»Die Schrift« im Johannesevangelium

In Joh 7,38 zitiert der vierte Evangelist die Schrift (hē graphḗ) – nur ist sein Zitat in unserem heutigen Bibel Kanon nicht verifizierbar. Dafür gibt es andere bemerkenswerte Parallelen.

So lautet Joh 7,38 in der Elberfelder Übersetzung von 1905: »Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen.« Christus spricht diese Worte bei Johannes am letzten Tag des Laubhüttenfestes im Tempel in Jerusalem (vgl. Joh 7,2+28+37).

Laubhütte heißt auf Hebräisch sukkāh (der Plural sukkot ist der hebräische Namen des Laubhüttenfestes). Im Traktat Sukka des Jerusalemer Talmuds findet sich folgende Ausführung: »Rabbi Josua b. Levi hat gesagt: ‘Warum nannten sie ihn [= den Vorhof der Frauen im Tempel] Stätte des Wasserschöpfens? Weil sie von dort her den Heiligen Geist schöpften, wegen des Wortes: Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen [Jes 12,3] …« (jSukka 55a – zitiert nach Schnackenburg).

Die gleiche Tradition findet sich im Midrasch Bereschit Rabba, der Gen 29,2 ff. deutet. Der Vers lautet – wiederum in der Luther Übersetzung – so: »Und er [Jakob] sah: und siehe, ein Brunnen auf dem Felde; und siehe, daselbst waren drei Herden Schafe an demselben gelagert, denn aus diesem Brunnen tränkte man die Herden; und der Stein auf der Öffnung des Brunnens war groß«. Dazu führt der Midrasch aus:

»Der Brunnen auf dem Feld ist Zion, die drei Herden bedeuten die drei Feste, aus diesem Brunnen tränkten sie die Herden d.i. von da [den Festen] schöpften sie den heiligen Geist, und der Stein war groß d.i. die Freude bei dem Schöpfhaus [der Tempelhalle, wo die Prozession des Wasserschöpfens am Hüttenfest geschah]. Warum heißt es so? Weil von da, wie Rabbi Hosaja bemerkte, der heilige Geist geschöpft wurde« (MBR, Par. LXX zu Gen 29,3 – Übersetzung August Wünsche)

Wieder einmal dürfte Johannes also eine Auslegungstradition aus der Zeit des zweiten Tempels aufgegriffen haben.

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