Hier noch ein weiterer Beitrag zu diesem Thema. Diesmal geht es um Aussagen des Gaius Tranquillus Suetonius (geb. ca. 70 n. Chr., Todesjahr unbekannt). Sie finden sich in seinen Kaiserbiographien (De vita Caesarum), die er nach seiner Entlassung aus der kaiserliche Zentralverwaltung ab 111 geschrieben haben dürfte.
In seiner Biographie Neros (37 – 68 n. Chr.) bestätigt Sueton die Angaben des Tacitus über die Christenverfolgung dieses Kaisers:
Multa sub eo et animadversa severe et coercita nec minus instituta : adhibitus sumptibus modus ; publicae cenae ad sportulas redactae ; interdictum ne quid in popinis cocti praeter legumina aut holera veniret, cum antea nullum non obsonii genus proponeretur ; afflicti suppliciis Christiani, genus hominum superstitionis novae ac maleficae ; (Nero, XVI) 1
»Unter ihm wurde vieles streng geahndet und bestraft, aber auch (neu) eingerichtet: das Maß für Ausgaben wurde verringert; öffentliche Ausspeisungen auf Spenden reduziert; verboten wurde, dass etwas in Gaststätten Gekochtes verkauft wurde, mit Ausnahme von Hülsenfrüchten und Kohl, während vorher jede Art von Hauptgericht zum Kauf angeboten wurde; die Christen wurden zur Todesstrafe verurteilt, ein Menschenschlag mit einem neuen und schädlichen Aberglauben.« (MÜ)
Das Klaudius Edikt
In seiner Biographie des vergöttlichten Kaisers Claudius (Divus Claudius) berichtet er über Anordnungen des Kaisers (10 v. – 54 n. Chr.), die unterschiedliche Gruppierungen und Einrichtungen betrafen:
Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit. (…) Druidarum religionem apud Gallos dirae immanitatis et tantum civibus sub Augusto interdictam penitus abolevit; contra sacra Eleusinia etiam transferre ex Attica Romam conatus est, templumque in Sicilia Veneris Erycinae vetustate conlapsum ut ex aerario pop. R. reficeretur, auctor fuit. Cum regibus foedus in Foro icit 2 porca caesa ac vetere fetialium praefatione adhibita. (Divus Claudius, XXV) 3
»Die Juden, die durch den Anstifter Chrestus unablässig in Unruhe waren, verbannte er aus Rom. (…) Er hob den Kult grauenhafter Unmenschlichkeit der Druiden bei den Galliern auf, der unter Augustus nur (römischen) Bürgern völlig verboten war; dagegen bemühte er sich, die eleusischen Mysterien aus Attika nach Rom zu übertragen, und der wegen Alters baufällige Tempel der Venus Erycina in Sizilien sollte aus der Staatskasse des römischen Volkes wiederhergestellt werden. Mit Königen schloss er Bündnisse auf dem Forum, wobei ein Schwein geschlachtet und die alte Einleitungsformel der Fetiale 4 verwendet wurde.« (MÜ)
Der Unruhestifter Chrestos
Merkwürdig bleibt Suetons Angabe über den Unruhestifter (impulsor) Chrestus. Es klingt so, als habe sich der in Rom aufgehalten, und dort die Unruhen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft ausgelöst. Möglicherweise ist hier also ein Jude namens Chrestus gemeint, da Sueton in seiner Nero Biographie von christiani – Christen redet.
Eine andere Deutung: Sueton interessiert sich für die innerjüdischen Auseinandersetzung so wenig wie für gallische Druiden. Ihm ist nur wichtig, dass die Juden aus Rom vertrieben wurden. Hinter den genannten Unruhen standen vielleicht wirklich Auseinandersetzungen unter den Juden Roms über den bereits viele Jahrzehnte vorher gekreuzigten Jesus.
Die Bestätigung in der Apostelgeschichte
Wie auch immer, in der Apostelgeschichte des NT findet sich eine direkte Bestätigung der Ausweisung der römischen Juden unter Claudius:
1 ⸀Μετὰ ταῦτα ⸀χωρισθεὶς ἐκ τῶν Ἀθηνῶν ἦλθεν εἰς Κόρινθον.
2 καὶ εὑρών τινα Ἰουδαῖον ὀνόματι Ἀκύλαν, Ποντικὸν τῷ γένει, προσφάτως ἐληλυθότα ἀπὸ τῆς Ἰταλίας καὶ Πρίσκιλλαν γυναῖκα αὐτοῦ διὰ τὸ ⸀διατεταχέναι Κλαύδιον χωρίζεσθαι πάντας τοὺς Ἰουδαίους ⸀ἀπὸ τῆς Ῥώμης, προσῆλθεν αὐτοῖς,
3 καὶ διὰ τὸ ὁμότεχνον εἶναι ἔμενεν παρʼ αὐτοῖς καὶ ⸀ἠργάζετο, ἦσαν γὰρ σκηνοποιοὶ τῇ τέχνῃ.
1 Nachdem er [=Paulus] sich von Athen entfernt hatte kam er nach Korinth.
2 und fand einen Juden namens Aquila, aus Pontus stammend, frisch aus Italien angekommen und Priszilla, seine Frau, weil Claudius angeordnet hatte, dass sich alle Juden von Rom entfernen mußten, kam er zu ihnen,
3 und weil er den gleichen Beruf hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete, denn sie waren Zeltmacher von Beruf. (Apg 18,1-3; MÜ)
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist auch Peter Schäfer »Jesus im Talmud« (2007), sowie die Rezension des mir gut bekannten emeritierten Prof. Ekkehard Stegemann in der NZZ vom 26.1.2008 über Schäfers Untersuchungen:
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/wenn-jesus-in-die-hoelle-versetzt-wird-1.659682