Untersuchungen – Kapitel 1

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(Cap. I – Vers. I) »In principio fecit Deus coelum et terram«. Plerique existimant, sicut in Altercatione quoque Iasonis et Papisci scriptum est, et Tertullianus in libro contra Praxeam disputat: necnon Hilarius in expositione cuiusdam Psalmi affirmat, in Hebraeo haberi: In filio fecit Deus coelum et terram: quod falsum esse, ipsius rei veritas comprobat. Nam et Septuaginta Interpretes, et Symmachus, et Theodotion, in principio, transtulerunt. Et in Hebraeo scriptum est, BRESITH (ברשיﬨ); quod Aquila interpretatur, in capitulo: et non BABEN (בבן), quod appellatur [Al. interpretatur], in filio. Magis itaque secundum sensum quam secundum verbi translationem de Christo accipi potest: qui tam in ipsa fronte Geneseos, quae caput librorum omnium est, quam etiam in principio Ioannis Evangelistae, coeli et terrae conditor approbatur.

(Gen 1,1) »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«. Die Meisten nehmen an, wie auch in der Auseinandersetzung von Iason und Papiscus1 geschrieben steht und wie es Tertullian im Buch gegen Praxeas erörtert2 und dazu noch Hilarius3 bei der Auslegung eines Psalms behauptet: Im Hebräischen lese man : »Im Sohn schuf Gott Himmel und Erde«: dass das falsch ist, beweist der Sachverhalt selbst. Denn sowohl die Siebzig Übersetzer als auch Symmachus und Theodotiom haben »im Anfang« übersetzt. Und im Hebräischen steht bᵉreschit , was Aquila mit »in der Hauptsache«4 übersetzt und nicht mit bawen, was im Sohn heisst (andere Handschriften lesen: was mit Sohn übersetzt wird). So kann man (das Wort) »de Christo« eher sinngemäss als wörtlich auslegen: denn er (Christus) wird so auf der ersten Seite der Genesis, die der Beginn aller Bücher ist, wie auch »im Anfang« des Evangelisten Johannes als Schöpfer des Himmels und der Erde bestätigt.

Unde et in Psalterio [Psal. XXXIV, 8]5 de seipso ait: In capitulo [Al. capite] libri scriptum est de me, id est, in principio Geneseos. Et in Evangelio: Omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil [Ioan. I, 3]. Sed et hoc sciendum, quod apud Hebraeos liber hic BRESITH vocatur: hanc habentes consuetudinem, ut voluminibus ex principiis eorum nomina imponant.

Daher sagt er im Psalter [Ps 40,81]von sich selbst: am Anfang des Buches, das bedeutet, am Anfang der Genesis, wurde über mich geschrieben. Und im Evangelium: alles wurde durch ihn erschaffen, und ohne ihn wurde nichts erschaffen (Joh 1,3). Aber man muss wissen, dass dieses Buch bei den Hebräern bereschit genannt wird: denn sie haben die Gewohnheit, die Bücher nach ihren Anfängen zu benennen.

(Vers. 2) »Et Spiritus Dei ferebatur super aquas«. Pro eo quod in nostris codicibus scriptum est, ferebatur, in Hebraeo habet MEREFETH6 (מרחפת), quod nos appellare possumus, incubabat, sive confovebat, in similitudinem volucris, ova calore animantis. Ex quo intelligimus, non de spiritu mundi dici, ut nonnulli arbitrantur, sed de Spiritu Sancto, qui et ipse vivificator omnium a principio dicitur. Si autem vivificator, consequenter et conditor. Quod si conditor, et Deus. Emitte enim, ait, Spiritum tuum, et creabuntur [Psal. CIII, 32]7.

(Gen1,2) »Und der Geist Gottes bewegte sich (schwebte, ging umher) über den Wassern«. Für das, was in unseren Büchern als »er schwebte« (bewegte sich, ging umher) geschrieben steht, liest man im Hebräischen mᵉrachæfæt, was wir er lag auf nennen können, oder er hegte und pflegte gleich einem Vogel, der die Eier mit Wärme belebt8 Daraus ersehen wir, dass nicht vom Geist der Welt die Rede ist – wie einige meinen – sondern vom Heiligen Geist, der ja vom Anfang an Lebensspender von allem (oder: allen) genannt wird. Wenn aber Lebensspender, dann ist er folgerichtig auch Schöpfer. Wenn er aber Schöpfer ist, ist er auch Gott. Giesse deinen Geist aus, heißt es (in der Schrift), und sie werden erschaffen werden (Ps 104,30 EÜ).

(Vers. 10.) »Et congregationes aquarum vocavit maria«. Notandum quod omnis congregatio aquarum, sive salsae sint, sive dulces, iuxta idioma linguae Hebraicae, maria nuncupentur. Frustra igitur Porphyrius, Evangelistas ad faciendum ignorantibus miraculum, eo quod Dominus super mare ambulaverit, pro lacu Genezareth, mare appellasse calumniatur, cum omnis lacus et aquarum congregatio maria nuncupentur.

(Gen1,10) »Und die Ansammlungen der Wasser nannte er Meer«. Es ist zu beachten, dass jede Ansammlung von Wassern, sei es, dass sie salzig, sei es, dass sie süss sind, gemäss der Eigentümlichkeit der hebräischen Sprache, als Meer bezeichnet werden. Vergeblich also kritisiert Porphyrius9, dass die Evangelisten – um für die Unwissenden ein Wunder zu fabrizieren – (nämlich) dass dort der Herr auf dem Meer wandelte, den See Genezareth »Meer« nannten10, obwohl doch ohnehin jeder See und jede Ansammlung von Wasser Meer genannt wird.

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  1. Der Dialog von Jason und Papiscus ist eine nicht erhalten gebliebene, frühchristliche Schrift; vgl. Origenes: Gegen Celsus IV,52.
  2. »Gegen Praxeas« 5: »Manche behaupten auch, die Genesis beginne im hebräischen Text: ‚Im Anfange machte sich Gott den Sohn‘. (Aiunt quidem et Genesin in Hebræo ita incipere: ‚In principio Deus fecit sibi Filium‘).
  3. Vgl. Hilarius: Tractatus in psalmos 2,3 (MPL IX 263): »Bresith ist ein hebräisches Wort und enthält drei Bedeutungen, nämlich »im Anfang«, »im Ursprung« und »im Sohn« (Bresith verbum hebraicum est. Id tres significantias in se habet, id est et in principio et in capite et in filio) Vgl. die Targumim zur Stelle: »Targum Onkelos gibt ברשית mit בקדםין – im Anfange – wieder; das jerusalemische Targum durch בחוכמא – mit Weisheit; das Targum des Jonathan durch מן אוולא – aus Nichts.« (Rabbiner Simon Bamberger: Die Schöpfungsurkunde nach Darstellung des Midrasch – S. 1).
  4. Ἐν κεφαλαίῳ.
  5. In Wirklichkeit Vulgata Ps 39,8 aus der LXX (!) übersetzt; entspricht Ps 40,8 in der EÜ, die aber dem hebräischen Text folgt.
  6. Der masoretische Text liest mᵉrachæfæt.
  7. Eigentlich Ps 103,30 Vulgata.
  8. Das hebräische Wort מְרַחֶפֶת ist Piel Part. fem. von רחף und kommt auch in Dtn 32,11 vor, wo JHWH über Israel wacht, wie ein Adler über seinen Jungen schwebend. Im Midrasch Bereschit Rabba (BR II,1,3) heißt es daher: »wie ein Vogel, der seine Flügel hin und her bewegt, sodass sie (Körper und Nest) berühren und nicht berühren«. Aus dieser Tradition scheint Hieronymus hier zu schöpfen.
  9. Porphyrius war ein Schüler Plotins († 270); der hochgebildete Heide schrieb ein Werk »Gegen die Christen«, in dem er sich auch kritisch mit der Bibel auseinandersetzte. Dieses Werk ist leider nur in Fragmenten erhalten – ein solches Fragment hat Hieronymus hier bewahrt.
  10. vgl. Mk 6,45-52; der griechische Text spricht vom θάλασσα auf dem Jesus geht, (Mk 6,47), was im klassischen Griechisch »Meer« bedeutet.