Copy and paste III

Manchmal reicht die Veränderung eines einzelnen Buchstabens, um den Sinn eines biblischen Satzes dramatisch zu verändern – das gilt nicht nur für die hebräische Bibel, sondern auch für das griechische Neue Testament. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist das der Geschlechtsumwandlung der Junia in einen Junias bei der Abschrift von Röm 16,7. Hier schreibt Paulus in der langen Grußliste des letzten Kapitels seines umfangreichsten Briefes: »Grüßt Andronikus und Junias, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie sind angesehene Apostel und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt«. Andronikus und Junias müssen demnach zwei Männer gewesen sein, Mitarbeiter, die Paulus sehr hoch einschätzte. Das Problem dabei: der Name Junias existiert in der griechischsprachigen Antike nicht.

Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos († 407) sagt in einem Predigt-Kommentar über den Römerbrief zu der fraglichen Stelle: »Mein Gott, wie groß war die Weisheit dieser Frau, dass sie sogar für wert befunden wurde, Apostel genannt zu werden«. (MPG 60, 670) Mit anderen Worten, der Bischof von Konstantinopel wusste, dass Junia eine Frau war.

Offensichtlich hielten spätere Kopisten diesen weiblichen Namen für ein Versehen – und ergänzten stillschweigend einen Buchstaben: so wurde aus der (Ehe)Frau des Andronikus der Mann Junian. Wie Gerhard Lohfink dazu anmerkte: »Difficile est, satiram non scribere.« (Es ist schwierig, daraus keine Satire zu machen). Überprüfen Sie doch einmal, ob Ihre Bibelausgabe in einer Fußnote auf die ursprüngliche Lesart eingeht, oder sie sogar in der Übersetzung führt …

Eine ausführlichere Quellensammlung zum Thema habe ich hier zusammengetragen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert