Rezension zu Markus Tiwald: Die Logienquelle. Text, Kontext, Theologie

Dieses Werk von Markus Tiwald, Professor für Neues Testament an der Universität Duisburg-Essen, ist ziemlich aktuell beim Kohlhammer-Verlag erschienen. Das Vorwort des Verfassers datiert vom Mai 2016.

Rein äußerlich macht das Buch einen sehr positiven Eindruck, da hat der Verlag, wie bei Das Frühjudentum (Kohlhammer-Verlag 2015) richtig gute Arbeit geleistet, was die Lesbarkeit und das angenehme Schriftbild angeht. Das war bei Tiwalds Werk über Paulus (Hebräer von Hebräern. Paulus auf dem Hintergrund früh-jüdischer Argumentation und biblischer Interpretation. Herder-Verlag 2008) leider nicht so.

Was Tiwald mit diesen beiden genannten Vorgänger-Bänden schon gezeigt hat, kommt auch seinem Werk über die Logienquelle zu Gute: Er ist ein ausgezeichneter Kenner der jüdischen Umwelt Jesu, weiß um die Qumran-Texte und hat nicht nur Philo und Josephus gelesen. So ist es eine echte Wohltat, einen deutschsprachigen Autor zu lesen, der keine antijüdischen Stereotypen pflegt und über das Judentum der Zeitwende informiert ist – leider keine Selbstverständlichkeit. Als »Q-bie« – so die ironische Selbstbezeichnung der Forscher zur Logienquelle Q – überblickt er naturgemäß auch die Veröffentlichungen des englischen Sprachraums zum Thema und ist nicht in der exegetischen Blase des deutschen Sprachraums gefangen.

Das Buch bietet auf etwas mehr als 200 Seiten eine kurze Einführung in die synoptische Frage, liefert eine deutsche Übersetzung des rekonstruierten Q-Textes, bereitet den Kontext von Q auf (Ort, Zeit, Gemeinde und Verfasser von Q) und schildert deren Theologie. Alles das mit offener und ehrlicher Diskussion der kritischen Fragen, die an das Q-Projekt selber gerichtet wurden. Damit meine ich etwa den schönen Beweisgang, den Tiwald auf Grund seiner schon erwähnten Kenntnisse erbringt, dass die Logienquelle nicht das Ergebnis eines hermeneutischen Zirkelschlusses ist.

Gut gefallen hat mir ebenfalls Tiwalds zu Recht sehr kritisch ausgefallene Diskussion des angeblichen kynischen Einflusses auf die Jesus-Bewegung in diesem Band. Womit wir beim Thema theologische Würdigung wären. Ich meine, dass die kritischen Rückfragen Larry Hurtados an die »Q-bies« dieser Forschungsrichtung sehr gut getan haben (vgl. die entsprechenden Passagen in »Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in earliest Christianity« S. 217 ff.) Das war wohl nicht immer angenehm – könnte das der Grund sein, dass Hurtado nur mit einem Aufsatz im Literaturverzeichnis aufscheint?

Doch sein Einfluss ist merkbar – Tiwald behauptet nicht, dass Q eine Art Original-Ton von Jesus-Aussagen bietet, sondern unterstreicht den interpretativen und bereits deutenden Charakter der Spruchsammlung. Dass er Q eine Christologie absprechen möchte – er spricht lieber von Jesus-Gläubigkeit, weil Q den Christus-Titel nicht verwendet – hat mich weniger überzeugt, aber ich kann mit seiner Position gut leben. Doch da hat Hurtado meiner Meinung nach die stärkeren Argumente.

Erfreulich ist diesmal die Preisgestaltung des Verlages: Um vertretbare 29,80.- bekommt man ein sehr gut und sorgfältig gemachtes Buch, das Theologen wie interessierten Laien einen hervorragenden Einblick in die spannende Welt der Logienquelle und ihrer Erforschung bietet: daher meine unbedingte Kauf-Empfehlung. Für eine zweite Auflage noch ein Hinweis: Das Jubiläenbuch wurde sicher nicht um 160 n. Chr. verfaßt (S. 97, FN 191)

Ein Gedanke zu „Rezension zu Markus Tiwald: Die Logienquelle. Text, Kontext, Theologie“

  1. Besonders angenehm ist auch der klare Aufbau und die kurzen Kapitel, die das Lesen dieses spannenden Buches sehr erleichtern.
    Danke für den guten Tipp!

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