Buch der hebräischen Untersuchungen über die Genesis – Vorwort

Qui in principiis librorum debebam secuturi operis argumenta proponere, cogor prius respondere maledictis, Terentii quippiam sustinens, qui comœdiarum prologos in defensionem sui scenis dabat. Urgebat enim eum Luscius Lanuinus, nostro Luscio similis, et quasi publici ærarii poetam furem criminabatur. Hoc idem passus est ab æmulis et Mantuanus vates, ut cum quosdam versus Homeri transtulisset ad verbum, compilator veterum diceretur. Quibus ille respondit, magnarum esse virium, clavam Herculi extorquere de manu. Sed et Tullius, qui in arce eloquentiæ Romanæ stetit, rex oratorum, et Latinæ linguæ illustrator, repetundarum accusatur a Græcis. Non mirum ergo si contra me parvum homunculum immundæ sues grunniant, et pedibus margaritas conculcent, cum adversus doctissimos viros, et qui gloria invidiam superare debuerant, livor exarserit. Verum hoc illis merito accidit, quorum in theatris, curis, concione, pro rostris eloquentia pertonabat. Semper enim in propatulo fortitudo æmulos habet, Feriuntque summos Fulmina montes. (Horaz, Carm. II, ode X 19).

Ich, der ich am Anfang der Bücher die Inhalte darlegen sollte für das folgende Werk, fühle mich gezwungen, auf die Schmähreden zu antworten, wobei ich mich auf eine Gewohnheit  des Terenz stütze, der um sich selbst zu verteidigen den Komödien Prologe voranstellte. Denn es bedrängte ihn Luscius Lanuinus, 1 unserem Luscius 2 ähnlich: er verklagte den Dichter als wäre er ein Dieb an der Staatskasse. Dasselbe hatte auch der Dichter aus Mantua 3 von Rivalen zu erleiden: denn als er einige Verse des Homer wörtlich übersetzt hatte, nannte man ihn »Plünderer« der Alten. Jener antwortete ihnen, es bedürfe grosser Kräfte, Herkules die Keule aus der Hand zu reissen. Aber auch Tullius, 4 der auf der Höhe der römischen Beredsamkeit stand, ein König der Redner und einer, der der lateinischen Sprache Glanz verlieh, wurde von den Griechen auf Schadenersatz verklagt. Es wäre daher kein Wunder, wenn gegen mich kleines Menschlein unreine Schweine grunzen und Perlen mit den Füssen zertreten 5 würden, weil gegen die gelehrtesten Männer und die, die durch Ruhm den Neid hatten überwinden müssen, Missgunst entbrannt ist. Aber verdientermassen geschah das denen, deren Redegewandtheit in den Theatern, in den Kurien, in der Volksversammlung und auf der Rednerbühne immer wieder dröhnte. Denn immer hat die Tüchtigkeit Rivalen: »und die Blitze treffen die höchsten Berge« (Horaz).

Me vero procul ab urbibus, foro, litibus, turbis remotum, sic quoque (ut Quintilianus ait) latentem invenit invidia. Unde lectorem obsecro, . . . . . si quis tamen haec quoque, si quis. Captus amore leget, . . . . . . . ut in libris Hebraicarum Quaestionum, quos in omnem Scripturam sanctam disposui scribere, non quaerat eloquentiam, non oratorum leporem; sed magis inimicis pro nobis ipse respondeat, Novo operi veniam concedendam. Ut enim nos humiles atque pauperculi, nec habemus divitias, nec oblatas dignamur accipere: ita et illi noverint, non posse se notitiam Scripturarum, id est, divitias Christi, cum mundi pariter habere divitiis. Studii ergo nostri erit, vel eorum, qui de libris Hebraicis varia suspicantur, errores refellere: vel ea quae in Latinis et Graecis codicibus scatere videntur, auctoritati suae reddere; etymologias quoque rerum, nominum atque regionum, quae in nostro sermone non resonant, vernaculae linguae explanare ratione.

Ja, obwohl ich mich fern halte von den Städten, dem Markt, den Streitereien und den Menschenmassen, so entdeckt mich doch (wie Quintilian sagt) in meiner Verborgenheit der Neid. 6 Daher beschwöre ich den Leser inständig …wenn dennoch einer auch das, wenn irgendeiner dies, von Liebe ergriffen, liest7 dass er in den Büchern der Hebräischen Untersuchungen (ich habe beschlossen, sie zur gesamten Heiligen Schrift zu schreiben), nicht Beredsamkeit und nicht Liebenswürdigkeit der Redner sucht; sondern eher den Feinden an unserer Stelle eine entsprechende Antwort gibt. Dem neuen Werk muss Nachsicht gewährt werden. Denn so wie wir demütig und armselig weder Reichtümer haben noch geneigt sind, sie anzunehmen, wenn sie uns angeboten werden, so sollten auch jene wissen, dass sie nicht die Kenntnis der Schriften, d.h., die Reichtümer Christi, mit den Reichtümern der Welt gemeinsam haben können. 8 Unser Bemühen wird es also sein, sowohl die Irrtümer derer, die die Hebräischen Bücher der Unzuverlässigkeit verdächtigen, zurück zuweisen als auch das, womit die lateinischen und griechischen Handschriften voll zu sein scheinen, ihrer eigenen Autorität zu überlassen; (weiters bedarf es der Mühe) die Herkunft der Wörter für Dinge, Namen und Gegenden, die in unserer Sprache nicht vorkommen, entsprechend der Ausgangssprache zu erklären.

Et quo facilius emendatio cognoscatur, ipsa primum, ut apud nos sunt, testimonia proponemus, et ex collatione eorum quae sequuntur, quod in illis, aut minus, aut plus, aut aliter sit, indicabimus.

Und damit eine Verbesserung leichter erkannt wird, werden wir zuerst – sofern sie bei uns vorhanden sind – Belegstellen vorlegen 9 und dann aus ihrer (folgenden) Sammlung angeben, was in jenen (hebräischen Texten) entweder mehr oder weniger oder anders ist.

Neque vero Septuaginta Interpretum, ut invidi latrant, errores arguimus: nec nostrum laborem, illorum reprehensionem putamus: cum illi Ptolemaeo regi Alexandriae mystica quaeque in Scripturis sanctis prodere noluerint, et maxime ea quae Christi adventum pollicebantur: ne viderentur Iudaei et alterum Deum colere: quos ille Platonis sectator magni idcirco faciebat, quia unum Deum colere dicerentur. Sed et Evangelistae, et Dominus quoque noster atque Salvator, necnon et Paulus Apostolus, multa quasi de veteri Testamento proferunt, quae in nostris codicibus non habentur. Super quibus in suis locis plenius disseremus. Ex quo perspicuum est, illa magis vera esse exemplaria, quae cum novi Testamenti auctoritate concordant. Accedit ad hoc, quod Iosephus, qui Septuaginta Interpretum ponit 10 historiam, quinque tantum ab eis libros Moysi translatos refert:

Weder kritisieren wir aber die Irrtümer der Siebzig Übersetzer, wie die Neider kläffen, noch halten wir unser Werk für eine Widerlegung des ihren: weil jene dem Ptolemäus , dem König von Alexandria, nicht alle Geheimnisse in den Heiligen Schriften verraten wollten und hauptsächlich die, die Ankunft Christi verhiessen; damit nicht der Anschein erweckt werde, die Juden würden noch einen anderen Gott verehren. Diese (= die Juden) schätzte ein Anhänger des Platon deshalb hoch ein, weil man sagte, sie verehrten nur einen Gott. Aber sowohl die Evangelisten als auch unser Herr und Erlöser und dazu noch der Apostel Paulus zitieren geradezu vieles aus dem Alten Testament, was in unseren Handschriften nicht enthalten ist. Damit werden wir uns an entsprechenden Stellen ausführlicher auseinandersetzen. 11 Daher ist es einsichtig, dass die Abschriften, die mit der Autorität des Neuen Testaments übereinstimmen, eher authentisch sind. Dazu kommt, dass Josephus, der die Geschichte der Siebzig Übersetzer niederschrieb, überliefert, dass nur die fünf Bücher des Moses von ihnen übersetzt wurden.

quos nos quoque confitemur, plus quam caeteros cum Hebraicis consonare. Sed et hi qui postea interpretes exstiterunt, Aquilam loquor, et Symmachum, et Theodotionem, longe aliter habent, quam nos legimus. Ad extremum (quod etiam obtrectatores nostros placare potest) peregrinae merces tantum volentibus navigent: balsamum, piper, et poma palmarum rustici non emant. De Adamantio autem sileo, cuius nomen, si parva licet componere magnis, meo nomine invidiosius est, quod cum in homiliis suis, quas ad vulgum loquitur, communem editionem sequatur: in tomis, id est, in disputatione maiori, Hebraica veritate superatus, et suorum circumdatus agminibus, interdum linguae peregrinae quaerit auxilia. Hoc unum dico, quod vellem cum invidia nominis eius habere etiam scientiam Scripturarum, flocci pendens imagines umbrasque larvarum, quarum natura esse dicitur, terrere parvulos, et in angulis garrire tenebrosis.

Auch wir stimmen zu, dass diese (fünf Bücher des Mose) mehr als die übrigen mit den Hebräischen (Büchern) übereinstimmen. Aber auch die, die später als Übersetzer aufgetreten sind – ich spreche von Aquila, Symmachus und Theodotion- haben weit andere Handschriften als wir lesen. Zuletzt (was sogar unsere Widersacher versöhnen kann) sollen nur für die, die wollen, Waren aus der Fremde zu Schiff kommen: Balsam, Pfeffer und Datteln sollen die Bauern nicht kaufen. Vom »Stählernen« 12 aber schweige ich, dessen Name – wenn es gestattet ist, Kleines mit dem Grossen zu vergleichen, noch verhasster ist als meiner, da er, als er in seinen Predigten, die er vor dem gewöhnlichen Volk hielt, der allgemeinen Ausgabe folgte, wurde er in den Schriften, d.h. in den anspruchsvolleren Abhandlungen, vom Urtext der Hebräischen Bibel 13 überwältigt und, umgeben von der Schar der Seinen suchte er bisweilen Hilfe in der fremden Sprache. Das eine sage ich: Ich möchte gerne mit dem Neid auf seinen Namen auch seine Kenntnis der Schriften haben. Ich pfeife auf die Bilder und Schatten der Gespenster, von denen man sagt, es sei ihre Natur, kleine Kinder zu erschrecken und in dunklen Winkeln zu schwatzen.

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  1. gemeint ist wohl Luscius aus Lanuvium, Dichter und Konkurrent des Terenz.
  2. Anspielung unklar
  3. Vergil
  4. Cicero
  5. vgl. Mt 7,6
  6. Zitiert von Abaelard in der Historia Calamitatum 955; dort der Nachweis: Ps.-Quintilian: Declamationes maiores XIII,2
  7. Vergil: Bucolica, Ecloge VI
  8. Zitiert von Thomas von Aquin im Liber contra impugnantes Dei cultum et religionem Pars II,1
  9. Das bezieht sich auf die Hexapla des Origenes, die Hieronymus bei seiner Arbeit unverzichtbare Dienste leisten sollte
  10. Andere Textzeugen lesen: proponit
  11. Das hat Hieronymus ausführlich in seinem berühmten Brief 57 an Pammachius »Über die beste Art zu übersetzen« getan.
  12. Ehrennamen des Origenes
  13. Hebraica Veritas ist ein Schlüsselbegriff bei Hieronymus bei der Frage, woran sich eine Bibelübersetzung orientieren soll.

Hieronymus zu seiner Psalmenübersetzung

Wie bereits erwähnt, hat Hieronymus den Psalter doppelt übersetzt: einmal nach der Septuaginta, das andere Mal aus dem Hebräischen. Dabei stand er unter einem doppelten Druck: er musste sich gegen innerkirchliche Kritiker verteidigen, die seiner Übersetzung aus dem Hebräischen grundsätzlich ablehnend gegenüber standen – und er wusste um die Unterschiede zwischen dem hebräischen Text und der LXX-Fassung, die christliche Apologeten in der Diskussion mit jüdischen Menschen stark verunsicherten.  „Hieronymus zu seiner Psalmenübersetzung“ weiterlesen