Und weiter geht es mit dem Buch der Hebräischen Fragen zur Genesis – wieder einmal überliefert Hieronymus eine alte jüdische Auslegungstradition: diesmal zu Sara und dem Pharao.
Schlagwort: Kapitel 12
Untersuchungen – Kapitel 12
(Vers. 4.) «Erant autem Abram septuaginta quinque annorum, quando egressus est ex Charra.» Indissolubilis nascitur quaestio: si enim Thara pater Abrahae, cum adhuc esset in regione Chaldaea, septuaginta annorum, genuit Abram, et postea in Charra ducentesimo quinto aetatis suae anno mortuus est: quomodo nunc post mortem Thare, Abram exiens de Charra, septuaginta quinque annorum fuisse memoratur: cum a nativitate Abrae usque ad mortem patris eius, centum triginta quinque fuisse anni doceantur. Vera est igitur illa Hebraeorum traditio, quam supra diximus, quod egressus sit Thara cum filiis suis de igne Chaldaeorum: et quod Abram Babylonio vallatus incendio, quia illud adorare nolebat, Dei sit auxilio liberatus; et ex illo tempore ei dies vitae, et tempus reputetur aetatis, ex quo confessus est Dominum, spernens idola Chaldaeorum. Potest autem fieri, ut quia Scriptura reliquit incertum, ante paucos annos Thara de Chaldaea profectus, venerit in Charran, quam mortem obierit. Vel certe statim post persecutionem in Charran venerit, et ibi diutius sit moratus. Si quis ergo huic expositioni contrarius est, quaeret aliam solutionem: et tunc recte ea, quae a nobis dicta sunt, improbabit.
(Gen 12,4): »Abram war aber fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Charra auszog.« Es ergibt sich eine unlösbare Frage: Wenn nämlich Thara, der Vater Abrahams, während er bis dahin im Gebiet der Chaldäer war, mit siebzig Jahren Abram zeugte, 1 und später in Charra im zweihundertundfünften Jahr seines Lebensalters starb: 2 Wie kann dann berichtet werden, dass Abram, als er nach dem Tod Tharas von Charra wegzog, fünfundsiebzig Jahre gewesen sei, während doch gelehrt wird, dass es von der Geburt Abrams bis zum Tod seines Vaters hundertfünfundreissig Jahre gewesen seien? 3 Wahr ist also die alte Tradition der Hebräer, die wir oben erwähnt haben, dass Thara mit seinen Söhnen aus dem Feuer der Chaldäer entkommen sei; und dass Abram das Feuer nicht anbeten wollte und dass er deshalb vom babylonischen Feuer wie von einem Wall umgeben war; doch durch die Hilfe Gottes wurde er befreit; und seit dieser Zeit sollen sie ihm die Tage seines Lebens und damit sein Lebensalter errechnen, von dem an er sich zum Herrn bekannte, indem der die Götzenbilder der Chaldäer verschmähte. Es kann auch sein, dass Thara – weil die Schrift Ungewisses stehen ließ – wenige Jahre, bevor er sich von den Chaldäern aufmachte, nach Charran kam, wo er starb. Oder er kam in der Tat sofort nach der Verfolgung nach Charran, wo er sich länger aufhielt. Wenn einer ein Gegner dieser Erklärung ist, wird er eine andere Lösung suchen: Und er wird dann mit Recht unsere Lösung verwerfen.
(Vers. 9.) «Et proficiscens Abram, abiit in desertum: et fames facta est super terram.» Et in praesenti et in plurimis aliis locis, pro deserto, ad Austrum, scriptum est in Hebraeo. Hoc igitur notare debemus.
(Gen 12,9): »Und Abram brach auf und zog in die Wüste: Und eine Hungersnot entstand auf der Erde.« An der vorliegenden Stelle und an vielen anderen steht im Hebräischen für Wüste nach Süden. 4 Das müssen wir aber anmerken.
(Vers. 15 et 16.) «Et viderunt eam principes Pharaonis, et laudaverunt eam apud Pharaonem, et introduxerunt eam in domum Pharaonis: et Abram benefecit propter eam: et fuerunt ei oves, et armenta, et asini, et servi, et ancillae, muli et cameli.» Licet corpus sanctarum mulierum non vis maculet, sed voluntas: et excusari possit Sarai, quod famis tempore sola regis in peregrinis locis, marito connivente, resistere nequiverit; tamen potest et aliter foeda necessitas excusari: quod iuxta librum Esther quaecumque mulierum placuisset regi apud veteres sex mensibus ungebatur oleo myrtino, et sex mensibus in pigmentis variis erat, et curationibus feminarum, et tunc demum ingrediebatur ad regem (Esther II, 12, 13). Atque ita potest fieri, ut Sarai postquam placuerat regi, dum per annum eius ad regem praepararetur introitus, et Abrahae Pharao multa donaverit, et Pharao postea sit percussus a Domino, illa adhuc intacta ab eius concubitu permanente.
(Gen 12,15 und 16) »Und es sahen sie die Vornehmen des Pharao, und sie lobten sie vor dem Pharao und führten sie in das Haus des Pharao: und Abram wurden ihretwegen Wohltaten erwiesen, und er erhielt Schafe, Herdenvieh, Esel, Knechte, Mägde, Maultiere und Kamele.« Nicht Gewalt vermag den Körper frommer Frauen zu besudeln, sondern der Wille/die Absicht: und Sarai könnte man entschuldigen, dass sie zur Zeit der Hungersnot, während ihr Mann die Augen schloss, allein an den fremden Orten des Königs nicht widerstehen konnte. Doch kann man auch eine andere schmähliche Notsituation entschuldigen: Nach dem Buch Esther: welche der Frauen auch immer dem König gefiel (bei den alten Schreibern steht), »dass sie sechs Monate lang mit Myrtenöl gesalbt wurde und sechs Monate lang mit verschiedenen Schönheits- und Pflegemitteln für Frauen verbrachte, und dann endlich zum König hineinschritt (Est 2,12-13). Und so konnte es geschehen, dass Sarai, da sie dem König gefallen hatte, während einem Jahr auf ihren Eintritt zum König vorbereitet wurde, während der Pharao dem Abraham vieles schenkte und danach aber vom Herrn geschlagen worden war, blieb sie unversehrt von seinem Beilager.