Sollen Frauen taufen dürfen?

Zum heutigen Fest des Heiligen Thomas v. Aquin dieser Beitrag, der wieder einmal interessante Verzweigungen einer Auslegungsfrage aufzeigt. Bei meiner Untersuchung der dunklen Stelle aus Ex 4, in der Zipporah ihren Sohn beschneidet, stieß ich auf folgende Auslegung, die auf den Reformator Jean Calvin zurückgeht.

Jean Calvin († 1564)

In seiner Institutio christianae religionis bespricht der große Genfer Reformator die Frage, ob eine Frau im Notfall taufen dürfe. Bei der vehementen Verneinung der Frage (!) setzt er sich auch mit der Zipporah-Stelle auseinander:

»Unangebracht ist es, wenn man hier das Beispiel der Zipporah anführt (Ex 4,25). da sich nämlich der Engel Gottes beruhigte, nachdem Zipporah einen Stein genommen und ihren Sohn damit beschnitten hatte, so zieht man daraus fälschlich die Folgerung: also habe ihr Tun die Billigung Gottes gefunden. (…) Ich möchte nur, dass der Leser sein Augenmerk darauf richtet, dass Zipporah nichts weniger im Sinn hatte, als Gott einen Dienst zu leisten. Sie sah ihren Sohn in Gefahr, und nun geriet sie in Ärger und Murren hinein und schleuderte, nicht ohne Entrüstung, seine Vorhaut zur Erde; damit beschimpfte sie aber ihren Mann derart, dass sie zugleich gegen Gott selbst zürnte. Kurz, es liegt auf der Hand, dass ihr ganzes Verhalten aus innerlicher Zuchtlosigkeit erwachsen ist; denn sie empörte sich gegen Gott und ihren Mann, weil sie sich genötigt sah, das Blut ihres Sohnes zu vergießen. Zudem ist auch zu bedenken: selbst wenn sie sich in allen anderen Dingen rechtschaffen verhalten hätte, so bliebe es doch jedenfalls ein unentschuldbarer Vorwitz, dass sie ihren Sohn in Gegenwart ihres Mannes beschnitt – und dabei war doch dieser ihr Mann nicht irgendein beliebiger amtloser Mensch, sondern eben Mose, Gottes vornehmster Prophet, der so groß war, dass in Israel nie ein größerer aufgestanden ist. Zipporah hatte also zu ihrem Tun ebensowenig das Recht, wie es etwa (auch nach Meinung der Gegner), heutzutage die Frauen (zur Taufe) unter den Augen eines Bischofs hätten.« (Institutio IV,15,22; Ü: Otto Weber)

Hier brauche ich wohl nicht mehr wirklich viel zu erläutern …

Thomas von Aquin († 1274)

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt Thomas in seiner Summa Theologica, wo er die Frage, ob Frauen taufen dürfen, in III 67,4 behandelt. Unter Berufung auf die Autorität von Papst Urban II. († 1099) und dessen Brief an den Presbyter Vitalus (MPL CLI, 529) 1 antwortet Thomas auf Gegenargumente wie folgt:

»Prinzipiell ist es Christus, der tauft – gemäß dieser Stelle aus Johannes: auf wen du den Geist herabsteigen und bleiben siehst: Der ist es, der tauft.« (Joh 1,33) Es heißt aber in Kolosser 3: »In Christus gibt es nicht männlich oder weiblich«. 2 Und deshalb: wie ein männlicher Laie taufen kann, gleichsam als Diener Christi, so auch ein weiblicher (Laie).« (MÜ)

Mit anderen Worten: Thomas war 300 Jahre von Calvin in dieser Frage schon deutlich weiter. Ich möchte aber auch nicht verschweigen, dass seine weiteren Ausführungen in dieser Quasetio zum Thema Frauen nicht auf dieser Höhe bleiben. Aber diese Äußerungen sind seiner Anthropologie geschuldet – die dem Wissensstand des 13. Jh. entsprach – und nicht seiner Theologie.

Wer sich näher mit diesen Aussagen des Thomas befassen will, sei auf den großartigen,öffentlichen Briefwechsel zwischen Umberto Eco und dem kürzlich verstorbenen Carlo Maria Kardinal Martini verwiesen. (In dieser Ausgabe ab S. 51).

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  1. »Die Taufe ist gültig, wenn eine Frau in dringender Notlage ein Kind im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit getauft hat« Ü: Deutsche Thomasausgabe, 29. Band, S. 210
  2. Thomas dürfte hier aus dem Gedächtnis zitiert haben, diese Aussage findet sich in Gal 3,28, ist aber dem Vers Kol 3,11 sehr ähnlich.

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