Noch ein herausfordernder Abschnitt aus dem ersten Testament: Abraham will seinen Sohn Isaak opfern (Gen 22). In einer Kurzserie will ich einige Beobachtungen zum Text und daraus folgende Deutungen vorstellen.
Der Kontext
Wie bei allen biblischen Erzählungen ist der Kontext wichtig. Von Ludger Schwienhorst-Schönberger habe ich gelernt, dass die Schreiber der biblischen Texte von einem Leser/einer Leserin ausgehen, die der Erzählung von vorne nach hinten folgen – und nicht isoliert einen Abschnitt aus seinem Zusammenhang reißen.
Ein Blick in Kapitel 21 von Genesis macht deutlich, dass der ideale Leser mit der Rettung Isaaks in Kapitel 22 rechnen muss – denn er hat vorher von der Rettung Ismaels erfahren. Irmtraud Fischer hat die hohen sprachlichen Übereinstimmungen und gleichlautenden Schlüsselwörter in den beiden Kapitel des Buches herausgestellt.
Von daher ist die Überschrift „die Opferung Isaaks“ zu diesem Abschnitt der Bibel sachlich falsch – denn Isaak wird nicht geopfert, sondern gerettet. In der jüdischen Auslegungstradition wird daher von der „Bindung Isaaks“ gesprochen (Gen 22,9).