Der Begriff des Autors II

Eine vierfache Unterscheidung hinsichtlich der menschlichen Texterstellung nahm der große Franziskanische Kirchenlehrer Bonaventura († 1274) vor. In seinem Kommentar zu den libri sententiarum des Petrus Lombardus schreibt Bonaventura am Ende seines Vorworts: »Es gibt vier Arten, ein Buch zu machen. Man kann Fremdes schreiben, ohne etwas hinzuzufügen oder zu verändern, dann ist man ein Schreiber [scriptor]. Man kann Fremdes schreiben und etwas hinzufügen, das nicht von einem selbst kommt, dann ist man ein Kompilator [compilator]. Man kann auch schreiben, was von anderen und von einem selbst kommt, aber doch hauptsächlich das eines anderen, dem man das Eigene zur Erklärung beifügt, und dann ist man ein Kommentator [commentator], aber nicht ein Autor. Man kann auch Eigenes und Fremdes schreiben, aber das Eigene als Hauptsache und das Fremde zur Bekräftigung beifügen, und dann muss man als Autor [auctor] bezeichnet werden.« (Bonaventura, Opera Omnia I, S. 20; Übersetzung Ylva Eriksson-Kuchenbuch)

So führt Bonaventura eine Skala ein, die von alienus bis suus reicht – je nachdem, ob ein Text mehr Fremdes oder Eigenes enthält, kann von einem Autor gesprochen werden. Bonaventura führt diese Bestimmung ein, um nachzuweisen, dass Petrus Lombardus auctor seines zu kommentierenden Werkes ist, das zu einem erheblichen Ausmaß aus Kirchenväter Zitaten (Sentenzen), vor allem von Augustinus, bestand.

Für mich ist dieses dynamische Autorenverständnis exegetisch bedeutsam. Wenn zum Beispiel der Evangelist Matthäus gut die Hälfte seines Stoffes (8555 Wörter nach Pokorny/Heckel) von Markus übernommen hat, und ein gutes weiteres Viertel aus der Logienquelle Q stammt; weiters (nach Schnelle) auch die zehn Erfüllungszitate (vgl. etwa Mt 1,23; 2,6.15.18.23 u.ö.) auf eine Matthäus bereits vorliegende Testimoniensammlung zurückzuführen sind, dann gerät ein statischer Autorenbegriff gehörig ins Wanken. Auch wenn Matthäus sicherlich auch kompilierend gearbeitet hat (vgl. Mt 13,52!) – so ist er dennoch als auctor seines Evangeliums anzusehen.

Fortsetzung

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