Septuaginta IV

In Gen 15,12 sagt der hebräische Text, dass ein »tiefer Schlaf« auf Abraham fiel. Seltsamerweise spricht die LXX an dieser Stelle aber von »Ekstase«. Wieso?

Tiefschlaf oder Ekstase

Der Hebräische Ausdruck tarddema wird noch an einer anderen Stelle gebraucht: »Da ließ Gott, der HERR, einen tiefen Schlaf (tarddema) auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch« (Gen 2,21 – die Erschaffung Evas). Dieser Tiefschlaf des HERRN befiel auch die Männer Sauls in 1 Sam 26,12. Nur an der letztgenannten Stelle übersetzt LXX tarddema hier nicht mit ekstasis. Der von mir empfohlene Liddell & Scott meint zu diesem Ausdruck: »a being put out of its place (…): a trance: hence Engl. ecstasy«.

Der Grund für diese Wortwahl liegt meiner Meinung nach darin, dass die Übersetzer den prophetischen Aspekt  der Erfahrung Adams und Abrahams betonen wollten. Während Adam hellsichtig über die bleibende Verbindung von Mann und Frau spricht, erfährt Abraham seine Zukunft und die Zukunft seiner Nachkommen. Der hebräische Text betont dagegen das Handeln JHWHS, dass der Mensch gleichsam im tiefsten Schlaf an sich erfährt.

Dieses Beispiel verdeutlicht wiederum schön, dass jede Übersetzung der Bibel von der theologischen Überzeugung und den Vorlieben der Übersetzer abhängig ist. Doch LXX ging noch weiter: sie verdeutlicht den Hebräischen Text nicht nur, sie korrigiert ihn auch, wo es notwendig schien. Dazu demnächst mehr.

2 Gedanken zu „Septuaginta IV“

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