Die Bibel in der Hand von Donald Trump

Im Zuge der Unruhen nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis durch vier weiße Polizisten ließ Präsident Trump friedliche Demonstranten vor dem Weißen Haus mit Tränengas vertreiben und posierte mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche neben seinem Amtssitz, die bei Ausschreitungen beschädigt worden war.


Seit der Lektüre des Buches »The American Religion« von Harold Bloom weiß ich, dass es hier nicht um die Bibel geht oder gar um deren Inhalte. Das Buch in der Hand des Präsidenten ist ein bloßer Fetisch. Was sich hier ausdrückt, hat ganz viel mit John Milton, Ralph Waldo Emerson und William James zu. Wem Cane Ridge, Mrs. Eddy oder The Southern Baptist Convention nichts sagt, wird sich schwertun, einzuordnen, was hier passiert. Trump ist letztendlich ein radikaler Vertreter des gnostisch-manichäischen amerikanischen Orphismus, den Bloom so überzeugend beschrieben hat – und findet damit einen enormen Widerhall in großen Teilen der US-amerikanischen Gesellschaft. Dabei geht es – entgegen der europäischen Tradition – nicht um Dogmen oder Glaubensbekenntnisse.

So creedless is the american religion that it needs to be tracked by particles rather than by principles.

Doch niemand diesseits des Atlantiks sollte den Fehler machen, zu unterschätzen, wie gekonnt dieser Präsident hier auf der Klaviatur der amerikanischen Seele spielt. Seine Botschaft an seine Wähler ist: Wir sind das von Gott erwählte Volk – das größte Volk auf Erden – und wir werden diesen Anspruch, den die Anderen verraten und verkauft haben, niemals aufgeben.

Das hat nichts mit den Inhalten der Bibel zu tun, weshalb die Regierung dieses Präsidenten sich sogar beschwerdefrei auf sie berufen zu können meint, wenn sie Kleinkinder ihren Eltern wegnimmt und in Käfige sperrt.

Religious criticism and prophecy are two names for the same activity of the spirit. (Harold Bloom)

Ein Gedanke zu „Die Bibel in der Hand von Donald Trump“

  1. Vielleicht könnte man das Buch von Harold Bloom zur Pflichtlektüre für jene Kräfte in unserer Kirche machen, die seit relativ kurzer Zeit den Kontakt zu den Freikirchen suchen (und leider auch finden).
    Übrigens: ich erinnere mich mit Entsetzen an Zeitungsbilder von H.C. Strache mit einem Kreuz in der erhobenen Hand – auch da sehe ich keinerlei Zusammenhang mit den von ihm vertretenen Inhalten und dem Symbol, das er hochhob.

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