Anmerkungen zu dem Artikel ‚Geistzeugung und Jungfrauengeburt?‘

Doris Nauer, in Diakonia 4/2017 S. 241-245

Die Theologin und Medizinerin Doris Nauer vertritt in ihrem Artikel die Ansicht, dass ‚immer mehr Menschen‘ mit der Jungfrauengeburt ‚unverständliche und antiquierte Vorstellungen verbinden‘. Sie unterzieht die Vorstellung, dass Jesus von der Jungfrau Maria geboren sei, einer kritischen Analyse und argumentiert, dass Markus und Johannes diese Vorstellung nicht kennten, ebenso wie Paulus, der früheste christliche Autor im NT. Die Herkunft dieses Motivs sieht sie in einem ‚Legitimations-Mythos‘, der aus dem alten Ägypten in das griechisch-römische Denken gelangt sei und von Lukas und Matthäus akzentuiert wurde. Dabei sei Matthäus zusätzlich noch ‚einer Fehlübersetzung aufgesessen‘, weil die griechische Übersetzung von Jes 7,14 aus der jungen Frau ‚aus Nachlässigkeit‘ eine Jungfrau gemacht habe. Da ohnehin nur noch ein Drittel der Christen an die Jungfräulichkeit Mariens glaubten, könne man sie getrost dem Koran und apokryphen Evangelien überlassen und sich ganz den ‚tieferen Wahrheiten‘ zuwenden, die die Weihnachtsgeschichten transportieren würden, ‚dass Jesus wirklich der Christus ist.‘

Was mich an dem Artikel wirklich ärgert ist der Gestus der Aufgeklärtheit, der mittels einer Argumentation aus dem 19. Jahrhundert vorgetragen wird – die untote religionsgeschichtliche Schule lässt grüßen! Dass Lukas das Motiv seiner Verkündigung aus dem Ersten Testament hat – ein Engel kommt zu einer jungen Frau, kündigt ihre Schwangerschaft an, verheißt den Namen ihres Sohnes und was er für Gott und Israel tun wird – wird nicht einmal ignoriert. Kann es Zufall sein, dass Lukas diese Perikope mit dem Magnificat verbunden hat, das sich eindeutig an den Lobgesang der Hanna anlehnt?

Wie geht die These, dass Jesus bei Markus ’nach seiner Auferweckung von Gott als sein Sohn adoptiert worden ist‘ mit der Taufszene am Anfang dieses Evangeliums zusammen?

Bemerkenswert wieder einmal, dass sich die zitierte Literatur allein aus der Blase der deutschsprachigen Theologie speist – die grundlegenden Forschungsergebnisse des angelsächsischen Raumes (Larry Hurtado!) wurden offensichtlich komplett ausgeblendet.

Abschließend noch ein Wort zu der ‚Fehlübersetzung‘ von Jes 7,14. Dieser Vorwurf an die gebildeten jüdischen Übersetzer in Alexandria riecht doch streng nach einem Biologismus, den der Artikel zu überwinden vorgibt. Der komplexen Fragestellung der Unterschiede zwischen hebräischer und griechischer Bibel, die unablässig im NT zitiert wird, geschieht nicht einmal Erwähnung.

Wenn das die Lösung für das Problem der Jungfrauengeburt sein soll, dann hätte ich gerne das Problem wieder.

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