Untersuchungen – Kapitel 4

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(Cap. IV – Vers.1) »Et concepit et peperit Cain, et dixit, acquisivi sive possedi hominem per Deum«. Cain (קין), acquisitio, sive possessio interpretatur, id est κτῆσις, unde et etymologiam ipsius exprimens ait, CANITHI (קניתי), id est, »possedi hominem per Deum«.

(Gen 4,1): »Und sie empfing und gebar Kain, und sie sagte, ich habe erworben oder ich habe in Besitz genommen einen Menschen durch Gott.« Kain wird als Erwerbung oder Besitz übersetzt, das heißt (auf Griechisch) ktēsis, wodurch auch gerade die Worterklärung ausdrücklich besagt: kaniti – das heißt: »einen Menschen durch Gott in Besitz nehmen«.

(Vers. 4) »Et respexit Deus super Abel, et super munera eius: super Cain autem et super sacrificia eius non respexit, et contristatus est Cain valde«. Unde scire poterat Cain, quod fratris munera suscepisset Deus, et sua repudiasset: nisi illa interpretatio vera est, quam Theodotion posuit. »Et inflammavit Dominus super Abel, et super sacrificium eius: super Cain vero, et super sacrificium eius non inflammavit«. Ignem autem ad sacrificium devorandum solitum venire de coelo: et in dedicatione templi sub Salomone legimus, et quando Elias in monte Carmelo construxit altare . (II Par VII,1; III Reg XVIII,38)

(Gen 4,4) »Und Gott blickte auf Abel und auf seine Gaben: auf Kain aber und auf sein Opfer blickte er nicht, und Kain wurde sehr betrübt«. Woher hätte Kain wissen können, dass Gott die Gaben seines Bruders angenommen, seine aber verschmäht hatte, wenn nicht diese Interpretation wahr ist, die Theodotion vorgelegt hat: »und der Herr ließ Feuer fallen auf Kain und auf sein Opfer: auf Kain aber, und auf sein Opfer ließ er nicht Feuer fallen.« Ein Feuer aber zur Verschlingung des Opfers kommt gewöhnlich vom Himmel: das lesen wir sowohl bei der Weihe des Tempels unter Salomo, und auch als Elija auf dem Berg Karmel einen Altar errichtete. (2 Chr 7,1; 1 Kön 18,38)

(Vers. 6) »Et dixit Dominus ad Cain: Quare concidit vultus tuus? Nonne si recte offeras, non recte autem dividas, peccasti? Quiesce, ad te conversio eius, et tu dominaberis eius«. Necessitate compellimur in singulis diutius immorari. Siquidem et nunc multo alius in Hebraeo, quam in Septuaginta translatoribus, sensus est. Ait enim Dominus ad Cain: »Quare irasceris, et quare concidit vultus tuus? Nonne si bene egeris, dimittetur tibi, et si non bene egeris, ante fores peccatum tuum sedebit? et ad te societas eius: sed tu magis dominare eius«. Quod autem dicit, hoc est: »Quare irasceris«, et invidiae in fratrem livore cruciatus, vultum dimittis in terram? »Nonne si bene feceris dimittetur tibi omne delictum tuum«: sive ut Theodotion ait, acceptabile erit: id est, munus tuum suscipiam, ut suscepi fratris tui? »Quod si male egeris: illico peccatum ante vestibulum tuum sedebit«, et tali ianitore comitaberis. Verum quia liberi arbitrii es: moneo ut non tibi peccatum, sed tu peccato domineris. Quod autem in Septuaginta interpretibus fecit errorem, illud est: quia peccatum, id est, ATTATH (חטאת) in Hebraeo generis masculini est, in Graeco feminini. Et qui interpretati sunt, masculino illud (ut erat in Hebraeo) genere transtulerunt.

(Gen 4,6) »Und der Herr sprach zu Kain: ‘Warum verfällt dein Angesicht? Hast du nicht, wenn du zwar recht opferst, aber nicht teilst 1, gesündigt? Sei ruhig,auf dich richtet er sich und du wirst von ihm beherrscht werden’«. Wir sind (hier) notwendigerweise gezwungen, lange Zeit bei den Einzelheiten zu verweilen, da ja nun die Bedeutung im Hebräischen um vieles anders ist, als bei den Siebzig Übersetzern. Denn der Herr sagt zu Kain: »Warum wirst du zornig, und warum verfällt dein Angesicht? Wird dir nicht, wenn du gut handelst, vergeben werden, und wenn du nicht gut handelst, wird dann nicht deine Sünde vor der Tür sitzen? Auf dich zielt seine Gesellschaft, aber du wirst eher von ihm beherrscht werden.« Folgendes aber sagt er: »Warum bist du zornig?« und warum senkst du, gepeinigt und blau vor Neid 2 auf den Bruder dein Angesicht zur Erde? »Wird dir nicht, wenn du gut handelst, jede Schuld vergeben werden?«: oder wie Theodotion sagt, es wird willkommen sein; das bedeutet: ich werde deine Opfergabe annehmen, wie ich (die) deines Bruders angenommen habe. »Darum: wenn du schlecht gehandelt hast: sogleich wird die Sünde vor deinem Eingang sitzen«, und du wirst durch eine solche Türhüterin begleitet werden. Da du aber einen freien Willen hast: ich erinnere dich daran, dass die Sünde nicht dich, sondern du die Sünde beherrschen sollst. Was aber bei den Siebzig Übersetzern einen Fehler verursacht hat, ist Folgendes: Sünde – das heißt chattāāh – ist im Hebräischen maskulin, im Griechischen feminin. Und die, die übersetzt haben, übertrugen es (wie es im Hebräischen war) als Maskulinum. 3

(Vers. 8) »Et dixit Cain ad Abel fratrem suum«. Subauditur ea, quae locutus est Dominus. Superfluum ergo est, quod in Samaritanorum et nostro volumine reperitur, »Transeamus in campum«.

Gen 4,8: »Und Kain sagte zu seinem Bruder Abel«. Darunter wird verstanden, was der Herr gesprochen hat. Daher ist überflüssig, was in [der Fassung] der Samaritaner und in unserer Ausgabe vorgefunden wird: »Lass uns auf das Feld gehen«. 4

(Vers. 15) »Omnis qui occiderit Cain, septem vindictas exsolvet«. Pro septem vindictis, Aquila septempliciter interpretatus est. Symmachus, septimum. Theodotio, per hebdomadem. Super quo capitulo exstat Epistola nostra ad episcopum Damasum.

Gen 4,15: »Jeder, der Kain tötet, wird sieben Strafen bezahlen«. Für sieben Strafen hat Aquila siebenfach übersetzt. Symmachus zum siebten Mal. Theodotion: Sieben Tage lang. Darüber liegt unser Brief an den Bischof Damasus vor.

(Vers. 16) »Et habitavit in terra Naid«. Quod Septuaginta Naid transtulerunt, in Hebraeo NOD (נוד) dicitur: et interpretatur σαλευόμενος, id est, instabilis et fluctuans, ac sedis incertae. Non est igitur terra Naid, ut vulgus nostrorum putat: sed expletur sententia Dei, quod huc atque illuc vagus et profugus oberravit.

(Gen 4,16): »Und er wohnte im Land Naid«. Was die Siebzig als Naid übersetzt haben, heißt auf Hebräisch Nod. Es wird auch als saleuómenos 5 übersetzt, das bedeutet schwankend und unsicher sein, auch ohne festen Wohnsitz. Denn es gibt kein Land Naid, wie die große Menge der unseren meint, sondern so wird der Richtspruch Gottes erfüllt, dass er heimatlos und verbannt hierhin und dorthin umherirrte. (vgl. Gen 4,12)

(Vers. 25) »Et vocavit nomen eius Seth. Suscitavit enim mihi Deus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain«. SETH (שּת) proprie θέσις, id est, positio dicitur. Quia igitur posuerat eum Deus pro Abel, propterea SETH, id est, positio appellatur. Denique Aquila: »Et vocavit, inquit, nomen eius Seth, dicens: Quia posuit mihi Deus semen alterum«.

(Gen 4,25): »Und sie rief seinen Namen Seth. Denn Gott hat mir ein anderes Kind erweckt für Abel, den Kain getötet hat«. Seth wird eigentlich thésis genannt, das bedeutet Festsetzung. Da ihn Gott also an die Stelle Abels gesetzt hatte, deshalb wird er bezeichnender Weise Seth, das bedeutet Festsetzung genannt. Daher sagt Aquila: »Und sie rief seinen Namen Seth, indem sie sagte: Gott hat mir ein anderes Kind gegeben.«

(Vers. 26) »Et vocavit nomen eius Enos: hic speravit invocare nomen Domini Dei«. Quomodo ADAM (אדם) homo interpretatur: ita et ENOS (אנושּ) iuxta Hebraeae linguae varietatem, homo vel vir dicitur. Et pulchre, quia hoc vocabulum habuit, de eo scriptum est, Tunc initium fuit invocandi nomen Domini: licet plerique Hebraeorum aliud arbitrentur, quod tunc primum in nomine Domini et in similitudine eius fabricata sint idola.

(Gen 4,26): »Und er rief seinen Namen Enosch: dieser hoffte, den Namen Gottes, des Herrn, anzurufen.« Wie Adam als Mensch übersetzt wird: so bedeutet auch Enosch – entsprechend der Vielfältigkeit der Hebräischen Sprache – Mensch oder Mann. Und es wurde zutreffend über ihn geschrieben, weil er diesen Namen hatte: damals begann man den Namen des Herrn anzurufen, obgleich die meisten der Hebräer anderes glauben, dass damals zuerst unter dem Namen des Herrn und nach seiner Ähnlichkeit die Götzenbilder verfertigt wurden. 6

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  1. LXX versucht, mit dem im Hebräischen nicht vorkommenden Ausdruck »wenn man richtig darbringt, aber nicht richtig teilt« zu erklären, warum Gott das Opfer Kains nicht annahm. Augustinus, der die LXX Fassung auslegte, schreibt dazu im Gottesstaat: »Es ist nicht klar, warum und wovon das gesagt ist, und die Dunkelheit dieser Stelle hat zu vielerlei Auffassungen geführt in dem Bestreben der Ausleger der Heiligen Schrift, sie nach der Glaubensregel zu deuten.« (Gottesstaat, XV,7) Die ganze Auslegung Augustins ist hier nachlesbar: https://www.unifr.ch/bkv/kapitel1933-6.htm
  2. im Deutschen: grün vor Neid
  3. Auch die Rabbinen beschäftigten sich mir der Frage, warum chattāāh hier in maskuliner Form steht, denn das Wort חטאה kommt in der Hebräischen Bibel auch in weiblicher Form vor (Gen 20,9; Ex 32,21; 2 Kön 17,21 u.ö.). Daher heißt es im Midrasch Genesis Rabba: »Heil dem Menschen, welcher höher ist als seine Sünde, dessen Sünde aber nicht höher ist als er, wie es hier heißt: „vor der Tür lagert die Sünde“ (Gen 4,7). Es steht nicht חַטָּאת רֹבֶצֶת (die Sünde lagert), sondern חַטָּאת רֹבֵץ (der Sünde lagert). Anfangs ist der böse Trieb so schwach wie ein Weib, und wird stark wie ein Mann.« (BR XXII zu Gen 4,6; Ü: August Wünsche)
  4. Mit anderen Worten: der hebräische Text, der hier eine »bemerkenswerte Lacuna« hat (James L. Kugel), wurde wieder einmal von der LXX interpretierend ergänzt.
  5. Partizip Singular Präsens von σαλεύω: Heftig schütteln, wanken machen
  6. Das Problem des Hebräischen Textes ist, dass es hier lange vor Ex 3 – wo Moses von Gott den Namen JHWH erfährt – heißt: »Damals begann man, den Namen JHWHs anzurufen.« Um dieses Problem zu umgehen, übersetzte die LXX »Dieser hoffte darauf, den Namen Gottes des Herrn anzurufen.« Dazu kommt, dass der hebräische Text auch mit »Damals begann man, im Namen JHWHs anzurufen« übersetzt werden kann. Das Verb חלל, das in seiner Hophal Form hier mit beginnen übersetzt wird, bedeutet im Piel, Pual und Hiphil entweihen. In diesem Sinn wird der Vers auch im Midrasch Bereschit Rabba gedeutet: damals begann der Götzendienst. Wieder einmal hat Hieronymus also eine alte jüdische Überlieferung wiedergegeben.

Untersuchungen – Kapitel 3

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(Cap. III – Vers. 1) »Serpens autem erat sapientior cunctis bestiis super terram«. Pro sapiente in Hebraeo habetur AROM (ארום), quod Aquila et Theodotion πανοῦργον interpretati sunt: hoc est, nequam et versipellem. Magis itaque ex hoc verbo calliditas et versutia, quam sapientia demonstratur.

(Gen 3,1) »Die Schlange aber war weiser als alle Tiere auf der Erde«. Für weise steht im Hebräischen arum, was Aquila und Theodotion als verschlagen ausgelegt haben, das heißt nichtsnutzig und schlau. Daher zeigt sich in diesem Wort mehr Verschlagenheit und Hinterlist als Weisheit.

(Vers. 8) »Et audierunt vocem Domini Dei ambulantis in paradiso ad vesperam«. In plerisque codicibus Latinorum, pro eo quod hic posuimus ad vesperam, post meridiem habet: quia τὸ δειλινὸν Graecum sermonem ad verbum transferre non possumus: pro quo in Hebraeo scriptum est LARUE AIOM (לרוח היום), quod Aquila interpretatus est ἐν τῷ ἀνέμω τῆς ἡμέρας, id est, in vento diei. Symmachus vero διὰ πνεύματος ἡμέρας, id est, per spiritum diei. Porro Theodotion manifestius ἐν τῷ πνεύματι πρὸς κατάψυξιν τῆς ἡμέρας, ut meridiano calore transacto, refrigerium aurae spirantis ostenderet.

(Gen 3,8) »Und sie hörten die Stimme Gottes, des Herrn, als er im Paradies am Abend spazieren ging«. In der Mehrzahl der lateinischen Handschriften steht nachmittags für den Ausdruck am Abend, den wir hier verwendet haben, weil wir ja den griechischen Ausdruck tò deilinòn1 nicht wörtlich übersetzen können: für das, was in Hebräisch lǝ ruach hajjōm geschrieben wird, das hat Aquila als im Tageswind ausgelegt, das heißt: im Wind des Tages. Symmachus aber durch den Hauch des Tages, das heißt durch den Geist Gottes. Weiters ist Theodotion noch deutlicher: im Wehen des Tages zu Abkühlung, um, nachdem die Hitze des Mittags vergangen ist, die Abkühlung des wehenden Windes anzuzeigen.

(Vers. 14) »Super pectus tuum, et ventrem tuum ambulabis«. Ventrem Septuaginta interpretes addiderunt: caeterum in Hebraeo pectus tantum habet: ut calliditatem et versutias cogitationum eius aperiret: quod omnes gressus eius nequitiae essent, et fraudes. Sed et id quod sequitur: »Terram manducabis«. Pro terra APHAR (עפר) scriptum est, quod nos favillam et pulverem possumus dicere.

(Gen 3,14) »Auf deiner Brust und auf deinem Bauch wirst du umhergehen«. Den Bauch haben die Siebzig Übersetzer hinzugefügt: Im übrigen steht im Hebräischen nur Brust, um die Verschlagenheit und Hinterlist zu enthüllen: Denn alle ihre Pfade seien Schlechtigkeit und Betrug. Jedoch auch das, was folgt: »Staub wirst du essen«. Für Erde steht āfār geschrieben, was wir Asche und Staub nennen können.

(Vers. 15) »Ipse servabit caput tuum, et tu servabis eius calcaneum«. Melius habet in Hebraeo: »Ipse conteret caput tuum, et tu conteres eius calcaneum«: quia et nostri gressus praepediuntur a colubro: et Dominus conteret Satanam sub pedibus nostris velociter.

(Gen 3,15) »Er wird deinen Kopf beobachten, und du wirst seine Ferse beobachten.2« Im Hebräischen steht es besser: »Er wird deinen Kopf zertreten und du wirst seine Ferse zertreten«: weil auch unser Schritt von der Schlange gehemmt werden: Und der Herr wird Satan rasch unter unseren Füßen zertreten.

(Vers. 16) »Multiplicans multiplicabo tristitias tuas et gemitus tuos«. Pro tristitia et gemitu, in Hebraeo dolores et conceptus habet.
»Et ad virum conversio tua«. Pro conversione Aquila, societatem: Symmachus, appetitum vel impetum transtulerunt.

(Gen 3,16) »Zahlreich machend werde ich zahlreich machen3 deine Traurigkeit und dein Seufzen.« Für Traurigkeit und Seufzen steht im Hebräischen Schmerzen und Schwangerschaft.
»Und zum Mann [wird] deine Hinwendung [sein].« Für Hinwendung hat Aquila Gemeinschaft, Symmachus Verlangen oder Trieb übersetzt4.

(Vers. 17) »Maledicta terra in operibus tuis«. Opera hic non ruris colendi, ut plerique putant, sed peccata significantur: ut in Hebraeo habetur: Et Aquila non discordat, dicens: »Maledicta humus propter te«. Et Theodotion: »Maledicta adama in transgressione tua«.

(Gen 3,17) »Verflucht ist die Erde in deinen Arbeiten«. Als Arbeiten werden hier nicht, wie die Meisten meinen, der Ackerbau, sondern die Sünden bezeichnet, wie im Hebräischen steht5. Und Aquila weicht davon nicht ab, wenn er sagt: »Verflucht ist der Erdboden deinetwegen«. Und Theodotion: »Verflucht ist die adama6 wegen deiner Übertretung«.

(Vers. 20) »Et vocavit Adam nomen uxoris suae, vitam, quia ipsa est mater omnium viventium«. Quare EVA (הוה), id est vita sit appellata, demonstrat, eo quod sit mater omnium viventium. EVA quippe transfertur in vitam.

(Gen 3,20) »Und Adam nannte den Namen seiner Frau Leben, denn sie ist die Mutter aller Lebenden«. Deshalb zeigt Eva (hebr. Chāwwa) das heißt, sie wird Leben genannt, weshalb sie Mutter aller Lebenden ist. EVA wird ja als Leben übersetzt. 7

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  1. das Wort ist eine Ableitung des bukolischen Ausdrucks δειελινός und bedeutet abendlich
  2. Hieronymus bietet hier die Fassung der LXX, die das Verb τηρέω hat. LXX Deutsch übersetzt es mit »auflauern«
  3. Die LXX versucht hier möglichst wörtlich eine hebräische Infinitiv absolutus/Imperfekt Kombination (Hiphil von רבה) wiederzugeben, die eigentlich bedeutet: »überaus vermehren«.
  4. Nur die Übersetzung von Symmachus entspricht dem Hebräischen tǝschūkā
  5. Im Hebräischen steht: Verflucht sei die Erde um deinetwillen – und nicht, wie in LXX: Verflucht sei die Erde in deinen Arbeiten.
  6. Das ist das hebräische Wort für Erdboden. Es hat die gleiche Wurzel wie Adam.
  7. Hier orientiert sich Hieronymus wieder an der LXX, die Eva als Zoe wiedergibt, dem gr. Wort für Leben.

Untersuchungen – Kapitel 2

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(Caput II – Vers. 2) »Et consummavit Deus in die sexto opera sua quae fecit.« Pro die sexto, in Hebraeo habet diem septimum. Arctabimus igitur Iudaeos, qui de otio sabbati gloriantur, quod iam tunc in principio sabbatum dissolutum sit, dum Deus operatur in sabbato, complens opera sua in eo, et benedicens ipsi diei: quia in illo universa compleverit.

(Gen 2,2) »Und es vollendete Gott am sechsten Tag seine Werke, die er gemacht hat«. Für »am sechsten Tag« steht im Hebräischen der siebte Tag1. Wir werden daher die Juden beschämen, die mit der Ruhe des Sabbats prahlen, weil schon damals – im Anfang – der Sabbat ausgelassen wurde2, insofern Gott am Sabbat wirkt, seine Werke an ihm vollendet und den Tag selbst segnet: denn an jenem [Tag] wollte er das Universum vollendet haben.

(Vers. 8) »Et plantavit Dominus Deus paradisum in Eden, contra orientem.« Pro paradiso, in Hebraeo hortum habet: id est, GAN (גן), Porro EDEN (עדן) deliciae interpretantur. Pro quo Symmachus transtulit, paradisum florentem. Necnon quod sequitur, contra orientem, in Hebraeo MECEDEM (מקדם) scribitur, quod Aquila posuit ἀπὸ ἀρχῆς: et nos, ab exordio, possumus dicere. Symmachus vero, ἐκ πρώτης, et Theodotion ἐκ πρώτοις, quod et ipsum non orientem, sed principium significat. Ex quo manifestissime comprobatur, quod priusquam coelum et terram Deus faceret, paradisum ante condiderat, sicut et legitur in Hebraeo: Plantaverat autem Dominus Deus paradisum in Eden, a principio.

(Gen 2,8) »Und Gott der Herr hat ein Paradies in Eden gepflanzt, gegen Osten.« Für Paradies steht im Hebräischen Garten, das bedeutet Gan. Weiters wird Eden als Lust ausgelegt. Symmachus hat dafür blühendes Paradies übersetzt. Und dazu wird das, was folgt, gegen Osten, im Hebräischen mikkædæm geschrieben, was Aquila als von alten Zeiten3 festgelegt hat. Und wir, wir können von Anfang an sagen. Tatsächlich [übersetzt] Symmachus von Anfang an und Theodotion zuerst, was an sich auch nicht Osten, sondern Anfang bedeutet. Daraus wird deutlich bewiesen4, dass ehe Gott Himmel und Erde machte, er vorher das Paradies erschaffen hatte, wie auch auf Hebräisch gelesen wird: es hatte aber Gott der Herr ein Paradies gepflanzt in Eden, von Anfang an.5

(Vers. 11) »Nomen uni Phison«. Hunc esse Indiae fluvium Gangen putant.

(Gen 2,11): »Der Namen des einen [Paradiesflusses ist] Phison«. Sie glauben, dass das der indische Fluss Ganges ist.

(Vers. 12) »Ubi [Al. ibi] est carbunculus et lapis prasinus«. Pro carbunculo et lapide prasinoβδέλλιον et ὄνυχα alii transtulerunt.

(Gen 2,12): »Wo [andere Handschriften: dort ist] Karfunkel und Grünstein [ist]«. Für Karfunkel und Grünstein haben andere6 Bdellium und Onyx übersetzt.

(Vers. 15) »Et sumpsit Dominus Deus hominem, et posuit eum in paradiso voluptatis«. Pro voluptate, in Hebraeo habet EDEN. Ipsi igitur nunc Septuaginta EDEN interpretati sunt voluptatem. Symmachus vero qui florentem paulo ante paradisum transtulerat, hic posuit ἐν τῷ παραδείσῳ τῆς ἀκτῆς, quod et ipsum amoenitatem et delicias sonat.

(Gen 2,15): »Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in das Lust-Paradies«. Für »Lust« steht im Hebräischen »Eden«. Selbst die Siebzig haben daher »Eden« als »Lust« ausgelegt. Symmachus allerdings, der ein wenig früher »blühendes Paradies« übersetzt hatte, setzte hier »in das Paradies der Küste«, was schon nach »anmutiger Lage« und »Lust« klingt.

(Vers. 17) »In quacumque autem die comederis ex eo, morte morieris«. Melius interpretatus est Symmachus dicens, mortalis eris.

(Gen 2,17): »Aber an welchem Tag auch immer du von ihm isst, wirst du des Todes sterben7«. Symmachus hat das besser ausgelegt, indem er sagt: »Wirst du sterblich werden8«.

(Vers. 21) »Et misit Dominus Deus ecstasim super Adam«. Pro ecstasi, id est, mentis excessu, in Hebraeo habetur THARDEMA (תרדמה), quod Aquila καταφορὰ, Symmachus κάρον, id est, gravem et profundum soporem interpretati sunt. Denique sequitur: Et dormivit. Idipsum verbum et in Ionae (I, 5) stertentis somno positum est.

(Gen 2,21): »Und Gott, der Herr sandte eine Ekstase über Adam«. Für Ekstase, das bedeutet das Hinausgehen aus dem Bewusstsein, steht im Hebräischen tarddema9, was Aquila als Niederfallen, Symmachus als Bewusstlosigkeit, das heisst einen schweren und tiefen Schlaf ausgelegt haben. Daraus folgt kurzum [diese Übersetzung]: Und er schlief. Gerade dieses Wort wird auch in Jona 1,5 für einen tiefen Schlaf (wörtlich: für den Schlaf eines Schnarchenden) verwendet10.

(Vers. 23): »Hoc nunc os ex ossibus meis, et caro de carne mea: haec vocabitur mulier, quoniam ex viro sumpta est«. Non videtur in Graeco et in Latino sonare, cur mulier appelletur, quia ex viro sumpta sit: sed etymologia in Hebraeo sermone servatur. Vir quippe vocatur IS (איש), et mulier ISSA (אישה). Recte igitur ab IS, appellata est mulier ISSA. Unde et Symmachus pulchre etymologiam etiam in Graeco voluit custodire, dicens: Haec vocabitur ὰνδρίς, ὅτι ἀπο ὰνδρός ἐλήφτη, quod nos Latine possumus dicere: »Haec vocabitur virago, quia ex viro sumpta est«. Porro Theodotio aliam etymologiam suspicatus est, dicens: »Haec vocabitur assumptio: quia ex viro sumpta est«. Potest quippe ISSA (אישה) secundum varietatem accentus et assumptio intelligi.

(Gen 2,23): »Das ist nun Gebein aus meinen Gebeinen und Fleisch von meinem Fleisch: sie wird Frau genannt, weil sie ja aus dem Mann genommen worden ist.« Im griechischen und lateinischen Sprachklang ist nicht ersichtlich, warum sie Frau genannt werden sollte, nur weil sie aus dem Mann genommen ist: aber die Wortherleitung ist in der hebräischen Sprache enthalten. Denn der Mann wird Isch genannt, und die Frau Ischa. Daher wird die Frau zurecht von Isch her als Ischa bezeichnet. Und daher wollte Symmachus die Wortherleitung in schöner Weise auch im Griechischen erhalten, indem er sagt: diese wird andris genannt, weil sie vom andros genommen wird, was wir lateinisch so sagen können: »Diese wird virago [Männin] genannt, weil sie aus dem vir [Mann] genommen ist. Weiters hat Theodotion eine andere Wortherleitung vermutet, indem er sagt: »Diese wird Annahme genannt, weil sie aus dem Mann genommen ist«. Denn es kann Ischa gemäss einer anderen Vokalisierung auch als Annahme verstanden werden11.

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  1. »Das ist wieder eine von den Stellen, welche die LXX für den König Ptolemäus geändert haben. Sie übersetzten nämlich: „Gott vollendete am sechsten Tage und ruhte am siebten Tage“.« (Midrasch Bereschit Rabba Par. X,2,1)
  2. Dieses von Hieronymus angeführte Argument war wohl der eigentliche Grund für die Änderung des Wortlautes durch die LXX; nach bMegilla 9a ist war es Gott selbst, der diese Änderung in der griechischen Übersetzung herbeigeführt hat, um den Eindruck zu vermeiden, er habe am Sabbat gearbeitet. Raschi schreibt zu diesem Vers: »Rabbi Schimeon bemerkt: Ein Mensch von Fleisch und Blut kennt nicht genau seine Zeiten, seine Abschnitte und Augenblicke, darum muss er der Sabbat Heiligkeit vom Werktage etwas hinzufügen, Gott aber weiß die Augenblicke, Zeiten und Stunden genau, und bestimmt sie haarscharf, so dass es schien, als wäre die Schöpfung erst am siebten Tag vollendet. Nach Anderen: Was hat der Welt jetzt noch gefehlt? Die Ruhe, mit dem Sabbat kam die Ruhe und mit ihr war das Schöpfungswerk vollendet und fertig.« (Ü. Julius Dessauer) MBR diskutiert die gleiche Frage in Parascha XI: »Ein ander mal fragte der Tyrann Rufus den Rabbi Akiba: Wenn es sich wirklich so verhält, wie Du sagst, dass nämlich Gott den Sabbat ehrt, so dürfte auch kein Wind an demselben wehen, es dürfte an ihm nicht regnen und nichts wachsen? Rabbi Akiba antwortete: Möchte doch der Geist dieses Mannes ausfahren! Ich will dir ein Gleichnis sagen: Zwei Personen wohnen in einem Hof, wenn der eine nicht den Eruv legt, wohl aber der andere, so dürfen beide im Hof unbehindert umhergehen; allein, wenn einer nur im Hof wohnt, so schaltet er im Hof ganz allein. Ebenso verhält es sich mit Gott. Weil keine andere Macht mit ihm im Bund steht, die ganze Welt ihm gehört, so steht ihm auch die ganze Welt frei, und nicht das allein, die, welche das Manna aßen, können dafür Zeugnis ablegen. An allen Tagen fiel das Manna, nur am Sabbat nicht.« (Ü: August Wünsche) Die Diskussion um das Wirken Gottes am Sabbat spielt außerdem eine wichtige Rolle in Joh 5,17.
  3. מִקְּדֶם ist mehrdeutig und kann bedeuten: im Osten, aber auch von Alters her (Jes 45,21)
  4. Laut Migne wurde Hieronymus wegen dieser Formulierung der Vorwurf gemacht, er würde »jüdische Fabeln« verbreiten (siehe nächste Fußnote).
  5. Vgl. die Deutungung in 4 Esr 3,6: »Dann führtest Du (Gott) ihn (Adam) ins Paradies, das deine Rechte gepflanzt hatte, ehe die Erde ward.« Hieronymus hat übersetzt (Vulgata): »Es hatte aber Gott der Herr ein Lust-Paradies gepflanzt von Anfang an«. (Plantaverat autem Dominus Deus paradisum voluptatis a principio). MBR: »Du denkst vielleicht, מקדם bedeutet vor der Erschaffung der Welt? Nein, es bedeutet nur: vor der Erschaffung des ersten Menschen. Dieser wurde am sechsten Tage, dagegen der Garten Eden am dritten Tag erschaffen.« (XV, 2,8; Ü: August Wünsche)
  6. Aquila, Symmachus, Theodotion und Flavius Josephus (Jüdische Altertümer III,1,6 zu Num 11,7) übersetzen בְּדֹלַח mit Bdellium; שֹׁהַם wird laut Gesenius in den Alten Übersetzungen wahlweise als Onyx, Sardonyx. Beryll oder Chrysopras übersetzt und bezeichnete einen roten Edelstein.
  7. »morte morieris« ist eine fast wörtliche Übersetzung des hebräischen מוֺת תַמוּת; richtig ist »du wirst sicher sterben« zu übersetzen.
  8. Symmachus ist damit ein weiterer Zeuge der Auslegungstradition von Gen 2, die die Sterblichkeit des Menschen als Folge von Adams Ungehorsam deutete; vgl. Weish 2,23-24; Sir 25,24; Röm 5,12
  9. Dieser hebräische Ausdruck wird ebenfalls in Gen 15,6 und 1 Sam 26,12 verwendet und bedeutet: »tiefer Schlaf«
  10. Diese Ableitung des Ausdrucks תַּרְדֵּמָה von רדם ist korrekt.
  11. Nach Migne geht Hieronymus hier von der Verbwurzel נשׂא aus, die u.a. auch »nehmen« oder »aufnehmen« bedeuten kann.

Untersuchungen – Kapitel 1

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(Cap. I – Vers. I) »In principio fecit Deus coelum et terram«. Plerique existimant, sicut in Altercatione quoque Iasonis et Papisci scriptum est, et Tertullianus in libro contra Praxeam disputat: necnon Hilarius in expositione cuiusdam Psalmi affirmat, in Hebraeo haberi: In filio fecit Deus coelum et terram: quod falsum esse, ipsius rei veritas comprobat. Nam et Septuaginta Interpretes, et Symmachus, et Theodotion, in principio, transtulerunt. Et in Hebraeo scriptum est, BRESITH (ברשיﬨ); quod Aquila interpretatur, in capitulo: et non BABEN (בבן), quod appellatur [Al. interpretatur], in filio. Magis itaque secundum sensum quam secundum verbi translationem de Christo accipi potest: qui tam in ipsa fronte Geneseos, quae caput librorum omnium est, quam etiam in principio Ioannis Evangelistae, coeli et terrae conditor approbatur.

(Gen 1,1) »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«. Die Meisten nehmen an, wie auch in der Auseinandersetzung von Iason und Papiscus1 geschrieben steht und wie es Tertullian im Buch gegen Praxeas erörtert2 und dazu noch Hilarius3 bei der Auslegung eines Psalms behauptet: Im Hebräischen lese man : »Im Sohn schuf Gott Himmel und Erde«: dass das falsch ist, beweist der Sachverhalt selbst. Denn sowohl die Siebzig Übersetzer als auch Symmachus und Theodotiom haben »im Anfang« übersetzt. Und im Hebräischen steht bᵉreschit , was Aquila mit »in der Hauptsache«4 übersetzt und nicht mit bawen, was im Sohn heisst (andere Handschriften lesen: was mit Sohn übersetzt wird). So kann man (das Wort) »de Christo« eher sinngemäss als wörtlich auslegen: denn er (Christus) wird so auf der ersten Seite der Genesis, die der Beginn aller Bücher ist, wie auch »im Anfang« des Evangelisten Johannes als Schöpfer des Himmels und der Erde bestätigt.

Unde et in Psalterio [Psal. XXXIV, 8]5 de seipso ait: In capitulo [Al. capite] libri scriptum est de me, id est, in principio Geneseos. Et in Evangelio: Omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil [Ioan. I, 3]. Sed et hoc sciendum, quod apud Hebraeos liber hic BRESITH vocatur: hanc habentes consuetudinem, ut voluminibus ex principiis eorum nomina imponant.

Daher sagt er im Psalter [Ps 40,81]von sich selbst: am Anfang des Buches, das bedeutet, am Anfang der Genesis, wurde über mich geschrieben. Und im Evangelium: alles wurde durch ihn erschaffen, und ohne ihn wurde nichts erschaffen (Joh 1,3). Aber man muss wissen, dass dieses Buch bei den Hebräern bereschit genannt wird: denn sie haben die Gewohnheit, die Bücher nach ihren Anfängen zu benennen.

(Vers. 2) »Et Spiritus Dei ferebatur super aquas«. Pro eo quod in nostris codicibus scriptum est, ferebatur, in Hebraeo habet MEREFETH6 (מרחפת), quod nos appellare possumus, incubabat, sive confovebat, in similitudinem volucris, ova calore animantis. Ex quo intelligimus, non de spiritu mundi dici, ut nonnulli arbitrantur, sed de Spiritu Sancto, qui et ipse vivificator omnium a principio dicitur. Si autem vivificator, consequenter et conditor. Quod si conditor, et Deus. Emitte enim, ait, Spiritum tuum, et creabuntur [Psal. CIII, 32]7.

(Gen1,2) »Und der Geist Gottes bewegte sich (schwebte, ging umher) über den Wassern«. Für das, was in unseren Büchern als »er schwebte« (bewegte sich, ging umher) geschrieben steht, liest man im Hebräischen mᵉrachæfæt, was wir er lag auf nennen können, oder er hegte und pflegte gleich einem Vogel, der die Eier mit Wärme belebt8 Daraus ersehen wir, dass nicht vom Geist der Welt die Rede ist – wie einige meinen – sondern vom Heiligen Geist, der ja vom Anfang an Lebensspender von allem (oder: allen) genannt wird. Wenn aber Lebensspender, dann ist er folgerichtig auch Schöpfer. Wenn er aber Schöpfer ist, ist er auch Gott. Giesse deinen Geist aus, heißt es (in der Schrift), und sie werden erschaffen werden (Ps 104,30 EÜ).

(Vers. 10.) »Et congregationes aquarum vocavit maria«. Notandum quod omnis congregatio aquarum, sive salsae sint, sive dulces, iuxta idioma linguae Hebraicae, maria nuncupentur. Frustra igitur Porphyrius, Evangelistas ad faciendum ignorantibus miraculum, eo quod Dominus super mare ambulaverit, pro lacu Genezareth, mare appellasse calumniatur, cum omnis lacus et aquarum congregatio maria nuncupentur.

(Gen1,10) »Und die Ansammlungen der Wasser nannte er Meer«. Es ist zu beachten, dass jede Ansammlung von Wassern, sei es, dass sie salzig, sei es, dass sie süss sind, gemäss der Eigentümlichkeit der hebräischen Sprache, als Meer bezeichnet werden. Vergeblich also kritisiert Porphyrius9, dass die Evangelisten – um für die Unwissenden ein Wunder zu fabrizieren – (nämlich) dass dort der Herr auf dem Meer wandelte, den See Genezareth »Meer« nannten10, obwohl doch ohnehin jeder See und jede Ansammlung von Wasser Meer genannt wird.

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  1. Der Dialog von Jason und Papiscus ist eine nicht erhalten gebliebene, frühchristliche Schrift; vgl. Origenes: Gegen Celsus IV,52.
  2. »Gegen Praxeas« 5: »Manche behaupten auch, die Genesis beginne im hebräischen Text: ‚Im Anfange machte sich Gott den Sohn‘. (Aiunt quidem et Genesin in Hebræo ita incipere: ‚In principio Deus fecit sibi Filium‘).
  3. Vgl. Hilarius: Tractatus in psalmos 2,3 (MPL IX 263): »Bresith ist ein hebräisches Wort und enthält drei Bedeutungen, nämlich »im Anfang«, »im Ursprung« und »im Sohn« (Bresith verbum hebraicum est. Id tres significantias in se habet, id est et in principio et in capite et in filio) Vgl. die Targumim zur Stelle: »Targum Onkelos gibt ברשית mit בקדםין – im Anfange – wieder; das jerusalemische Targum durch בחוכמא – mit Weisheit; das Targum des Jonathan durch מן אוולא – aus Nichts.« (Rabbiner Simon Bamberger: Die Schöpfungsurkunde nach Darstellung des Midrasch – S. 1).
  4. Ἐν κεφαλαίῳ.
  5. In Wirklichkeit Vulgata Ps 39,8 aus der LXX (!) übersetzt; entspricht Ps 40,8 in der EÜ, die aber dem hebräischen Text folgt.
  6. Der masoretische Text liest mᵉrachæfæt.
  7. Eigentlich Ps 103,30 Vulgata.
  8. Das hebräische Wort מְרַחֶפֶת ist Piel Part. fem. von רחף und kommt auch in Dtn 32,11 vor, wo JHWH über Israel wacht, wie ein Adler über seinen Jungen schwebend. Im Midrasch Bereschit Rabba (BR II,1,3) heißt es daher: »wie ein Vogel, der seine Flügel hin und her bewegt, sodass sie (Körper und Nest) berühren und nicht berühren«. Aus dieser Tradition scheint Hieronymus hier zu schöpfen.
  9. Porphyrius war ein Schüler Plotins († 270); der hochgebildete Heide schrieb ein Werk »Gegen die Christen«, in dem er sich auch kritisch mit der Bibel auseinandersetzte. Dieses Werk ist leider nur in Fragmenten erhalten – ein solches Fragment hat Hieronymus hier bewahrt.
  10. vgl. Mk 6,45-52; der griechische Text spricht vom θάλασσα auf dem Jesus geht, (Mk 6,47), was im klassischen Griechisch »Meer« bedeutet.

Buch der hebräischen Untersuchungen über die Genesis – Vorwort

Qui in principiis librorum debebam secuturi operis argumenta proponere, cogor prius respondere maledictis, Terentii quippiam sustinens, qui comœdiarum prologos in defensionem sui scenis dabat. Urgebat enim eum Luscius Lanuinus, nostro Luscio similis, et quasi publici ærarii poetam furem criminabatur. Hoc idem passus est ab æmulis et Mantuanus vates, ut cum quosdam versus Homeri transtulisset ad verbum, compilator veterum diceretur. Quibus ille respondit, magnarum esse virium, clavam Herculi extorquere de manu. Sed et Tullius, qui in arce eloquentiæ Romanæ stetit, rex oratorum, et Latinæ linguæ illustrator, repetundarum accusatur a Græcis. Non mirum ergo si contra me parvum homunculum immundæ sues grunniant, et pedibus margaritas conculcent, cum adversus doctissimos viros, et qui gloria invidiam superare debuerant, livor exarserit. Verum hoc illis merito accidit, quorum in theatris, curis, concione, pro rostris eloquentia pertonabat. Semper enim in propatulo fortitudo æmulos habet, Feriuntque summos Fulmina montes. (Horaz, Carm. II, ode X 19).

Ich, der ich am Anfang der Bücher die Inhalte darlegen sollte für das folgende Werk, fühle mich gezwungen, auf die Schmähreden zu antworten, wobei ich mich auf eine Gewohnheit  des Terenz stütze, der um sich selbst zu verteidigen den Komödien Prologe voranstellte. Denn es bedrängte ihn Luscius Lanuinus, 1 unserem Luscius 2 ähnlich: er verklagte den Dichter als wäre er ein Dieb an der Staatskasse. Dasselbe hatte auch der Dichter aus Mantua 3 von Rivalen zu erleiden: denn als er einige Verse des Homer wörtlich übersetzt hatte, nannte man ihn »Plünderer« der Alten. Jener antwortete ihnen, es bedürfe grosser Kräfte, Herkules die Keule aus der Hand zu reissen. Aber auch Tullius, 4 der auf der Höhe der römischen Beredsamkeit stand, ein König der Redner und einer, der der lateinischen Sprache Glanz verlieh, wurde von den Griechen auf Schadenersatz verklagt. Es wäre daher kein Wunder, wenn gegen mich kleines Menschlein unreine Schweine grunzen und Perlen mit den Füssen zertreten 5 würden, weil gegen die gelehrtesten Männer und die, die durch Ruhm den Neid hatten überwinden müssen, Missgunst entbrannt ist. Aber verdientermassen geschah das denen, deren Redegewandtheit in den Theatern, in den Kurien, in der Volksversammlung und auf der Rednerbühne immer wieder dröhnte. Denn immer hat die Tüchtigkeit Rivalen: »und die Blitze treffen die höchsten Berge« (Horaz).

Me vero procul ab urbibus, foro, litibus, turbis remotum, sic quoque (ut Quintilianus ait) latentem invenit invidia. Unde lectorem obsecro, . . . . . si quis tamen haec quoque, si quis. Captus amore leget, . . . . . . . ut in libris Hebraicarum Quaestionum, quos in omnem Scripturam sanctam disposui scribere, non quaerat eloquentiam, non oratorum leporem; sed magis inimicis pro nobis ipse respondeat, Novo operi veniam concedendam. Ut enim nos humiles atque pauperculi, nec habemus divitias, nec oblatas dignamur accipere: ita et illi noverint, non posse se notitiam Scripturarum, id est, divitias Christi, cum mundi pariter habere divitiis. Studii ergo nostri erit, vel eorum, qui de libris Hebraicis varia suspicantur, errores refellere: vel ea quae in Latinis et Graecis codicibus scatere videntur, auctoritati suae reddere; etymologias quoque rerum, nominum atque regionum, quae in nostro sermone non resonant, vernaculae linguae explanare ratione.

Ja, obwohl ich mich fern halte von den Städten, dem Markt, den Streitereien und den Menschenmassen, so entdeckt mich doch (wie Quintilian sagt) in meiner Verborgenheit der Neid. 6 Daher beschwöre ich den Leser inständig …wenn dennoch einer auch das, wenn irgendeiner dies, von Liebe ergriffen, liest7 dass er in den Büchern der Hebräischen Untersuchungen (ich habe beschlossen, sie zur gesamten Heiligen Schrift zu schreiben), nicht Beredsamkeit und nicht Liebenswürdigkeit der Redner sucht; sondern eher den Feinden an unserer Stelle eine entsprechende Antwort gibt. Dem neuen Werk muss Nachsicht gewährt werden. Denn so wie wir demütig und armselig weder Reichtümer haben noch geneigt sind, sie anzunehmen, wenn sie uns angeboten werden, so sollten auch jene wissen, dass sie nicht die Kenntnis der Schriften, d.h., die Reichtümer Christi, mit den Reichtümern der Welt gemeinsam haben können. 8 Unser Bemühen wird es also sein, sowohl die Irrtümer derer, die die Hebräischen Bücher der Unzuverlässigkeit verdächtigen, zurück zuweisen als auch das, womit die lateinischen und griechischen Handschriften voll zu sein scheinen, ihrer eigenen Autorität zu überlassen; (weiters bedarf es der Mühe) die Herkunft der Wörter für Dinge, Namen und Gegenden, die in unserer Sprache nicht vorkommen, entsprechend der Ausgangssprache zu erklären.

Et quo facilius emendatio cognoscatur, ipsa primum, ut apud nos sunt, testimonia proponemus, et ex collatione eorum quae sequuntur, quod in illis, aut minus, aut plus, aut aliter sit, indicabimus.

Und damit eine Verbesserung leichter erkannt wird, werden wir zuerst – sofern sie bei uns vorhanden sind – Belegstellen vorlegen 9 und dann aus ihrer (folgenden) Sammlung angeben, was in jenen (hebräischen Texten) entweder mehr oder weniger oder anders ist.

Neque vero Septuaginta Interpretum, ut invidi latrant, errores arguimus: nec nostrum laborem, illorum reprehensionem putamus: cum illi Ptolemaeo regi Alexandriae mystica quaeque in Scripturis sanctis prodere noluerint, et maxime ea quae Christi adventum pollicebantur: ne viderentur Iudaei et alterum Deum colere: quos ille Platonis sectator magni idcirco faciebat, quia unum Deum colere dicerentur. Sed et Evangelistae, et Dominus quoque noster atque Salvator, necnon et Paulus Apostolus, multa quasi de veteri Testamento proferunt, quae in nostris codicibus non habentur. Super quibus in suis locis plenius disseremus. Ex quo perspicuum est, illa magis vera esse exemplaria, quae cum novi Testamenti auctoritate concordant. Accedit ad hoc, quod Iosephus, qui Septuaginta Interpretum ponit 10 historiam, quinque tantum ab eis libros Moysi translatos refert:

Weder kritisieren wir aber die Irrtümer der Siebzig Übersetzer, wie die Neider kläffen, noch halten wir unser Werk für eine Widerlegung des ihren: weil jene dem Ptolemäus , dem König von Alexandria, nicht alle Geheimnisse in den Heiligen Schriften verraten wollten und hauptsächlich die, die Ankunft Christi verhiessen; damit nicht der Anschein erweckt werde, die Juden würden noch einen anderen Gott verehren. Diese (= die Juden) schätzte ein Anhänger des Platon deshalb hoch ein, weil man sagte, sie verehrten nur einen Gott. Aber sowohl die Evangelisten als auch unser Herr und Erlöser und dazu noch der Apostel Paulus zitieren geradezu vieles aus dem Alten Testament, was in unseren Handschriften nicht enthalten ist. Damit werden wir uns an entsprechenden Stellen ausführlicher auseinandersetzen. 11 Daher ist es einsichtig, dass die Abschriften, die mit der Autorität des Neuen Testaments übereinstimmen, eher authentisch sind. Dazu kommt, dass Josephus, der die Geschichte der Siebzig Übersetzer niederschrieb, überliefert, dass nur die fünf Bücher des Moses von ihnen übersetzt wurden.

quos nos quoque confitemur, plus quam caeteros cum Hebraicis consonare. Sed et hi qui postea interpretes exstiterunt, Aquilam loquor, et Symmachum, et Theodotionem, longe aliter habent, quam nos legimus. Ad extremum (quod etiam obtrectatores nostros placare potest) peregrinae merces tantum volentibus navigent: balsamum, piper, et poma palmarum rustici non emant. De Adamantio autem sileo, cuius nomen, si parva licet componere magnis, meo nomine invidiosius est, quod cum in homiliis suis, quas ad vulgum loquitur, communem editionem sequatur: in tomis, id est, in disputatione maiori, Hebraica veritate superatus, et suorum circumdatus agminibus, interdum linguae peregrinae quaerit auxilia. Hoc unum dico, quod vellem cum invidia nominis eius habere etiam scientiam Scripturarum, flocci pendens imagines umbrasque larvarum, quarum natura esse dicitur, terrere parvulos, et in angulis garrire tenebrosis.

Auch wir stimmen zu, dass diese (fünf Bücher des Mose) mehr als die übrigen mit den Hebräischen (Büchern) übereinstimmen. Aber auch die, die später als Übersetzer aufgetreten sind – ich spreche von Aquila, Symmachus und Theodotion- haben weit andere Handschriften als wir lesen. Zuletzt (was sogar unsere Widersacher versöhnen kann) sollen nur für die, die wollen, Waren aus der Fremde zu Schiff kommen: Balsam, Pfeffer und Datteln sollen die Bauern nicht kaufen. Vom »Stählernen« 12 aber schweige ich, dessen Name – wenn es gestattet ist, Kleines mit dem Grossen zu vergleichen, noch verhasster ist als meiner, da er, als er in seinen Predigten, die er vor dem gewöhnlichen Volk hielt, der allgemeinen Ausgabe folgte, wurde er in den Schriften, d.h. in den anspruchsvolleren Abhandlungen, vom Urtext der Hebräischen Bibel 13 überwältigt und, umgeben von der Schar der Seinen suchte er bisweilen Hilfe in der fremden Sprache. Das eine sage ich: Ich möchte gerne mit dem Neid auf seinen Namen auch seine Kenntnis der Schriften haben. Ich pfeife auf die Bilder und Schatten der Gespenster, von denen man sagt, es sei ihre Natur, kleine Kinder zu erschrecken und in dunklen Winkeln zu schwatzen.

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  1. gemeint ist wohl Luscius aus Lanuvium, Dichter und Konkurrent des Terenz.
  2. Anspielung unklar
  3. Vergil
  4. Cicero
  5. vgl. Mt 7,6
  6. Zitiert von Abaelard in der Historia Calamitatum 955; dort der Nachweis: Ps.-Quintilian: Declamationes maiores XIII,2
  7. Vergil: Bucolica, Ecloge VI
  8. Zitiert von Thomas von Aquin im Liber contra impugnantes Dei cultum et religionem Pars II,1
  9. Das bezieht sich auf die Hexapla des Origenes, die Hieronymus bei seiner Arbeit unverzichtbare Dienste leisten sollte
  10. Andere Textzeugen lesen: proponit
  11. Das hat Hieronymus ausführlich in seinem berühmten Brief 57 an Pammachius »Über die beste Art zu übersetzen« getan.
  12. Ehrennamen des Origenes
  13. Hebraica Veritas ist ein Schlüsselbegriff bei Hieronymus bei der Frage, woran sich eine Bibelübersetzung orientieren soll.

Hieronymus

Ich danke Frau Dr. Veronika Brandstätter für Ihre grossartige Unterstützung bei den Übersetzungen. Alle verbleibenden Fehler sind meinen begrenzten Kenntnissen zuzuschreiben.

Hier die Übersetzung des lateinischen Textes von Hieronymus Liber Hebraicarum Quaestionum in Genesim (zitiert nach dieser Ausgabe). Das Buch ist auch unter dem Titel Liber quaestionem hebraicarum in Genesim bekannt. Ich habe vor, im Lauf der Zeit das ganze Buch zu übersetzen und in den Fussnoten zu kommentieren. Eine sehr schöne Handschrift dieses Buches hat dankenswerter Weise die Stiftsbibliothek von St. Gallen online gestellt.