Siebzig oder fünfundsiebzig Personen

Das Ausgangsproblem

Nach dem Masoretischen Text (MT) von Ex 1,5 beträgt die Zahl aller Personen, die von Jakob abstammen: 70 Personen.

וַֽיְהִי כָּל־נֶפֶשׁ יֹצְאֵי יֶֽרֶךְ־יַעֲקֹב שִׁבְעִים נָפֶשׁ וְיוֹסֵף הָיָה בְמִצְרָֽיִם׃

Und er waren alle Person(en), die aus den Lenden Jakobs hervorgingen, Siebzig Person(en) – und Josef war in Ägypten. (MÜ)

Merwürdigerweise spricht Stephanus in seiner großen Rede vor seiner Ermordung in Apg 7,14 allerdings von 75 Personen:

ἀποστείλας δὲ Ἰωσὴφ μετεκαλέσατο Ἰακὼβ τὸν πατέρα αὐτοῦ καὶ πᾶσαν τὴν συγγένειαν ἐν ψυχαῖς ἑβδομήκοντα πέντε.

Josef aber sandte hin und rief seinen Vater Jakob und die ganze Verwandschaft zu sich: fünfundsiebzig Lebende (Ü: Fridolin Stier)

Lukas folgt damit der Septuaginta, die diese Zahl ebenfalls in Ex 1,5 bietet:

Ιωσηφ δὲ ἦν ἐν Αἰγύπτῳ. ἦσαν δὲ πᾶσαι ψυχαὶ ἐξ Ιακωβ πέντε καὶ ἑβδομήκοντα.

Joseph aber war (schon) in Ägypten. Es waren aber alle Menschen aus Jakob 75 an der Zahl. (Ü: LXX Deutsch)

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Historisch-kritische vs. traditionelle Bibelauslegung?

Ein flüchtiger Blick auf die Artikel dieses Blogs zeigt, dass ich grosses Interesse an der traditionellen christlichen und jüdischen Bibelauslegung habe. Da scheint es nahezuliegen, eine Schublade aufzumachen: hier wird ein vorkritischer Zugang vertreten, der sich nicht auf der Höhe der derzeitigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen bewegt. Aber muss das wirklich so sein? Ohne die Spannungen zwischen traditionellen und historisch-kritischen Zugängen leugnen zu wollen, haben mich einige Beobachtungen in den letzten Monaten zum Grübeln gebracht. Ich will das einmal an zwei Beispielen verdeutlichen.

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Schöne Übersetzungen I

Damit das hier kein Mäkel-Blog wird, in dem nur schlechte Übersetzungen beklagt werden (und Übersetzung ist schon immer Auslegung), zur Abwechslung mal ein Beitrag über gelungene Beispiele, in diesem Fall an Hand einer klassischen Formulierung aus Jesaja.

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