Simon Magus, eine altlateinische Inschrift und ihre Folgen

In Apg 8,9-24 berichtet Lukas von einem Simon, der als Magier großen Eindruck auf die Einwohner der Stadt Sebaste1 in Samaria machte. Beeindruckt von der Verkündigung des Philippus lässt er sich taufen und versucht, Petrus die Vollmacht, durch Handauflegung den Heilige Geist zu verleihen, abzukaufen. Die Perikope endet mit einer brüsken Zurückweisung Simons durch Petrus, dem Aufruf zur Umkehr an Simon und dessen Bitte an Petrus, für ihn zu beten.

Interessant ist das außerbiblische Nachleben dieses Mannes, nach dem der Kauf eines geistlichen Amtes in der Kirchengeschichte als Simonie bezeichnet wurde. Justin der Märtyrer (gestorben 162/168) weiß eine interessante Folgeerzählung zu berichten. Ich gebe sie hier in der Form wieder, die sie in einem Justin-Zitat in der Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea (stirbt um 339/340) gefunden hat.

»καὶ μετὰ τὴν ἀνάληψιν τοῦ κυρίου εἰς οὐρανὸν προεβάλλοντο οἱ δαίμονες ἀνϑρώπους τινὰς λέγοντας ἑαυτοὺς εἶναι ϑεούς, οἳ οὐ μόνον οὐκ ἐδιώχϑησαν ὑφ᾿ ὑμῶν, ἀλλὰ καὶ τιμῶν ἠξιώϑησαν· Σίμωνα μέν τινα Σαμαρέα, τὸν ἀπὸ κώμης λεγομένης Γίτϑων, ὃς ἐπὶ Κλαυδίου Καίσαρος διὰ τῆς τῶν ἐνεργούντων δαιμόνων τέχνης δυνάμεις μαγικὰς ποιήσας ἐν τῇ πόλει ὑμῶν τῇ βασιλίδι Ῥώμῃ ϑεὸς ἐνομίσϑη καὶ ἀνδριάντι παρ᾿ ὑμῶν ὡς ϑεὸς τετίμηται ἐν τῷ Τίβερι ποταμῷ μεταξὺ τῶν δύο γεφυρῶν, ἔχων ἐπιγραφὴν Ῥωμαϊκὴν ταύτην· SIMONI DEO SANCTO, ὅπερ ἐστὶν Σίμωνι ϑεῷ ἁγίῳ. καὶ σχεδὸν μὲν πάντες Σαμαρεῖς, ὀλίγοι δὲ καὶ ἐν ἄλλοις ἔϑνεσιν ὡς τὸν πρῶτον ϑεὸν ἐκεῖνον ὁμολογοῦντες προσκυνοῦσιν. καὶ Ἑλένην τινά, τὴν συμπερινοστήσασαν αὐτῷ κατ᾿ ἐκεῖνο τοῦ καιροῦ, πρότερον ἐπὶ τέγους σταϑεῖσαν ἐν Τύρῳ τῆς Φοινίκης, τὴν ἀπ᾿ αὐτοῦ πρώτην ἔννοιαν λέγουσιν.«
ταῦτα μὲν οὗτος· συνᾴδει δ᾿ αὐτῷ καὶ Εἰρηναῖος, ἐν πρώτῳ τῶν πρὸς τὰς αἱρέσεις ὁμοῦ τὰ περὶ τὸν ἄνδρα καὶ τὴν ἀνοσίαν καὶ μιαρὰν αὐτοῦ διδασκαλίαν ὑπογράφων. (Kirchengeschichte, II,13, 3-4; GCS 9/1 S. 134-136)

»Und nach der Aufnahme des Herrn in den Himmel veranlassten die Dämonen einige Menschen hervorzutreten, die von sich sagten, dass sie Götter wären; die wurden nicht nur nicht von euch angeklagt, sondern auch noch der Ehrenbezeugungen für würdig gehalten: man hält in eurer Stadt, dem königlichen Rom, einen gewissen Simon [aus] Samaria, von einem Dorf, das Gitthon heißt, der unter dem Kaiser Claudius durch das Wirken der Dämonen mit List magische Wundertaten wirkte, für einen Gott, auch indem man [ihn] an dem Tiberfluss zwischen den beiden Brücken auf eure Veranlassung wie einen Gott mit einem Standbild verehrt, das diese Römische Inschrift trägt: SIMONI DEO SANCTO, was »Simon, dem heiligen Gott« bedeutet. Und so ziemlich alle Samaritaner, aber auch eine Minderzahl in anderen Völkern, beten denselben an, indem sie [ihn] als den ersten Gott anerkennen. Und eine gewisse Helena, die mit ihm zu jener Zeit herumzog – vorher hielt sie sich unter einem Dach in Tyrus in Phönizien auf 2 – nennen sie seinen ersten Gedanken.«
Soweit nun dieser [= Justin]: Aber mit ihm stimmt auch Irenäus [von Lyon] überein, im ersten [Buch] betreffend die Häresien, indem er zugleich über den Mann und seine unheilige und verruchte Lehre Protokoll führt. (Eusebius, HE II,13,3-4; MÜ)

Irenäus von Lyon

Der von Eusebius angesprochene Text des Irenäus 3 hat nur in einer anonymen lateinischen Übersetzung überlebt. Nachdem Irenäus den Schluss der Erzählung aus Apg 8 teils wörtlich zitiert hat, fährt er fort:

Et cum adhuc magis non credidisset Deo, et cupidus intendit contendere adversus apostolos, uti et ipse gloriosus videretur esse, et universam magicam adhuc amplius scrutans, ita ut in stuporem cogeret multos hominum : quippe cum esset sub Claudio Caesare, a quo etiam statua honoratus esse dicitur propter magicam. Hic igitur a multis quasi deus glorificatus est. (MPG VII, 671)

Und da er immer noch Gott nicht mehr vertraute, bemühte er sich leidenschaftlich gegen die Apostel zu kämpfen, so dass er auch selbst ruhmvoller zu sein erscheine, und indem er immer mehr die gesamte Magie erforscht, so dass er viele Menschen zum Staunen zwang: ja, man sagt, dass er wegen der Magie – als er unter dem Kaiser Claudius lebte – von diesem auch durch ein Standbild geehrt worden sei. Er ist also von vielen wie ein Gott verehrt worden. (Irenäus, Adv. Här. I,23,1; MÜ)

Die Inschrift

1584 wurde am Quirinal in Rom eine Inschrift gefunden, die auf den ersten Blick die Nachricht des Justin/Eusebius Berichtes zu bestätigen scheint. Hier zunächst das Bild dazu:

Quelle: EPIGRAPHIC DATABASE ROMA
Quelle: EPIGRAPHIC DATABASE ROMA

Die Inschrift lautet:

Sanco sancto Semoni
Deo Fidio sacrum.
Decuria sacerdotûm
bidentalium reciperatis
vectigalibus.

Ist das der SIMONI DEO SANCTO des Eusebius? Ein zweiter Blick ist ernüchternd, denn die altlateinische Inschrift besagt:

Dem heiligen Sancus Semo
Dem treuen Gott eine Weihegabe
Die Dekurie der Priester
Durch die wiedergewonnen Abgaben
Der Blitzmale. (MÜ)

Ein Blick in das Lexikon der Antike zeigt, dass Sancus Semo nicht Simon, den Magier meint, sondern einen altrömischen Treu- und Schwurgott. 4 Semo Sancus ist ein schmückendes Beiwort dieses Gottes, der bei den Griechen auch als Ζεύς Πίστιος (Zeus Pistios) verehrt wurde 5 Sein Kult auf dem Quirinal war mit dem Priesterkollegium der sacerdotes bidentales verbunden, 6 In seinem Tempel, der zum Himmel hin offen war („der Himmel ist mein Zeuge“), wurden Staatsverträge aufbewahrt.

Mit anderen Worten, die ganze Geschichte von der angeblichen Verehrung des Simon Magus dürfte auf einer Fehldeutung dieser oder ähnlicher Inschriften beruht haben.

Tertullian

Erstaunlicherweise wurde sie auf von einem lateinischen Muttersprachler, nämlich Tertullian (stirbt um 220) übernommen – er überliefert sie in seinem Apologeticum 13.

Sed digne imperatoribus defunctis honorem divinitatis dicatis, quibus et viventibus eum addicitis. Accepto ferent dei vestri, immo gratulabuntur, quod pares eis fiant domini sui. Sed cum Larentinam publicum scortum, velim saltim Laidem aut Phrynen, inter Iunones et Cereres et Dianas adoretis, cum Simonem Magum statua et inscriptione Sancti Dei inauguratis, cum de paedagogiis aulicis nescio quem synodi deum facitis, licet non nobiliores dei veteres tamen contumeliam a vobis deputabunt hoc et aliis licuisse quod solis antiquitas contulit.

Eine würdige Einrichtung ist es da noch, daß ihr den verstorbenen Kaisern göttliche Ehre zuerkennt, da ihr sie ihnen ja auch schon bei Lebzeiten zollt. Das wird eure Götter freuen, ja sie werden sich gratulieren, daß ihre Herren ihnen nun gleich werden. Aber, daß ihr die Larentina, eine öffentliche Dirne – ich wünschte, ihr nähmet wenigstens noch die Lais und Phryne hinzu -, mit der Juno, Ceres und Diana anbetet, daß ihr den Simon Magus mit einer Statue und der Inschrift: „Sanctus Deus“ beehrt habt, daß ihr einen, ich weiß nicht welchen Günstling aus den Knabeninstituten des Kaiserhofes zum Gott macht, das werden euch eure alten Götter, obwohl sie um nichts nobler sind, denn doch als eine angetane Beschimpfung anrechnen, daß das auch einem ändern erlaubt gewesen sein soll, was sie für sich allein von Alters her in Anspruch nehmen. (Ü: Heinrich Kellner, BKV)

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  1. So identifiziert Rudolph Pesch die von Lukas in 8,5 genannte »Stadt Samarias« in EKK V/1 S. 272
  2. Rufin macht in seiner lateinischen Übersetzung aus diesem Dach ein prōstibulum – ein Bordell, und aus Helena eine Selene, »die Gefährtin seines Irrtums und Betrugs«. GCS 9/1 S. 135
  3. War ab 178 Bischof von Lyon, Tod gegen Ende des zweiten Jahrhunderts
  4. Alle nun folgenden Angaben nach dem Artikel Sancus in: Paulys Realencyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft, Zweite Reihe (R-Z), Erster Band S. 2252 ff.
  5. Ein weiterer Beleg, dass pistis bzw. fides ursprünglich Treue bedeutete.
  6. Ein bidental war ein Blitzmal oder Blitzgrab, also eine Stelle, an der der Blitz in die Erde gefahren war. Da er als Ausdruck einer göttlichen Warnung verstanden wurde, hatten die Blitzmal-Priester den Auftrag, nach einem solchen Blitzschlag Sühnopfer darzubringen.

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