Nochmal zum Katenen Kommentar

Bei der Beschäftigung mit der Katene als Kommentarform der Väterzeit ist mir eine interessante strukturelle Ähnlichkeit aufgefallen:

https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Codex_Bodmer_25_folio_4_recto.jpg&filetimestamp=20100210002058

Wenn man sich diese Handschrift auf der linken Seite einmal genauer ansieht (zum vergrößern bitte auf das Bild klicken), dann erkennt man ziemlich deutlich, dass sich in der Mitte des Blattes der biblische Text befindet, der von den entsprechenden Kommentaren umrahmt ist. Auf diese Weise erhält der Lesende einen guten Überblick zu den möglichen Auslegungen der betreffenden Stelle, und wird seinerseits eingeladen, sich eigene Gedanken zur Erklärung und Bedeutung des Bibelabschnitts zu machen. Über die damit verbundene Möglichkeit, in einen Diskurs quer durch Raum und Zeit einzusteigen, habe ich ja schon geschrieben.

Betrachten Sie bitte einmal das nun folgende Bild: Man erkennt die gleiche Struktur – in der Mitte der Seite ist ein Text, um den herum in Aussagen bedeutender Kommentatoren gesetzt sind. Nur ist diese Seite nicht auf Griechisch geschrieben, sondern in Hebräisch/Aramäisch. Es handelt sich hier um eine Seite aus dem Jerusalmer Talmud. Der quadratische Text in der Mitte enthält die Mischna, also die (ursprünglich) mündlich überlieferte Auslegung der Tora. Wenn man sich vor Augen hält, dass ein Großteil der neutestamentlichen Texte intensive Bezüge zu den Schriften des christlichen Alten Testaments haben, dann geht die Paralle zwischen dem, was diese beiden Blättern  darstellen, über die reine Struktur hinaus: wir haben es im Prinzip mit einem vielstimmigen Kommentar zu einer Auslegung zu tun.

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