»Tu es Petrus« – Johannes Chrysostomus

Aus aktuellem Anlass hier ein Ausschnitt einer Predigt des Patriarchen von Konstantinopel († 407), in der er das bekannte Wort aus dem Matthäusevangelium auslegt: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen«. (Mt 16,18) Der Vorteil (Nutzen) der Schriftlesung. – Lieblich ist die Wiese, lieblich der Garten, aber weitaus köstlicher ist die Lesung der göttlichen Schrift. Dort allerdings verwelken die Blumen, hier sind die Sätze lebendig; dort weht der Westwind, hier der Atem des Geistes: dort bilden Dornen einen Zaun, hier bietet die Vorsehung Gottes Schutz: dort singen immer Zikaden, hier geben Propheten den Ton an. Dort erwächst aus dem Anschauen Wonne, hier aus der Lesung Nutzen. Ein Garten befindet sich an einem Ort, die Schrift überall auf der Erde; ein Garten ist dem Zwang der Witterung ausgesetzt, die Schriften sind im Sommer und im Winter belaubt und reich an Früchten.

Hören wir also auf die Lesung der Schrift: Denn wenn du auf die Schrift hörst, vertreibt sie die Trauer, pflanzt dir Wonne ein, nimmt die Bosheit, stärkt die Wurzeln der Tugend und lässt sich nicht im Wirrwarr der Tätigkeiten wie ein schwankendes Schiff hin und her treiben. Es wütet das Meer, du aber segelst ruhig dahin; denn anstelle eines Steuermanns hast du die Lesung der Schrift: Auch die Versuchung, Geschäfte zu betreiben, zerreißt dieses Seil nicht.

Dass ich aber nicht lüge, das bezeugt folgende Geschichte: Vor einigen Tagen war die Kirche belagert: Es kam ein Heer, das Feuer aus seinen Augen sprühte und dennoch den Ölbaum nicht welken ließ: Schwerter wurden gezückt, und niemand wurde verwundet; die Tore des Kaiserpalastes wurden voll Angst geöffnet und wieder geschlossen; die Kirche aber war in Sicherheit, auch wenn hier der Krieg schon ausgebrochen war. Hier wurde der befragt, der hierher geflohen war: Ohne Angst vor dem Wüten (des Heeres) blieben wir stehen. Weshalb? Wir hatten das sicherste Pfand, nämlich: »Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Tore der Unterwelt werden nicht den Sieg über sie davontragen« (Mt 16,18).

Die Kirche, sage ich, ist nicht nur ein Ort, sondern eine Lebensweise; nicht von Mauern der Kirche spreche ich, sondern von den heiligen Schriften der Kirche. Wenn du in die Kirche flüchten willst, dann eile nicht zu einem Ort, sondern suche Schutz in einer (neuen) Gesinnung. Denn die Kirche ist nicht Mauer und Dach, sondern Glaube und Lebensführung!

(Homilia in Eutropium 2,1; MPG LII, 395 ff.; MÜ)

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