Maria Magdalena – Apostelin der Apostel?

Webauf und Webab wird der Ausdruck »apostola apostolorum« für Maria von Magdala gebraucht und dabei auf den Hohelied-Kommentar des Kirchenvaters Hippolyt von Rom († 235) verwiesen, bemerkenswerterweise aber immer ohne Stellenangabe. Stimmt das Zitat?

Zunächst einmal zu Quellenlage: Der Kommentar des in griechischer Sprache schreibenden Kirchenvaters ist nur fragmentarisch auf uns gekommen, und zwar in den Sprachen grusinisch (eine georgische Sprache), altslawisch und armenisch. Ich vermute, dass kaum ein Westeuropäer (mich eingeschlossen) in der Lage sein wird, diese Texte überhaupt zu lesen.

Dankenswerterweise hat es G. Nathanael Bonwetsch 1902 unternommen, im Heft Zwei der »Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Altchristlichen Literatur« eine deutsche Übersetzung aus den drei Quellen vorzulegen. Dort findet sich über die drei Frauen am leeren Grab (Mk 16,1-8), die der Engel zu Petrus und den Jüngern schickt, folgende Aussage:

»Ein gutes Zeugnis offenbaren uns jene, die Apostel wurden für die Apostel, gesandt durch Christus. Zu denen zuerst die Engel sagten: ‚Gehet und saget den Jüngern: Er geht vor euch hin nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen.‘ Und damit jene Apostel nicht zweifelten an den Engeln, so begegnete den Apostel Christus selbst, damit diese Frauen seien Apostel Christi und durch Gehorsam das erfüllten, was mangelte der alten Eva. Von nun an werden sie, gehorsam gehorchend, als vollkommene erscheinen.« (S. 67-68, in der Datei S. 239-240)

Ursprünglich ist dieser Ehrentitel hier also nicht auf Maria Magdalena beschränkt, sondern gilt auch den sie begleitenden Frauen (vgl. Mt 28,1: »die andere Maria«; Mk 16,1: »Maria die Mutter des Jakobus und Salome«; Lk 24,10: »Johanna und Maria die Mutter des Jakobus«). Die lateinische Tradition hat sich – offenbar auf Grund der unterschiedlichen Angaben zu den Namen der Begleiterinnen und in Anlehnung an die Darstellung des Vierten Evangeliums – ganz auf Maria Magdalena konzentriert (vgl. Joh 20,1-18). So heißt es in der Ostersequenz:

Dic nobis, Maria.Quid vidisti in via?
Sepulchrum Christi viventis
Et gloriam vidi resurgentis.

Angelicos testes.
Sudarium et vestes.
Surrexit Christus spes mea;
Praecedet suos in Galilaeam.

Sag uns, Maria, was hast du gesehen auf dem Wege?
Das Grab Christi, der lebt, hab ich gesehen
und seine Herrlichkeit, da er auferstanden ist,

und Engelszeugen,
das Schweißtuch und die Leinentücher.
Auferstanden ist Christus, meine Hoffnung.
Vorangehen wird er den Seinen nach Galiläa. (Ü: Wikipedia)

[Das die Sequenz hier ursprünglich mit einer antijüdischen Strophe weiterging, ist eine andere Geschichte …]

Fazit: das Zitat ist echt, aber es galt ursprünglich allen Frauen am Grab, nicht nur Maria aus Magdala.

Nachtrag:

Durch P. Elmar Mitterstieler SJ bin ich auf folgende Aussage des Hieronymus aufmerksam gemacht worden, sie findet sich im Vorwort zu seinem Kommentar zum Propheten Zefanja:

»Sowohl die griechische als auch die lateinische Geschichte ist voll von den Tugenden der Frauen, welche sogar ganze Bücher erfordern. Mir soll es, weil ich mich einer anderen Arbeit widme, am Ende des Prologs genügen zu sagen, dass der auferstandene Herr zuerst den Frauen erschienen ist, und jene die Apostellinnen der Apostel waren, damit die Männer rot werden sollten, dass sie nicht suchten, den das schwächere Geschlecht schon gefunden hatte.« (MPL XXV, 1337-1338; MÜ)

Zur Fortsetzung

2 Gedanken zu „Maria Magdalena – Apostelin der Apostel?“

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