Weibliche Diakone in der altkirchlichen Tradition

Plinius der Jüngere († um 115 n. Chr.) hat in einem Brief, den er 111 als Statthalter von Bithynien und Pontus an den römischen Kaiser Trajan schrieb, das von ihm durchgeführte brutale Verhör von zwei Christinnen geschildert.

»Um so mehr hielt ich es für nötig, aus zwei Mägden, die Helferinnen genannt werden, herauszubekommen, was wahr sei, und zwar unter der Folter. Nichts anderes fand ich als verschrobenen, maßlosen Aberglauben. Darum habe ich die Ermittlung vertagt und beeile mich, Deinen Rat einzuholen.« (Briefe, Buch X, 96,8)

Der von Plinius für die beiden Märtyrerinnen verwendete Audruck ministra entspricht dem griechischen Wort diakónissa, der weiblichen Diakonin, das sich im Neuen Testament noch nicht, dafür aber in den nichtbiblischen Texten der Alten Kirche findet. (Das NT verwendet nur das Wort diákonos, das in der Antike sowohl für Männer wie für Frauen gebraucht werden konnte).

Syrische Didaskalie

Die aus dem frühen 3. Jh. stammende syrische Kirchenordnung überschreibt ihr 16. Kapitel mit »Über die Anstellung der Diakone und Diakonissen«. Dort werden dem Bischof folgende Anweisungen erteilt:

»Darum, o Bischof, stelle Dir Arbeiter bei der Almosenpflege an und Helfer, die mit dir zum Leben helfen; die welche dir von dem ganzen Volke wohlgefallen, wähle aus und stelle (sie) als Diakonen an, sowohl einen Mann zur Beschickung der vielen Dinge, die nötig sind, als eine Frau zum Dienst der Weiber. Es gibt nämlich Häuser, wohin du einen Diakon zu den Frauen nicht schicken kannst um der Heiden willen, eine Diakonisse aber wirst du schicken (können), zumal da auch (noch) in vielen andern Dingen die Stellung einer dienenden Frau nötig ist. Zunächst, wenn die Frauen in das Wasser hinabsteigen, ist es nötig, daß die, welche zum Wasser hinabsteigen, von einer Diakonisse mit dem Öle der Salbung gesalbt werden, und wo keine Frau zugegen ist und besonders (keine) Diakonisse, da muß der Täufer den (weiblichen) Täufling salben; wo aber eine Frau da ist und besonders eine Diakonisse, ist es nicht Sitte, daß die Frauen von Männern gesehen werden, sondern salbe nur das Haupt unter Handauflegung, wie früher Priester und Könige in Israel gesalbt worden sind.(…)

Und wenn der (weibliche) Täufling aus dem Wasser herausgestiegen ist, soll ihn die Diakonisse in Empfang nehmen, belehren und erziehen, wie das Siegel der Taufe unzerstörbar ist, in Keuschheit und Heiligkeit. Darum sagen wir, daß besonders der Dienst einer dienenden Frau nötig und erforderlich ist, denn auch unser Herr und Heiland ist von dienenden Frauen bedient worden, nämlich von der Maria von Magdala, und von Maria der Tochter so des Jakobus, und von der Mutter des Jose und der Mutter der Söhne Zebedäi mit noch anderen Frauen. Auch du bedarfst des Dienstes der Diakonisse zu vielen Dingen, denn in die Häuser der Heiden, wo gläubige (Frauen) sind, muß die Diakonisse gehen, die Kranken besuchen und sie bedienen mit dem, was sie brauchen; und die, welche anfangen von ihrer Krankheit zu genesen, soll sie waschen. (Syrische Didaskalie, XVI S. 84-85: Ü: Hans Achelis und Johannes Paul Gotthilf Flemming)

Konzil von Nicäa

Das erste ökumenische Konzil fand vom 19. Juni bis 25. August 325 n. Chr. statt. Für unsere Fragestellung ist der Kanon 19 des Konzils wichtig, der den Umgang mit den Anhängern des Paul von Samosata regelt. Der Großmeister der katholischen Konzilienforschung im deutschen Sprachraum  – es handelt sich um den ehemaligen Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Karl Josef Hefele († 1898), hat den Kanon in seiner Conciliengeschichte abgedruckt. (Conciliengeschichte I, S. 427)

Ich habe diesen Kanon so übersetzt: »Hinsichtlich der Paulianisten, die dann ihre Zuflucht in der katholischen Kirche gesucht haben, wurde die Regel aufgestellt, sie auf jeden Fall wiederzutaufen. Wenn aber einige in früheren Zeiten zum Klerus gezählt wurden, wenn sie schuldlos und von Vorwürfen frei zu sein scheinen, sollen sie wiedergetauft und ihnen die Hände vom Bischof der katholischen Kirche aufgelegt werden. Wenn die Untersuchung sie aber als nicht geeignet herausfindet, dann sollen sie ausgeschlossen werden. In gleicher Weise aber soll auch hinsichtlich der Diakonissen, und überhaupt hinsichtlich der in der Liste verzeichneten Personen die gleiche Vorgehensweise beachtet werden. Wir haben aber die Diakonissen, die in dieser Form verzeichnet sind, erwähnt, da sie ja nicht das Auflegen der Hände haben, sodass sie auf jeden Fall zu den Laien zu zählen sind.« (MÜ)

Konzil von Chalcedon

Dieses vierte ökumenische Konzil fand vom 8. Oktober bis Anfang November 451 statt. Die Diakonissin ist Thema des 15. Kanons dieser großen Kirchenversammlung. Ich gebe hier bewusst nur die Übersetzung Hefeles (Conciliengeschichte II, S. 597) wieder.

»Zur Diakonissin soll keine Weibsperson geweiht werden, bevor sie vierzig Jahre alt ist, und dann erst nach sorgfältiger Prüfung. Wenn sie aber, nachdem sie die Weihe empfangen hat und einige Zeit lang im Dienste gewesen ist, heirathet, die Gnade Gotte geringschätzend, so soll sie sammt dem, der sich mit ihr verbunden, anathematisiert werden.«

Der griechische Text von Chalcedon verwendet das gleiche Verb, das Hefele mit »geweiht werden« übersetzt hat, wie der Text von Nicäa. Nur ist die Aussage hier eine ganz andere!

Decretum Gratiani

Dieser Kanon 15 von Chalcedon wurde in einer sehr genauen lateinischen Übersetzung in das Decretum Gratiani aufgenommen, und findet sich dort im Zweiten Teil des Decretums, Causa XXVII, Quaestio I, Cap. XXIII unter der Überschrift: »Diaconissa, quae post ordinationem nubit, anathema sit«. Zu Deutsch: Die Diakonisse, die nach der Ordination heiratet, sei ausgeschlossen. (In dieser Ausgabe Spalte 920).

Allerdings bedeutet ordinatio im gewöhnlichen Sprachgebrauch der lateinischen Tradition Weihe. Was also folgt aus diesen von mir aufgeführten Textzeugen? Das ist Auslegungssache …

Fortsetzung folgt.

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