Wen meint Jesus eigentlich im »Stürmerspruch« – wenn er davon spricht, dass sich alle mit Gewalt in das Reich Gottes hineindrängen? Im Anschluss an Gerd Theißen und Annette Merz möchte ich hier folgende Deutung vertreten: Jesus meint damit sich selbst und seine Jünger. Folgende parallele Überlieferungen stützen diese auf den ersten Blick verwegen wirkende These:
Mk 3,27
Dass die Gewalt-Metaphorik in der Selbstcharakterisierung Jesu kein Einzelfall ist, zeigt Mk 3,27: Niemand kann aber in das Haus eines Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus berauben. (Ü: Luther 1984) Aus dem Kontext – der Diskussion, in welcher Vollmacht Jesus Dämonen austreibt – ist klar: dieser gewaltsam Eindringende ist Jesus selbst.
Thomas-Evangelium 98
Jesus sprach: »Das Reich des Vaters gleicht einem Mann, der vorhatte zu töten einen mächtigen Mann. Er zog aus der Scheide das Schwert in seinem Haus. Er durchbohrte die Wand, um zu wissen, ob seine Hand stark sein werde. Dann tötete er den Mächtigen.« (Ü: Ernst Haenchen)
Lk 6,3-4
In einer Diskussion, ob seinen Schülern das Ährenraufen am Schabbat erlaubt sei, beruft sich Jesus positiv auf das Eindringen Davids und seiner Männer in den Tempel: Habt ihr auch dieses nicht gelesen, was David tat, als ihn und die, die bei ihm waren, hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging und die Schaubrote nahm und aß und auch denen gab, die bei ihm waren – die doch außer den Priestern allein niemand essen darf? (Ü: Elberfelder)
Mt 4,19
Es wird gerne vergessen, wie gewaltsam auch dieses Bild ist (trotzdem wird es mit Vorliebe in Kindergottesdiensten eingesetzt – ohne Beachtung der Symbolik!): Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. (EÜ)
Fazit:
Die »Erstürmung« der Gottesherrschaft – eine Chance die sich seit der Predigt des Täufers bietet – liegt im ureigensten Interesse Jesu und seiner Schüler. Gegenfrage: Wer oder was sollte sonst sinnvollerweise gemeint sein?