De mortuis nihil nisi bene

Über die Toten soll man nur in guter Weise sprechen. Beinhaltet das auch, dass das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, nicht erwähnt werden darf? Dieser Gedanke beschäftigt mich, seitdem ich einige Nachrufe zum Tod des großen Dirigenten Lorin Maazel am 13. Juli 2014 gelesen habe.

Beginnen wir mit dem offiziellen Nachruf der Wiener Staatsoper. Deren Direktor wird darin mit den Worten zitiert: » … wurde er in den Achtzigerjahren als Direktor zum Teil auch heftig kritisiert …« Warum er kritisiert wurde, wird nicht gesagt, insgesamt wird das herzerwärmende an der Beziehung der Staatsoper zum Verstorbenen hervorgehoben.

»Den wahren Lorin Maazel« will Wilhelm Sinkovicz in der Presse darstellen und beginnt seinen Nachruf mit den Worten: »Wien hat ihm übel mitgespielt.« Wir lesen dann von einem »rauen Wind« und »grellen Misstönen«, ohne aber zu erfahren, worum es wirklich ging.

Dazu musste man die Wiener Zeitung aufschlagen: Dort hat Edwin Baumgartner die Sache beim Namen genannt: es war der Antisemitismus innerhalb des Wiener Opernpublikums, der Maazel nach zwei Spielzeiten zum Aufgeben zwang: »Man hasst ihn, weil er Jude ist«.

Mir fällt angesichts dieser Lektüre ein Satz des Bischofs von Autun ein: »Worte sind dazu da, die Gedanken zu verbergen.«

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