Das bittere, fluchbringende Wasser (Num 5,11-31)

Ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit eines zweiten und genauen Blicks auf einen schwierigen und anstößige Text bietet das Eifersuchtsordal aus Num 5. Hier wird ausführlich geschildert, wie ein eifersüchtiger Mann seine Frau, die er – ohne Beweise zu haben – des Ehebruchs bezichtigt, in den Tempel bringen soll. Dort bereitet der Priester einen Trunk aus »bitterem und fluchbringendem Wasser«, das im Fall der Untreue »ihren Bauch anschwelle und ihre Hüften einfallen« lassen wird. Wenn ich diesen Text mit einer Gruppe lese, ruft er zunächst immer Entsetzen hervor. Tut er das nicht zu Recht? Auf den ersten Blick scheint der Text doch ein Klassiker der Frauenfeindlichkeit zu sein – denn entsprechende Bestimmungen für möglicherweise untreue Männer finde sich in der Tora nicht. Ich möchte hier zeigen, dass dieser Text im Gegenteil zum Schutz der Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft beigetragen hat. Hier meine Argumente:

1. Es empfiehlt sich, die Zubereitung des »Bitterwassers« genau zu lesen. Woraus besteht es? Antwort: aus »heiligem Wasser«, Staub vom Fußboden des Tempels (Num 5,17) und einer symbolisch in das Wasser gewischten Schrift (Num 5,23). Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem solchen Trank der Bauch anschwillt und die Hüften einfallen?

2. Im Talmud gibt es eine interessante Diskussion dazu: bei der Debatte zu den Bestimmungen über das fluchbringende Wasser kommt die Frage auf, ob man seine Töchter Tora studieren lassen soll, damit sie diese Probe bestehen können. »Rabbi Eliezer sagte: wer seine Tochter Tora lehrt, lehrt sie Ausschweifung«. (bSota 20a). Mit anderen Worten: wenn die Töchter verstehen, wie der Hase läuft, dann haben wir ein echtes Problem …

3. Die Bestimmung stammt aus einer patriarchalen Zeit, in der die Sanktion für einen Ehebruch die Todesstrafe war. Die beschuldigte Frau stand also in Lebensgefahr. Da erscheint mir ein Trank aus einem Gefäß mit Staub versetztem Wasser als echte Alternative!

Das führt zu meiner Schlussfolgerung: in diesen Bestimmungen der Tora geht es um den Schutz der Frau vor ihrem eifersüchtigen Ehemann – und nicht um eine frauenfeindliche Maßnahme einer patriarchalen Religion.

Fortsetzung

Ein Gedanke zu „Das bittere, fluchbringende Wasser (Num 5,11-31)“

  1. Das geht mir etwas zu schnell. Wir haben hier die Beschreibung eines Rituals, bei dem einer Frau Krankheit und Verfall angedroht werden, und sie muss sich dies „einverleiben“ und dazu Amen sagen. Diese Machtdemonstration, die alle Körpergrenzen überschreitet, soll symbolisch dazu führen, dass der Ehemann die vermeintlich verlorene Kontrolle wieder gewinnt. Der Deal ist, dass die Frau für den Verdacht ihres Mannes mit ihrer extremen Erniedrigung bezahlt. Sicher würden wir alle diese Erniedrigung dem Tod vorziehen, wenn wir wählen könnten!

    Die Frage ist, welche Funktion Num 5,11-31 hat und haben will. Er steht ja im Kontext der Fertigstellung des Wüstenheiligtums und es geht um die kultische Ordnung. Insofern hat der Text – finde ich – einen eher symbolischen Wert als dass er eine direkte Handlungsanweisung wäre. In zivilisatorischer Absicht verfasst? Vielleicht sogar das. Aber auch: die symbolische Wiederherstellung von „Ehre“ und Kontrolle auf Kosten von Frauen.

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