Pontifex maximus

Wenn heute der Titel »Pontifex maximus« gebraucht wird, denkt man in der Regel sofort an den Papst. Aber das war nicht immer so. Ursprünglich war der pontifex maximus der Vorgesetzte und Vertreter des collegium pontificum, der Versammlung der heidnischen Oberpriester im Antiken Rom. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte die Beaufsichtigung des Vestakultes, was u.a. beinhaltete, dass er Vestalinnen zu töten hatte, wenn sie ihr Keuschheitsgebot übertreten hatten. Cäsar war Pontifex maximus, seit Augustus trugen die römische Kaiser automatisch diesen Titel.

Wie wenig dieser Titel im Christentum zunächst beheimatet war, zeigt das Beispiel des nordafrikanischen Kirchenvaters Tertullian († nach 220 n. Chr.). Er war überhaupt nicht mit dem Edikt eines Bischofs einverstanden, der der Kirche das Recht zusprach, von der Sünde des Ehebruchs loszusprechen. In seiner typisch polemischen Art verhöhnt Tertullian diesen Bischof, der es wagte, seinen rigiden Ansichten zur Sexualmoral nicht zu folgen, als »Bischof der Bischöfe« und als »Pontifex maximus« (De pudicitia 1). 1

Als Augustinus (354-430 n. Chr.) in seinem Gottesstaat das Christentum gegen den heidnischen Vorwurf verteidigt, am Fall Roms schuld gewesen zu sein, spricht er im ersten Buch zu den Heiden von »eurem Pontifex maximus« (vester pontifex maximus) – das Amt war für ihn eine heidnische Einrichtung. (De Civitate Dei, I, 31,3)

Der heidnische Historiker Zosimos schildert im vierten Buch seiner »Neuen Geschichte«, wie Kaiser Gratianus 382 n. Chr. auf den Titel »Pontifex maximus« verzichtete und die zum Amt gehörige Stola zurückgab, weil er Christ war. Und doch hatte bis dahin gegolten »Alle Kaiser sah man diese Würde mit Vergnügen annehmen, und sich dieses Titels bedienen, selbst den Konstantinus, 2 da er zur Regierung kam, ob er gleich von dem rechten Wege im Gottesdienste abwich, und den Glauben der Christen annahm.« (Neue Geschichte IV,36)

Doch dann wanderte der Titel weiter. Während sich die oströmischen Kaiser bis ins 6. Jh. weiterhin Pontifex maximus nennen ließen, galt im Westen: »Nach Papst Leo I. wurde der Begriff pontifex zu einem Ehrentitel der Päpste, wie aus einer Inschrift an dem zwischen 443-449 errichteten Triumphbogen der Basilica St. Paul vor den Mauern hervorgeht: GAUDET PONTIFICIS STUDIO SPLENDORE LEONIS« (Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplementband XV, 347) 3

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  1. Die Identität des angegriffenen Bischofs ist vom Text her nicht eindeutig. Ist der Bischof von Rom gemeint – Papst Kallistus (217-222) oder ein afrikanischer Bischof?
  2. Mit Konstantinus ist Konstantin der Große gemeint. Wie Zosimos sich einen idealen Pontifex maximus vorstellte, wird in seiner Erzählung von der Rettung Athens vor einem Erdbeben deutlich – Neue Geschichte IV, 18)
  3. Die Inschrift lautet nach Gregorovius: Placidiae Pia Mens Operis Decus Homn … Gaudet Pontificis Studio Splendore Leonis. (Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter I, S. 100)

2 Gedanken zu „Pontifex maximus“

  1. Es stimmt zwar, daß in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Supplementband XV, 347 aus dem Jahr 1978 und in anderen Publikationen (Lexica etc.) bis heute die Angabe steht, der römische Bischof Leo d. Gr. habe sich als erster den ursprünglich kaiserlichen Titel eines pontifex maximus zugelegt. Das ist jedoch nachweislich falsch – erst einer der Päpste der Renaissance hat dies tausend Jahre später getan: R. Schieffer, Der Papst als Pontifex Maximus. Bemerkungen zur Geschichte eines päpstlichen Ehrentitels. SZ Kan. Abt. 57, 1971, 300–309; J. Kajanto, Pontifex Maximus as the Title of the Pope. Arctos 15, 1981, 37–52 .

    1. Danke für den Kommentar.
      Mich würde interessieren, wie dann die von Ihnen genannte Literatur – die mir unbekannt ist – die angeführte Inschrift auf dem Triumphbogen erklärt?

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