„Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein.“

So übersetzt die revidierte Einheitsübersetzung die zweite Hälfte von Mk 7,19. Ich halte das für falsch und möchte einen genaueren Blick auf die Übersetzungstradition dieser biblischen Aussage werfen – es lohnt sich.

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Jesus ben Pantera?

Es ist ein uraltes Gerücht, dass bis heute seine Kreise zieht: Die neutestamentlichen Erzählungen von der Jungfrauengeburt seien nichts anderes als der legendenhafte Versuch, eine unehrenhafte Abstammung Jesu zu verschleiern. In Wahrheit sei er nämlich die Frucht einer ehebrecherischen Beziehung seiner Mutter mit einem römischen Soldaten namens Pantera. (Sofern nicht anders angegeben, sind alle Übersetzungen in diesem Artikel von mir).

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Was ist hier zu gross: Die Sünde oder ihre Bestrafung?

In diesem Beitrag geht es um die Übersetzung von Gen 4,13.
Luther 2017 übersetzt den Vers so:

Kain aber sprach zu dem HERRN:
Meine Strafe ist zu schwer, als dass ich sie tragen könnte.

Im Gegensatz dazu bietet die revidierte Einheitsübersetzung:

Kain antwortete dem HERRN:
Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte.

Die Elberfelder räumt in einer Fußnote neben der „Strafe“ auch die „Schuld“ als Übersetzungsmöglichkeit ein. Hat sich der Mörder vom Anfang an – also Kain – dem HERRN gegenüber als schuldig bekannt, oder beschwert er sich vielmehr über seine Bestrafung?

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Siebzig oder fünfundsiebzig Personen

Das Ausgangsproblem

Nach dem Masoretischen Text (MT) von Ex 1,5 beträgt die Zahl aller Personen, die von Jakob abstammen: 70 Personen.

וַֽיְהִי כָּל־נֶפֶשׁ יֹצְאֵי יֶֽרֶךְ־יַעֲקֹב שִׁבְעִים נָפֶשׁ וְיוֹסֵף הָיָה בְמִצְרָֽיִם׃

Und er waren alle Person(en), die aus den Lenden Jakobs hervorgingen, Siebzig Person(en) – und Josef war in Ägypten. (MÜ)

Merwürdigerweise spricht Stephanus in seiner großen Rede vor seiner Ermordung in Apg 7,14 allerdings von 75 Personen:

ἀποστείλας δὲ Ἰωσὴφ μετεκαλέσατο Ἰακὼβ τὸν πατέρα αὐτοῦ καὶ πᾶσαν τὴν συγγένειαν ἐν ψυχαῖς ἑβδομήκοντα πέντε.

Josef aber sandte hin und rief seinen Vater Jakob und die ganze Verwandschaft zu sich: fünfundsiebzig Lebende (Ü: Fridolin Stier)

Lukas folgt damit der Septuaginta, die diese Zahl ebenfalls in Ex 1,5 bietet:

Ιωσηφ δὲ ἦν ἐν Αἰγύπτῳ. ἦσαν δὲ πᾶσαι ψυχαὶ ἐξ Ιακωβ πέντε καὶ ἑβδομήκοντα.

Joseph aber war (schon) in Ägypten. Es waren aber alle Menschen aus Jakob 75 an der Zahl. (Ü: LXX Deutsch)

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Legion ist mein Name, weil wir viele sind

Als Fjodor Michailowitsch Dostojewski seinen Roman „Die Dämonen“ schrieb, stellte er ihm neben einem Gedicht von Alexander Sergejewitsch Puschkin die neutestamentliche Erzählung von einer Dämonebannung Jesu voran, allerdings in der Version des Evangelisten Lukas. Ich möchte hier die Markus-Fassung der Erzählung untersuchen und auf ihre historischen Hintergründe befragen, um ihr Verständnis zu erleichtern. Markus erzählt in 5,1-20, wie Jesus einen Besessenen von einem Dämon befreit, der sich selbst „Legion“ nennt. Mit der Erlaubnis Jesu fährt „Legion“ dann in eine Schweineherde, die im See von Galiläa ertrinkt.
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Die Worte der Dämonen bei Markus

In Mk 1,23-26 wird die erste Dämonenbannung Jesu in diesem wohl ältesten kanonischen Evangelium beschreiben:

Griechischer Text nach Nestle-Aland 28 Übersetzung Münchener NT
Καὶ εὐθὺς ἦν ἐν τῇ συναγωγῇ αὐτῶν Und sofort war in ihrer Synagoge
ἄνθρωπος ἐν πνεύματι ἀκαθάρτῳ ein Mensch in unreinem Geist
καὶ ἀνέκραξεν λέγων· und aufschrie er, sagend:
τί ἡμῖν καὶ σοί, Ἰησοῦ Ναζαρηνέ; Was uns und dir, Jesus, Nazarener?
ἦλθες ἀπολέσαι ἡμᾶς; Kamst du, uns zu vernichten?
οἶδά σε τίς εἶ, Ich kenne dich, wer du bist,
ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ. der Heilige Gottes.
καὶ ἐπετίμησεν αὐτῷ ὁ Ἰησοῦς λέγων· Und anfuhr ihn Jesus, sagend:
φιμώθητι καὶ ἔξελθε ἐξ αὐτοῦ. Verstumme und komm heraus aus ihm.
καὶ σπαράξαν αὐτὸν τὸ πνεῦμα τὸ ἀκάθαρτον Und zerrend ihn der unreine Geist
καὶ φωνῆσαν φωνῇ μεγάλῃ und schreiend mit lauter Stimme
ἐξῆλθεν ἐξ αὐτοῦ. kam er heraus aus ihm.

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Ein Wortspiel des Paulus auf dem Areopag

(Quellenangabe zum Artikelbild)

In Apostelgeschichte 17 wird Lukas auf den Ares Hügel (Ἄρειος πάγος) geführt und hält eine Rede an die dort anwesenden Männer Athens, die er mit einem provozierenden Wortspiel einleitet.

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Ist die Mundkommunion katholisch?

Im Zug der Corona-Krise war eine Zeitlang hier in Wien im Gottesdienst die Mundkommunion aus hygienischen Gründen verboten – was zu bemerkenswerten Reaktionen führte: so sah ich Gläubige, die sich die Kommunion vom Spender in ein Gefäß legen ließen, mit dessen Hilfe sie sich dann selbst die Mund-Kommunion spendeten. Unabhängig davon fiel mir ein reaktionäres Pamphlet in die Hände, das die Handkommunion als Ursache aller Übel in Welt und Kirche ausmachte. Zeit also, einmal einen gründlicheren Blick in die katholische Tradition zu werfen. Dabei gehe ich strikt chronologisch vor. „Ist die Mundkommunion katholisch?“ weiterlesen

Die Bibel in der Hand von Donald Trump

Im Zuge der Unruhen nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis durch vier weiße Polizisten ließ Präsident Trump friedliche Demonstranten vor dem Weißen Haus mit Tränengas vertreiben und posierte mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche neben seinem Amtssitz, die bei Ausschreitungen beschädigt worden war.


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Sieben Diakone in der Urgemeinde?

Eine sehr alte Auslegungstradition sieht in den sieben Männern aus Apg 6,1-7 die ersten Diakone der Kirchengeschichte und versteht diesen Abschnitt daher als Einsetzung des Diakonats. Wie weit verbreitet diese Auslegung ist, zeigt sich daran, dass die Elberfelder Übersetzung, der man sicher keine katholischen Tendenzen vorwerfen kann, den Abschnitt mit „Diakonenwahl“ überschreibt1. Ich halte diese Auffassung für falsch und möchte mich in meiner Darlegung dazu auf zwei prominente Zeugen berufen: das orthodoxe Lehramt und die heutige wissenschaftliche Exegese. „Sieben Diakone in der Urgemeinde?“ weiterlesen