Sprechende Namen im Buch Rut

Im letzten Beitrag hatte ich Herrn »Soundso« aus dem Buch Rut vorgestellt, hier noch eine Übersicht zu den weiteren sprechenden Namen im hebräischen Text.

Das Buch Rut beginnt mit folgenden Versen:

1 Und es geschah in den Tagen, als die Richter richteten, da entstand eine Hungersnot im Land. Und ein Mann von Bethlehem-Juda ging hin, um sich im Gebiet von Moab als Fremder aufzuhalten, er und seine Frau und seine beiden Söhne.
2 Und der Name des Mannes war Elimelech und der Name seiner Frau Noomi und die Namen seiner beiden Söhne Machlon und Kiljon, Efratiter aus Bethlehem-Juda. Und sie kamen im Gebiet von Moab an und blieben dort.
3 Da starb Elimelech, der Mann Noomis; und sie blieb zurück mit ihren beiden Söhnen.
4 Die nahmen sich moabitische Frauen; der Name der einen war Orpa und der Name der anderen Rut. Und sie wohnten dort etwa zehn Jahre.
5 Da starben auch diese beiden, Machlon und Kiljon; und die Frau blieb zurück ohne ihre beiden Söhne und ohne ihren Mann.
6 Und sie machte sich auf, sie und ihre Schwiegertöchter, und kehrte aus dem Gebiet von Moab zurück. Denn sie hatte im Gebiet von Moab gehört, dass der HERR sein Volk heimgesucht habe, um ihnen Brot zu geben.(Ü: Elberfelder)

Es ist wohl kein Zufall, dass der Schwiegervater Ruts zur Zeit der Richter – der königslosen Zeit – Elimelech hieß: hebräisch für »Mein Gott ist König«.
Seine Söhne hiessen Machlon und Kiljon, was »Kränklich« und »Verschmachtend« bedeutet. 1 Der Namen entspricht dem Schicksal, beide sterben bereits in Vers 5.

Elimelech und Noomi kommen aus Bethlehem, was übersetzt »Haus des Brotes« heißt – kein Wunder dass die Frauen dorthin zurückkehren, um ihr tägliches Brot zu erhalten.

Die moabitischen Schwiegertöchter tragen die Namen Orpa und Rut. In Orpa klingt der Ausdruck »hartnäckig« an – daher bleibt sie in Moab, während Rut sich an das Wort für »Freundin« anlehnt 2 – also bleibt sie bei ihrer Schwiegermutter mit den Worten: Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. (Rut 1, 16)

Übersetzung

Kann es sich eine Übersetzung leisten, auf diese Anklänge nicht hinzuweisen? Nun, Luther 1984 und die EÜ unterlassen es, ebenso die Elberfelder. Und der Ploni Almoni? Er wird bei Luther »mein Lieber« genannt (?!), in der Elberfelder korrekt als »Soundso« wiedergegeben und in der EÜ einfach ausgelassen. Vorbildlich dagegen ist hier die Bibel in gerechter Sprache – sie gibt die Anklänge einwandfrei wieder.

Show 2 footnotes

  1. מַחְלוֹן leitet sich von חלה – krank sein ab, כִלְיוֹן von כלה – hinschwinden, schmachten; vgl. dazu den Handkommentar zum AT von Wilhelm Nowack, I. Abteilung, 4. Band, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1902, S. 187, FN.
  2. עָרְפָּה kann von עֺרֶף – Nacken stammen, ein Wort, das im Kontext von Hartnäckigkeit vorkommt: Ex 32,9; 33,3+5; 34,9. רוּת könnte mit רְעוּת verwandt sein, der Nachbaerin bzw. Freundin, vgl. Ez 11,2.

Ein Gedanke zu „Sprechende Namen im Buch Rut“

  1. Wie schön! Um diese Namen ranken sich so viele Geschichten und Parallelen zu verschiedenen Ereignissen. Das fängt schon an mit וילך איש ›und ein Mann ging‹: Diese Formulierung findet sich auch an anderer Stelle in der Hebräischen Bibel, und zwar in Ex 2,1 (וילך איש מבית לו) ›und ein Mann aus dem Hause Levi ging…‹. Für Baal HaTurim sind das, etwas esoterisch ausgedrückt, zwei Erlöser, Moses nämlich, und hier, im Buch Ruth, die Anspielung auf den letzten Erlöser, das Haus David. Zu Elimelech bemerkt der Midrasch, der ja solche Ereignisse immer gerne ausschmückt, dass mit diesem Namen die Prahlerei und Arroganz ( אלי תבוא מלכות ›zu mir soll das Königreich kommen‹) eines Elimelech zum Ausdruck kommt. Der Name Noomi deutet Gesenius (18. Auflage) mit ›meine Wonne«, ebenso leitet der Midrasch das Wort von der Bedeutung ›Lieblichkeit‹ ( נעם ) ab. Ganz unterschiedliche Deutungen habe ich zu Machlon und Kilion gefunden. Der Midrasch sieht die Beiden ausgelöscht und vernichtet von der Welt ( שנמחן וכלו מן העולם) , der Talmud andererseits (Baba Batra 91a) sieht ihre Schuld darin, dass sie das Land (Israel) verlassen haben. Ich habe vage in Erinnerung, dass ich vor längerer Zeit eine englische Uebersetzung gesehen habe, wo nicht die Namen, sondern tatsächlich ›sickling‹ und ›weakling‹ aufgeführt waren, also überaus deutliche Anklänge an den tieferen Sinn dieser beiden Namen. Dass Orpa ihrer Schwiegermutter den Rücken ( ערף ) zukehrte, weiss der Midrasch zu berichten, was vielleicht tatsächlich mit ›Hartnäckigkeit‹ konnotiert ist (obwohl Gesenius 18. Auflage auch Deutungen wie ›die mit vollem Haar‹ resp. ›die Duftende‹ zulässt. Eine ganz andere Deutung findet der Midrasch für Rut. Sie wurde so genannt, da sie die Worte ihrer Schwiegermutter sehr wohl ›sah‹ ( ראתה ). Ob das gesucht ist? Das mag durchaus sein. Sehr wahrscheinlich kannten auch die Autoren von Targum und Midrasch die eigentlichen Bedeutungen dieser Namen nicht (mehr). Das trifft im übrigen auch auf ›Ploni Almoni‹ zu, wo sich der Talmud in unendlichen Mutmassungen auslässt. Es gäbe noch unzählige andere Deutungen aufzuführen, die uns aber womöglich nicht weiterbringen. Die letzten Geheimnisse brauchen ja nicht unbedingt gelüftet zu werden.

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