Noch einmal ein Beitrag zur Auslegung Gen 22 – der Bindung Isaaks. Der Widder spielt in dieser Geschichte eine nicht ganz unwesentliche Rolle, und es ist erstaunlich, was die Rabbinen alles über ihn heraus fanden. Ich kann hier nur auf einen Aspekt eingehen, das Beispiel findet sich in dem haggaddischen Werk Pirqe de Rabbi Eliezer, Günther Stemberger datiert es auf das 9. Jh., »wiewohl es sich auf eine Fülle älterer Traditionen stützt«. 1 Hier findet sich in Kapitel XXXI folgender Abschnitt, ich zitiere nach dieser Ausgabe.
ױשא אברהם את עיניו ױרא והנה איל
מה עשה האיל
פשט את ידו בטליתו של אברהם
הביט אברהם וראה את האיל ולקח אותו והתירו והקריבו תחת יצחק
שנאמר ױלך אברהמ ױקח את האיל ױעלהו לעולה תחת בנו׃
»Da erhob Abraham seine Augen und sah – und siehe: ein Widder«. (Gen 22,13)
Was tat der Widder?
Er streckte seine Pfote aus nach dem Gebetsmantel Abrahams.
Und Abraham schaute und er sah den Widder und er nahm ihn und löste ihn und brachte ihn dar an Stelle Isaaks.
Denn es heißt: »Und Abraham ging und nahm den Widder und und brachte ihn als Brandopfer dar an Stelle seines Sohnes.« (Gen 22,13)
(MÜ)
Michelangelo Merisi da Caravaggio
Als ich den Text entdeckte, musste ich sofort an die berühmte Darstellung durch Caravaggio (1571-1610) denken. Gewinnt man hier nicht auch den Eindruck, dass der Widder sich Abraham förmlich aufdrängt?
Eine direkte Abhängigkeit von der genannten Auslegungstradition kann ich aber – anders als bei dem Beispiel von Rembrandt – nicht annehmen.
Auch die Mischna geht auf diesen Widder ein. Gemäss Avot 5,9 wurden 10 Sachen am Rüsttag des Sabbats vor Sonnenuntergang geschaffen, und zwar die Öffnung der Erde, die Öffnung des Brunnens, der Mund der Eselin, der Regenbogen, das Manna, der Stab, der Schamir, die Schrift, die Gesetzestafelschrift (man beachte hier diese Differenzierung !), und die Tafeln. Einige sagen: Auch dir schädlichen Geister, das Grab des Moses und der Widder unseres Stammvaters Abraham ( ואילו של-אברהם ).