Kind geschlagen. Von der psychischen Gewalt will ich gar nicht reden.
Daher sagt Jesus meines Erachtens unmißverständlich: Du mußt deine Eltern hassen lernen. Das heißt, der in der Kindheit verdrängte Haß, die natürliche Reaktion des Kindes auf Mißhandlungen, also die natürlichen Gefühle sollten wiederentdeckt werden, statt die Eltern zu idealisieren.
Kinder sind seelisch gesund (siehe Matthäus 18), während Erwachsene die Deformierungen ihrer eigenen Kindheit durch die autoritäre Erziehung an ihre eigenen Kinder weitergeben. Man kann Jesus daher nicht folgen, wenn man seine Eltern weiter idealisiert und ihre Erziehungsprinzipien verteidigt.
Jesus drückt ganz allgemein viele Wahrheiten der Tiefenpsychologie in einfachen Worten aus. Ich empfehle die Bücher von Alice Miller. Dann wird man die Worte und auch die Geschichte Jesu besser verstehen.
Daß seine Worte manchmal widersprüchlich sind, hängt wohl damit zusammen, daß er ja keine erschöpfenden, professoralen Abhandlungen über das Leben von sich gab, sondern sich sehr einfach und situativ ausdrückte. Das Leben ist ja sehr ambivalent und vielschichtig. Und deshalb können widersprüchliche Aussagen in unterschiedlichen Kontexten durchaus wahr sein.
Ich kann den hier geschilderten radikalen Worten Jesu durchaus etwas abgewinnen, da man ja doch durchaus ein Pseudo-Leben führt mit zweifelhaften Werten. Unsere gesamte Gesellschaft richtet sich ja an zweifelhaften Werten aus, die dann irgendwie rationalisiert werden.
Sein eigenes Leben zu hassen kann durchaus sinnvoll sein.
Was die Eltern betrifft, heißt es ja in den Zehn Geboten: Du sollst Vater und Mutter ehren – ehren – nicht lieben. Mir ist das leider erst sehr spät aufgefallen. Wäre es mir früher aufgefallen, hätte ich mich viel leichter von meinen Eltern lösen können, und wir hätten weit weniger gestritten
Man kann natürlich immer viel interpretieren wenn man solche harten Aussagen Jesu liest. Für mich als überzeugten Christen ist die Bedeutung der Stelle recht klar. Dass man seine Familie (Vater, Muter, …) im wörtlichen Sinne hasst steht im Widerspruch zur restlichen Bibel und auch zu den Lehren Jesu. Das ist natürlich nicht gemeint. Was Jesus hier meint ist, dass wir Ihn mehr lieben sollen, als alles andere. (Auch/Sogar unsere engste Familie uns unser eigenes Leben) Im Verhältnis zu unserer Liebe zu Jesus sollen wir Familie und Leben „hassen“. Wenn uns Jesus und sein Reich nicht wichtiger ist, als alles andere auf dieser Welt, können wir nicht seine Jünger sein. Nichts anderes haben die biblischen Jünger damals getan, sie haben alles (auch Frauen, Familien, …) verlassen und sind Jesus nachgefolgt.
Wenn das nicht der Fall ist, werde ich Entscheidungen in meinem Leben fällen, bei denen ich mich nicht in erster Linie an Jesus orientiere.
Danke für Ihre Interpretation. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sie auch noch am biblischen Text belegen.
Schade, dass Sie in Ihrem Artikel zwar Mt 10,34-36 zitieren, aber nicht die Verse 37-39, die ja sehr deutlich parallel zum hier diskutierten Vers Lk 14,26(+27) sind:
„37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. 38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. 39 Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden!“
Wie bei der Lukasstelle geht es hier sowohl um die nächsten Verwandten als auch um einen selbst. Es wird deutlich, dass man Jesus mehr lieben muss als diese und sogar als sich selbst bzw. sein eigenes Leben.
Ich habe die Verse nicht weggelassen: „Dass Matthäus das Verb μισέω = hassen durch wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich ersetzt und die Aussage über den Selbsthass weggelassen hat, deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass Lukas die ursprünglichere, radikalere Fassung bewahrt hat“. Und genau das ist das Problem.
Es gibt mehrere Stellen im neuen Testament, die die Interpretation Manuels in Bezug auf radikale Trennung für die Nachfolge Jesu unterstützen, z. B.
Lukas 9,62: „Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ oder
Matthäus 8, 21-22: „Ein anderer aber, einer seiner Jünger, sprach zu ihm: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus spricht zu ihm: Folge mir nach und lass die Toten ihre Toten begraben!“ – auch hier mit Bezug zur Familie.
Die „familienfeindlichen“ Aussagen erstaunen besonders, wenn man bedenkt, welch hohen Stellenwert die Familie in der jüdischen Kultur und ganz allgemein im Orient auch heute noch hat. Schalom Ben-Chorin schreibt (in „Bruder Jesus“ S. 70): „…die Ehrung der Eltern galt gleich der Ehrung Gottes (b. Kidduschin 30b). Die Verunehrung der Eltern aber galt wie Gotteslästerung…(b. Kidduschin 31a).“
In Bezug auf das Wort „hassen“ in Lukas 14,26 möchte ich aber nochmal auf die Frage der Übersetzung zurückkommen. Da die Worte Jesu ursprünglich nicht auf griechisch überliefert wurden, finde ich den Verweis auf den Sprachgebrauch der Ilias nicht ganz passend. Wir wissen nicht, welches Wort Jesus tatsächlich an dieser Stelle verwendet hat und wie es von seinen unmittelbaren Zuhöreren verstanden wurde.
Dazu noch ein Vermerk zu Lukas 14,26 von Pinchas Lapide (in „Ist die Bibel richtig übersetzt?“ S. 123): „Nur wer sich daran erinnert, dass ´hassen´ in der hebräischen Bibel häufig den Sinn von ´hintansetzen, weniger lieben, geringschätzen´ hat, wobei das Kontrastwort ´lieben´ den Sinn von ´vorziehen, Vorliebe haben´ besitzt, wird der Aussageabsicht Jesu gerecht.“
Analog dazu sehe ich die Auslegung der drei Wurzelgifte in der Buddhistischen Ethik: „Gier, Hass und Verblendung“. Jeder dieser Begriffe lässt sich allein schon durch idiolektische wie soziolektische Prägungen unterschiedlich deuten und wird demgemäß auf unterschiedliche Gefühls-, Verstandes- und Handlungsebenen wirken. So ist eben „hassen“ nicht gleich „hassen“, „Gier“ nicht gleich „Gier“ und „Verblendung“ nicht gleich „Verblendung“.
Ich halte mich an Aussagen oder Auslegungen von Simone Weil. Ihre Worte sind für mich lebendiges Wasser. Nach ihr geht es bei diesem Satz um ein generelles Prinzip des Loslassens. Kinder lieben ihre Eltern und schauen zu diesen auf. Wenn man nicht in der Lage ist loszulassen, besteht wohlmöglich die Gefahr, dass die Seele zerissen wird.
„Two ways of killing ourselves: suicide or detachment.
To kill by our thought everything we love: the only way to die.
Only what we love, however (‘He who hateth not his father and
mother . . .’ but: ‘Love your enemies . . .’).
Not to desire that what we love should be immortal. We
should neither desire the immortality nor the death of any
human being, whoever he may be, with whom we have to do.“
Meine persönliche Erfahrung ist, dass spirituelle Sinnsuche nicht ins Paradies führt, sondern das Bewusstsein für die verdrängten und verborgenen Horror in der äußeren oder inneren Welt (oder beides) öffnet. Dies ist wohl auch das Grundprinzip des Christentums, das Kreuz eben. Dessen war ich mir lange Zeit nicht bewusst und habe in einer Traumwelt gelebt…
Zu U.D., Juni 2021:
In Erläuterungen des jüdischen Bibelwissenschaftlers Pinchas Lapide („Ist die Bibel richtig übersetzt?“) las ich einmal, dass die hebräische Sprache sehr bilderreich ist und vieles auch im übertragenen Sinn gemeint sei – unabhängig von Jesu Provokationen und seinem Wachrütteln-Wollen. Oder durchaus auch von seiner Radikalität. So z.B. sagte er auch: „Wenn dich deine rechte Hand verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre“ (Mt 5,30).
Mit Jesu radikaler Forderung betr. der Familie setze ich mich gerade wieder auseinander. Die lateinischen Kirchenoberen reiten diesbezgl. ja nur auf dem Zölibat herum. Jesus sprach aber von der ganzen Familie, von Vater, Mutter usw. Nicht nur von der Ehefrau bzw. vom Ehemann.
Seit 2 Jahren weiß ich nun, dass der Zwangszölibat, den es ja nur i. d. lat. Kirche gibt, unter Drohungen u. mit Macht u. Gewalt von den Reformpäpsten, 11./12.Jh., endgültig durchgepeitscht wurde. Ich stieß auf eine historisch fundierte, wenig bekannte Arbeit einer Mittelalterhistorikerin von 2018, die erhaltene Originalschriften dieser Päpste auswertete. Verheiratete Priester mit ihren Familien wurden gnadenlos verfolgt. So z.B. in dem weitaus noch unbekannten Zölibatskrieg von Mailand im 11.Jh.
Eine weitere blutige Geschichte der machtbesessenen lat. Kirche, die offenbar wurde.
Allerdings wird mir auch Jesus selbst fremder…
Dr. Juliana Bauer
Ich vergaß die Arbeit der Mittelalterhistorikerin, Professorin an der Universität Zürich anzugeben:
Zey, Claudia, Ohne Frauen und Kinder. Askese, Familienlosigkeit und Zölibat in den Streitschriften des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Saeculum 68/II (2018)
Claudia Zey zitierte in umfassenden Anmerkungen minutiös aus dem päpstlichen Schriftwechsel nicht nur in deutscher Übersetzung, sondern auch in der Originalsprache Latein
Falls dieser interessante Blog weiter gelesen wird – ich bin ja auch gerade darauf gestoßen – noch ein Gedanke zu Manuel, Februar 2021:
Er geht an einer Stelle auf das „Verlassen der Familie“ durch die Jünger Jesu ein. Was ich nie verstand – bis ich mich mal intensiver mit diesen u. weiteren biblischen Textstellen befasste. Gerade auch vor dem Hintergrund dessen, dass Jesus der Ehescheidung eine klare Absage erteilte u. er Mann u. Frau als „einen Leib“ sah, dass er auch das Liebesgebot für den Mitmenschen so hochhielt, war für mich diese Sache unerklärlich u. auch unverzeihlich.
Dann stieß ich durch Zufall auf diese Paulusworte: „Aber haben wir nicht auch das Recht, eine Schwester als Ehefrau mit uns zu führen wie die andern Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas? (1 Kor 9,5. Worte, die ich nie in einer Kirche hörte, x andere Texte aus den Paulusbriefen ja… Eben alle jene, die nicht an den lat. Klerikern kratzten…Doch nie diesen. Auch z.B. nicht jenen aus dem Brief an Timotheus über den – verheirateten – Bischof: 1 Tim 3,1-5). Ich verglich den griech. Urtext von 1 Kor 9,5 mit Übersetzungen sowie mit Erläuterungen von Theologen. Es handelt sich um die Ehefrauen der Apostel, im Urtext „gynaika“ genannt (dem lat. „uxor“ entsprechend).
Die Apostel verließen ihre Frauen eben nicht auf Dauer, sie nahmen sie sogar auf ihre Missionsreisen mit. Auch der Besuch im Haus von Petrus, wo Jesus von der geheilten Schwiegermama bedient wurde, spricht gegen die „Tatsache“ des grundsätzlichen Verlassens. Die Jünger ließen die Familie zurück, als sie mit Jesus durch die Lande zogen. Sie gaben letztlich ihren Beruf u. dann ihr angenehmes Zuhause auf, ja. Aber von ihrer Frau wollten sie sich nicht definitiv trennen, ihre Frau wollten Petrus u. die „anderen Apostel“ ganz offensichtlich in ihrer Nähe haben.
Die Apostel u. ihre Frauen folgten also Jesus, gemeinsam, als Ehepaar nach. Sie stellten Jesus gemeinsam in den Mittelpunkt ihres Lebens. So z.B. auch das Ehepaar Prisca und Aquila, enge Mitarbeiter von Paulus für das Reich Gottes.
Das Verb „verlassen“ hat sicher auch die Bedeutung von „loslassen“, d.h. etwas Ungutes lassen wie auch sich nicht festbeißen an etwas wie an Haus und Hof, aber sich auch nicht auf Menschen fixieren, auf die Familie fixiert sein, sondern als Jünger Jesu ihm und Gott den Vorzug zu geben. Dem ersten Gebot folgend: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, aus deinem ganzen Herzen…“
Auf das das zweite Gebot, das Gebot der Liebe zum Nächsten, gleichrangig folgte.