Am bekanntesten dürfte noch die hebräische Bedeutung dieses Namens sein. Adam bedeutet Mensch, und dieses Wort spielt mit seinem Lautklang eine Reihe von weiteren Bedeutungen an. Adam ist mit adama verwandt, was Lehm oder Erde bedeutet (Gen 2,7).1 Gleichzeitig ist das Wort mit adom verwandt, also der Farbe rot. Rötlich ist der Lehmboden, aus dessen Staub Adam geschaffen wurde, und rot ist das Blut, das auf Hebräisch dam heißt. Blut ist im Hebräischen wiederum Equivalent für Leben 2.
Natürlich funktionieren diese Anklänge nur auf Hebräisch. Und doch hat das griechisch-sprechende Judentum in Ägypten ebenfalls mit der Bedeutung des Namens Adam gespielt, und diese Vorstellungen haben wieder erstaunliche Spuren hinterlassen.
Sibyllinische Orakel
Im 3. Buch der sibyllinischen Orakel, das ich mit James Kugel einem jüdischen Autor aus dem 2. Jh. BCE zuschreiben möchte, liest man folgende Aussage:
»Er, Gott ist’s, welcher schuf den vierbuchstabigen Adam,
Welcher gebildet zuerst ward und dess Name erfüllet
Sonnenaufgang, den Untergang auch, und Mittag und Norden.«3
(Sib III,24-26; Ü: Josef Heinrich Friedlieb)
Zu deutsch: Adam ist ein Akronym und seine vier Buchstaben stehen für die vier Himmelsrichtungen.
Slavischer Henoch
Auch dieses Buch kennt diese Tradition, es stammt wohl aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Hier liest man:
»Und ich setzte ihm einen Namen von vier Bestandteilen: von dem Osten, von dem Westen, vom Norden, vom Süden. Und ich setzte ihm vier auserlesene Sterne und nannte seinen Namen Adam.« (Slavischer Henoch XXX Ü: Nathanael Bonwetsch, diese Ausgabe S. 29)
Augustinus
Johannes Geffcken nennt in seiner Ausgabe der Sibyllinischen Orakel zwei Kirchenväter, die diese Tradition ebenfalls tradiert haben: Cyprian von Karthago und Augustinus. Ich gebe hier die Version des Letzteren wieder:
In seinem Kommentar zum Johannesevangelium schreibt der Bischof von Hippo: »Wer aber wüsste nicht, dass von Adam alle Völker ausgegangen sind und dass durch die vier Buchstaben seines Namens die griechischen Benennungen der vier Weltgegenden ausgedrückt werden? Wenn man nämlich Osten, Westen, Norden und Süden mit den griechischen Namen bezeichnet, wie sie die Heilige Schrift an sehr vielen Stellen erwähnt, so findet man in den Anfangsbuchstaben dieser Worte den Namen ‘Adam’.« (In Evang. Ioh. IX,14 Ü: Theresia Heither/Christiana Reemts) 4
Rabbinen
Es ist einsichtig, dass dieses Akronym im Hebräischen so nicht geht. Aber ist die dahinter stehende Vorstellung den Rabbinen deshalb fremd geblieben? Ich denke nicht: Dirk Rotzoll hat hier eine Sammlung von Verweisen zusammengetragen, die das gleiche Bild im Targum Ps.Jon zu Gen 2,7, Pirque de Rabbi Eliezer XI und im babylonischen Talmud Sanh 38a-b belegen.